1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Aktuell: Raketen treffen Universität in Charkiw

7. Juli 2022

In der Ostukraine werfen sich beide Kriegsparteien gegenseitig die Tötung von Zivilisten vor, Menschen werden zur Flucht aufgerufen. In Indonesien kommen die G20-Außenminister zu Beratungen zusammen. Ein Überblick.

https://p.dw.com/p/4DmUS
Ukraine Russischer Angriff auf die Universität Charkiw
Die pädagogische Universität von CharkiwBild: Sergey Bobok/AFP

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Universität in Charkiw durch russische Raketen zerstört
  • Luhansk nicht vollständig unter russischer Kontrolle
  • Behörden in der Ostukraine raten Zivilisten zur Flucht
  • G20 beraten auf Bali über Krieg in der Ukraine
  • UN warnen vor weiterer Armut weltweit wegen Ukraine-Krieg

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirft Russland vor, eine Universität in Charkiw durch Raketen zerstört zu haben und spricht von "Barbarei". Der Angriff auf die pädagogische Hochschule der zweitgrößten Stadt des Landes "charakterisiert die russische Invasion mit einer Genauigkeit von 100 Prozent. Wenn man definiert, was Barbarei ist, ist dieser Schlag am besten geeignet." Nur ein "Feind von Zivilisation und Menschlichkeit" könne Raketen auf eine pädagogische Universität abfeuern.

Ukraine Russischer Angriff auf die Universität Charkiw
Zerstörung im Inneren der Hochschule in CharkiwBild: Sergey Bobok/AFP

Kein Besatzer werde ungestraft davonkommen, beteuerte Selenskyj. "Jeder russische Mörder und Vergewaltiger, der in unser Land gekommen ist, wird zur Rechenschaft gezogen. Und es spielt keine Rolle, wie lange es dauert, diese Aufgabe zu erledigen."

Gouverneur: Noch immer Kämpfe in Region Luhansk

Die ostukrainische Region Luhansk wird nach Darstellung von Gouverneur Serhij Hajdaj noch nicht völlig von der russischen Armee kontrolliert. Die Kämpfe dauerten in Außenbezirken an, teilte er per Nachrichtendienst Telegram mit. Das russische Militär habe Verluste erlitten. Die ukrainische Armee habe sich nur von jenen Positionen zurückgezogen, die nicht zu halten waren. Hajdaj warf den Angreifern vor, in der Region verbrannte Erde zu hinterlassen. Er gehe davon aus, dass die russische Armee von Luhansk aus eine Offensive gegen die Orte Bachmut und Slowjansk in der Region Donezk starten wolle.

Behörden in der Ostukraine raten Zivilisten zur Flucht

Im Donezker Gebiet fordern die Behörden die Zivilbevölkerung vor diesem Hintergrund zur Flucht auf. "Russland hat das gesamte Gebiet von Donezk zu einem gefährlichen Hotspot auch für Zivilisten gemacht", teilte Gouverneur Pawlo Kyrylenko mit. Der Bürgermeister von Slowjansk, Wadym Ljach, kündigte an, Zivilisten sollten mit Bussen und Zügen in den Westen des Landes gebracht werden.

Ukraine | Krieg | Verletzter Soldat in Sewersk
Ukrainische Soldaten bergen in Siwersk in der Region Luhansk einen VerletztenBild: Narciso Contreras/AA/picture alliance

Beide Kriegsparteien machten sich unterdessen gegenseitig für Tote und Verletzte bei neuen Angriffen verantwortlich. Die prorussischen Separatisten in der Region Donezk warfen der ukrainischen Armee vor, durch Beschuss sechs Menschen getötet zu haben, darunter drei Kinder. 19 Menschen seien verletzt worden. Die Ukraine warf der russischen Armee ihrerseits den Beschuss mehrerer Orte vor. In der Region Donezk seien drei Menschen getötet worden. Die Angaben waren von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.

Selenskyi lobt westliche Hilfe

Präsident Selenskyj sieht in westlichen Waffensystemen schon jetzt eine kraftvolle Verstärkung der ukrainischen Armee im Krieg gegen Russland. Mit treffgenauer Artillerie zerstöre die Ukraine Depots und andere Ziele, die für die Logistik der Russen wichtig seien, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. "Und das reduziert das Offensivpotenzial der russischen Armee erheblich." Der heutige Donnerstag ist für die Ukraine der 134. Kriegstag seit Beginn der russischen Invasion Ende Februar.

Ukraine-Krieg I Volodymyr Zelenskyy
Präsident Selenskyj nennt Einsatz westlicher Waffen zur Abwehr russischer Angriffe effektivBild: Ukraine Presidency/ZUMA Wire/IMAGO

Lambrecht: Keine deutschen Fuchs-Panzer für die Ukraine

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat einer Lieferung von Transportpanzern des Typs Fuchs an die Ukraine mit Hinweis auf eigene Sicherheitsinteressen Deutschlands eine Absage erteilt. "Wir unterstützen die Ukraine mit allem, was möglich und verantwortbar ist. Aber wir müssen die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gewährleisten", sagte die SPD-Ministerin der Deutschen Presse-Agentur und reagierte damit auf Forderungen der Union.

EU I Militär-Hilfe für die Ukraine
Ein Fuchs-Panzer bei einer Übung in der Wettiner Heide/NiedersachsenBild: Sven Eckelkamp/IMAGO

Lambrecht erklärte weiter, es sei unverantwortlich, die Bundeswehr gerade in diesen Zeiten ausplündern zu wollen und sich dabei sogar über den militärischen Ratschlag des Generalinspekteurs ignorant hinwegsetzen zu wollen. Zuvor hatte bereits Generalinspekteur Eberhard Zorn - Deutschlands ranghöchster Soldat - erklärt, er sehe keinen Spielraum dafür, der Ukraine die Panzer zu überlassen.

Ukrainische Militärführung hebt Meldevorschrift auf

Nach nur einem Tag hat das ukrainische Militär eine Reisebeschränkung im Inland für Wehrpflichtige wieder aufgehoben. Das teilte der Oberkommandierende Walerij Saluschnyj im Nachrichtendienst Telegram nach massiver Kritik mit. Am Vortag hatte die Anordnung für Wehrpflichtige, sich für das Verlassen des Meldeorts eine Erlaubnis beim Kreiswehrersatzamt einzuholen, eine landesweite Empörungswelle ausgelöst. Präsident Selenskyj hatte sich in der Frage vom Militär distanziert und eine Rücknahme der Anordnung gefordert. Die Ukraine hatte nach dem Beginn des russischen Einmarsches Ende Februar das Kriegsrecht verhängt und eine Mobilmachung beschlossen. Wehrpflichtige Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land nicht mehr verlassen. Dass für sie nun innerhalb des vom Krieg erschütterten Landes Reisen eingeschränkt werden sollten, hatte Protest ausgelöst. Kritiker hatten dadurch etwa auch weitere wirtschaftliche Probleme befürchtet.

Ardern wirft Sicherheitsrat Versagen vor

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hat dem UN-Sicherheitsrat Versagen in seiner Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vorgeworfen. Verantwortlich für die Versäumnisse des Sicherheitsrats im Umgang mit der russischen Ukraine-Invasion sei die Tatsache, dass Russland in dem Gremium ein Vetorecht hat, sagte Ardern bei einer Rede in Sydney.

Russland nutze seine Position im Sicherheitsrat aus, um eine "moralisch bankrotte Position im Gefolge eines moralisch bankrotten und illegalen Krieges" zu vertreten, sagte die neuseeländische Regierungschefin. Neuseeland werde sich für eine Reform des höchsten UN-Gremiums einsetzen, um zu verhindern, dass dessen Werte und Relevanz sinken.

G20 beraten auf Bali über Krieg in der Ukraine

Vor dem Treffen der G20-Außenminister am Donnerstag auf Bali hat der ukrainische Ressortchef Dmytro Kuleba mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock telefoniert. "Wir werden Russland die Bühne des Treffens in Indonesien nicht überlassen, und wir werden die Ukraine weiter entschieden unterstützen", teilte das Auswärtige Amt per Twitter mit.

In Indonesien treffen sich die Außenminister der G20 - unter ihnen Sergej Lawrow - am Donnerstag. Den G20 gehören neben der EU 19 Industrie- und Schwellenländer an, darunter China, Indien, Brasilien und die Türkei. Die G20-Staaten stehen für gut 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Aus US-Regierungskreisen hieß es, angesichts des russischen Vorgehens in der Ukraine könne nicht von einem Business-as-usual ausgegangen werden. Das Treffen der Minister gilt als wegweisend für den Gipfel der Staats- und Regierungschefs im November, zu dem Russlands Präsident Wladimir Putin bereits seine Teilnahme angekündigt hat.

Indonesien | G20 Treffen Bali
Am G20-Treffen nimmt auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow teilBild: Dita Alangkara/AP Photo/picture alliance

 

Putin richtet neue Warnungen an den Westen

Der russische Präsident warnte den Westen vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges vor einer militärischen Konfrontation. "Heute hören wir, dass sie uns auf dem Schlachtfeld schlagen wollen. Was soll man dazu sagen? Sollen sie es nur versuchen", sagte er in Moskau.

Jeder müsse wissen, dass Russland in der Ukraine noch gar nicht richtig angefangen habe. Moskau lehne Friedensverhandlungen keinesfalls ab. "Aber jene, die sich weigern, sollen wissen, dass je weiter sie gehen, desto schwieriger ist es für sie, sich mit uns zu einigen", meinte Putin bei einem Treffen mit den Fraktionschefs der Parteien der Staatsduma. 

Türkei erlaubt russischem Getreidefrachter die Weiterfahrt

Die Türkei hat nach Darstellung des ukrainischen Außenministeriums ein russisches Schiff mit Getreide an Bord aus dem Schwarzmeerhafen Karasu auslaufen lassen. Das Schiff sei mit gestohlenem Getreide aus der Ukraine beladen. Dies sei eine "inakzeptable Situation", erklärt das Ministerium in Kiew. Man habe deshalb den türkischen Botschafter einbestellt. Den türkischen Behörden seien Beweise für die Darstellung der Ukraine vorgelegt worden, schrieb Ministeriumssprecher Oleg Nikolenko auf Twitter.

Frachtschiff Zhibek Zholy in der türkischen Stadt Sakarya
Die "Zhibek Zholy" am Mittwoch vor der türkischen KüsteBild: Ibrahim Yozoglu/AA/picture alliance

Der türkische Zoll hatte dem unter russischer Flagge fahrenden Frachter "Zhibek Zholy" mehrere Tage die Weiterfahrt verweigert. Nach Angaben des Online-Ortungssystems Marinetraffic kam der Frachter von der russischen Küstenstadt Noworossijsk. Die Ukraine beschuldigt Russland schon lange, Getreide und andere Produkte aus den besetzten Gebieten abzutransportieren. Die Regierung in Ankara trägt die Sanktionen des Westens gegen Russland nicht mit. Sie verurteilt zwar den Überfall Russlands auf die Ukraine, versucht aber auch nach Moskau gute Kontakte zu behalten. Karasu liegt im Südwesten des Schwarzen Meers, keine 200 Kilometer östlich der Einfahrt in den Bosporus.

UN für Geld statt Pauschal-Subventionen

Durch die Explosion der Nahrungsmittel- und Energiepreise sind nach Angaben der Vereinten Nationen in nur drei Monaten weltweit 71 Millionen Menschen zusätzlich in Armut gerutscht. Sie müssen mit weniger als knapp vier Euro pro Tag und Person auskommen. Hilfen nach dem Gießkannenprinzip - durch Steuersenkungen oder pauschale Energiesubventionen - seien weniger effektiv als Direktzahlungen an die am stärksten Betroffenen, um Menschen vor Armut zu bewahren. 

Gezielte Geldtransfers seien gerechter und kosteneffizienter als pauschale Subventionen heißt es in einem Bericht des UN-Entwicklungsprogramm (UNDP). Zu pauschalen Subventionen zählt etwa eine vorübergehende Senkung der Energiesteuer zur Verbilligung des Benzins wie in Deutschland. Nach Angaben des UNDP profitieren von Energiesubventionen vor allem die reichsten 20 Prozent einer Bevölkerung. Gezielte finanzielle Unterstützung würde dagegen vor allem den 40 Prozent der Ärmsten zu Gute kommen.

Ursachen der derzeitigen Krise sind nach UNDP-Angaben unter anderem die verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie der russische Krieg gegen die Ukraine und die russische Blockade ukrainischer Häfen, über die kein Getreide exportiert werden kann.

qu/djo/uh/haz (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.