1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Konflikte

Aktuell: Gazprom liefert den Niederlanden kein Gas mehr

30. Mai 2022

Die Liste der Staaten, die der russische Staatskonzern boykottiert, wird länger. Angehörige von Kämpfern des Asow-Regiments fordern die Freilassung der Männer. Ein Überblick.

https://p.dw.com/p/4C17R
Russland | Blick auf den Geschäftsturm Lakhta Centre in St. Petersburg
Der Hauptsitz des russischen Energiekonzerns Gazprom in Sankt Petersburg (Archivbild)Bild: Dmitri Lovetsky/dpa/AP/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Gazprom stellt Gaslieferungen an die Niederlande ein
  • Französischer Journalist in der Ukraine getötet
  • Selenskyj beklagt Zerstörung in Sjewjerodonezk
  • USA wollen Ukraine keine Raketen mit großer Reichweite liefern
  • Getreide aus Cherson wird nach Russland gebracht

 

Der russische Energiekonzern Gazprom stoppt nach Angaben des niederländischen Energieversorgers Gasterra seine Erdgaslieferungen an das Unternehmen. Hintergrund sei die Weigerung von Gasterra, in Rubel zu zahlen. Daraufhin habe Gazprom erklärt, die Niederlande würden mit Wirkung zum 31. Mai 2022 nicht mehr beliefert. Zwei Milliarden Kubikmeter Gas, die man ursprünglich bis Oktober von Gazprom habe beziehen wollen, seien bei anderen Anbietern geordert worden, so Gasterra.

Hintergrund ist eine Anordnung des russischen Staatschefs Wladimir Putin, der nach Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine verkündet hatte, "unfreundliche" Bezieherländer russischen Gases müssten ihre Rechnungen künftig in Rubel zahlen. Vor gut einer Woche hatte Russland bereits Gaslieferungen nach Finnland eingestellt; im April wurden zudem Gaslieferungen an Polen und Bulgarien ausgesetzt. Die Europäische Union warf Moskau "Erpressung" vor.

"Frauen aus Stahl" fordern Freilassung ihrer Männer

Nach der Gefangennahme Hunderter ukrainischer Kämpfer des Asow-Regiments in der Hafenstadt Mariupol haben deren Schwestern, Ehefrauen und Mütter Russland zur Freilassung der Männer aufgefordert. Die Verteidiger von Mariupol hätten heldenhaft und auf Befehl die Stadt gegen russischen Angriffe verteidigt. Sie dürften nicht in Vergessenheit geraten, sagte Natalija Sarizka vor Journalisten in Kiew. Sie ist Mitgründerin der neuen Organisation Frauen aus Stahl. Der Name ist eine Anspielung auf das Asow-Stahlwerk, das die Kämpfer wochenlang verteidigt hatten, ehe sich die letzten von ihnen vor gut einer Woche in Gefangenschaft begaben.

Lage in Sjewjerodonezk "sehr schwierig"

Der Justizminister der selbsternannten Volksrepublik Donezk (DNR), Jurij Sirowatko, erklärte, alle "Kriegsgefangenen" befänden sich auf dem Gebiet der DNR. Darunter seien 2300 Kämpfer aus dem Asow-Stahlwerk. Das Asow-Regiment werde "als terroristische Organisation betrachtet". Für die Taten, die den Kämpfern vorgeworfen würden, "haben wir die schwerste Strafe: die Todesstrafe", so Sirowatko.

Selenskyj beklagt Zerstörung in Sjewjerodonezk

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland die weitgehende Zerstörung der Großstadt Sjewjerodonezk im Donbass vorgeworfen. Die gesamte Infrastruktur sei vernichtet, sagte Selenskyj. "90 Prozent der Häuser sind beschädigt. Mehr als zwei Drittel des Wohnbestands der Stadt sind komplett zerstört." Ständig werde die Stadt angegriffen. Die russische Armee wolle Sjewjerodonezk unbedingt erobern.

Die Ukraine unternehme alles, um die Offensive einzudämmen. "Es gab keinen einzigen Tag, an dem wir uns nicht bemüht haben, mehr Waffen zu finden, mehr moderne Waffen, um unser Land, unser Volk, zu schützen", sagte der Präsident. Sjewjerodonezk ist seit Monaten Ziel russischer Angriffe. Die Stadt gilt als letzter Punkt, den das ukrainische Militär in der Region Luhansk noch unter Kontrolle hält. Allerdings sind russische Truppen bereits in den südöstlichen und nordöstlichen Teil vorgedrungen. Inzwischen rücken sie nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, auf das Zentrum von Sjewjerodonezk vor.

Französischer Journalist getötet

Ein französischer Journalist ist nach Angaben des ukrainischen Außenministeriums bei einer Evakuierung aus der unmittelbaren Umgebung von Sjewjerodonezk getötet worden. Er sei in einem Fahrzeug gewesen, das Zivilisten aus den Kampfgebieten bringen sollte und das von russischen Geschossen getroffen worden sei.

Ukraine Zerstörung der Großstadt Sjewjerodonezk im Donbass
In Sjewjerodonezk sind nach Angaben der Ukraine zwei Drittel aller Wohnungen zerstört Bild: Alexander Reka/ITAR-TASS/IMAGO

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bestätigte die Todesnachricht. Außenministerin Catherine Colonna machte einen "russischen Bombenangriff auf einen humanitären Einsatz" für den Tod des Reporters verantwortlich. Bei dem Angriff auf einen "humanitären Konvoi" und auf einen Journalisten handele es sich um ein "doppeltes Verbrechen".

USA wollen Ukraine keine Raketen mit großer Reichweite liefern

US-Präsident Joe Biden will der Ukraine keine Mehrfachraketenwerfer mit großer Reichweite zukommen lassen. Die Vereinigten Staaten würden "keine Raketensysteme liefern, die in Russland angreifen können", sagte Biden. Damit wendet sich der Präsident gegen die mehrfache Bitte der Regierung in Kiew, diese Waffensysteme zu erhalten.

Außenminister Dmytro Kuleba hatte am Donnerstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos erklärt, sein Land brauche "dringend" Raketenwerfer-Systeme, um sich gegen die russischen Streitkräfte wehren zu können. Die USA unterstützen die Ukraine mit umfangreichen Waffenlieferungen. Zugleich erklärte die Regierung in Washington wiederholt, man wolle keinesfalls direkt in den Konflikt eingreifen und Kriegspartei werden. 

Geheimdienstchef muss gehen

Präsident Selenskyj hat den Geheimdienstchef der ostukrainischen Stadt Charkiw entlassen. Er habe festgestellt, dass dieser sich von Beginn des russischen Angriffskriegs an nicht um die Verteidigung der Stadt gekümmert habe, "sondern nur an sich selbst dachte", sagte Selenskyj. Welche Motive dahinter standen, würden nun die Strafverfolgungsbehörden untersuchen.

Der Präsident hatte am Sonntag erstmals seit der russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar den Osten des Landes besucht. Sein Büro veröffentlichte im Messengerdienst Telegram ein Video, das Selenskyj mit einer kugelsicheren Weste bei der Besichtigung von zerstörten Gebäuden in Charkiw und Umgebung zeigte. Bei seinem Besuch traf er zudem den Gouverneur der Region Charkiw sowie den Bürgermeister der zweitgrößten Stadt des Landes.

Großangriff auf Slowjansk?

Die russischen Streitkräfte bereiten nach ukrainischen Angaben einen groß angelegten Angriff auf den Raum Slowjansk, das Zentrum der ukrainischen Verteidigungskräfte im Donbass, vor. Die russischen Truppen verlegten neue Einheiten in das Gebiet, um Slowjansk sowohl von Isjum als auch von der kürzlich eroberten Kleinstadt Lyman aus anzugreifen, heißt es im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs. Der Raum Slowjansk - Kramatorsk ist der größte Ballungsraum im Donbass, der noch unter Kontrolle Kiews steht. Hier ist auch das Oberkommando der Streitkräfte im Osten des Landes stationiert.

Lawrow: Donbass muss eingenommen werden

Der russische Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete die Einnahme des ostukrainischen Donbass als "bedingungslose Priorität". Es gehe darum, die ukrainische Armee und Bataillone aus den von Moskau als unabhängige Staaten anerkannten Gebieten Donezk und Luhansk zu drängen, sagte Lawrow dem französischen Sender TF1. 

Russland I  Sergej Lawrow
Sergej Lawrow ist seit 2004 Russlands Außenminister Bild: Mikhail Tereshchenko/ITAR-TASS/IMAGO

In anderen Gebieten der Ukraine, in denen Russland eine "militärische Operation" durchführe, müssten die Bewohner selbst über ihre Zukunft entscheiden, sagte Lawrow. Hingegen rechnet die Regierung in Kiew damit, dass es etwa in der ukrainischen Region Cherson ein gelenktes Referendum geben könnte über die Ausrufung einer "Volksrepublik" nach dem Vorbild der prorussischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk.

Wie steht es um Putins Gesundheit?

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zu Beginn des Angriffskriegs am 24. Februar gesagt, dass Moskau die ukrainischen Gebiete nicht besetzen wolle, sondern prüfen werde, wie die Menschen reagieren. Lawrow sprach in dem Interview erneut von einer angeblichen "Befreiung" des Donbass vom "Kiewer Regime".

Er äußerte sich auch auf eine Frage zur Gesundheit von Putin. Der Präsident erscheine täglich in der Öffentlichkeit, sagte der Außenminister. "Sie können ihn auf den Bildschirmen beobachten, von seinen Auftritten lesen und hören. Ich glaube nicht, dass vernünftige Leute an diesem Menschen Anzeichen einer Krankheit oder eines Unwohlseins sehen können."

Ukrainisches Getreide wird nach Russland gebracht

In der von Russland kontrollierten Region Cherson im Süden des Landes ist mit der Ausfuhr von ukrainischem Getreide nach Russland begonnen worden. Ein Teil des im vergangenen Jahr geernteten Getreides werde aus den Speichern entnommen, sagt der Vize-Chef der Militär- und Zivilverwaltung, Kirill Stremoussow, laut der Nachrichtenagentur Tass. Grundlage seien Vereinbarungen mit Käufern auf russischer Seite. Die Verwaltung arbeite zudem darauf hin, örtliche und russische Produktionsanlagen mit Sonnenblumenkernen zu beliefern. Die ukrainische Regierung hat Russland bereits mehrfach vorgeworfen, in den besetzten Gebieten Getreide zu stehlen. 

Spendenmarathon am Brandenburger Tor

Mit einer Show vor dem Brandenburger Tor in Berlin haben Musikstars aus der Ukraine an den seit fast 100 Tagen tobenden Krieg in ihrer Heimat erinnert und um Spenden für Krankenhäuser geworben. Rund 15.000 Zuschauer verfolgten am Sonntagabend den Spendenmarathon vor Ort, schätzten Veranstalter und Polizei.

Ukrainische Fernsehsender übertrugen die Wohltätigkeitsveranstaltung zudem live, auch Sender anderer Staaten übernahmen sie. Während der Show wurden Videobotschaften zahlreicher internationaler Prominenter sowie Politiker eingeblendet, unter ihnen Bundeskanzler Olaf Scholz. Der SPD-Politiker versicherte die Menschen in der Ukraine der Solidarität Deutschlands.

Scholz setzt auf Zuversicht

"Wir stehen an Eurer Seite", sagte er in englischer Sprache. "Wir sind im Herzen und in Gedanken bei Euch - heute genauso wie an jedem Tag, seit Russland Euer Land angegriffen hat." Gemeinsam mit Freunden und Partnern leiste Deutschland finanzielle Unterstützung, um sicherzustellen, dass die ukrainische Wirtschaft nicht zusammenbreche, so Scholz.

«Save Ukraine - #StopWar» am Brandenburger Tor
Bundeskanzler Scholz wandte sich per Video an die Menschen vor dem Brandenburger TorBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Deutschland schicke Waffen, zudem hätten fast 800.000 Ukrainerinnen und Ukrainer hier Zuflucht gefunden. Außerdem werde an Plänen für den Wiederaufbau nach dem Krieg geschmiedet. "Denn dieser Krieg wird enden", sagte Scholz. "Wir stehen geeint - für die Ukraine, für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Würde. Als europäische Schwestern und Brüder."

Bundesregierung will Aufnahme gefährdeter russischer Bürger erleichtern

Die Bundesregierung hat sich auf Regelungen für die unkomplizierte Aufnahme von Russinnen und Russen geeinigt, die in ihrem Heimatland als besonders gefährdet gelten. "Die immer brutalere Aggression Russlands gegen die Ukraine wird von immer stärkerer Repression nach innen begleitet, insbesondere gegen die Presse, gegen Menschenrechtler und Oppositionelle", sagte  Bundesinnenministerin Nancy Faeser. 

"Wir bieten Russinnen und Russen, die verfolgt und bedroht werden, in Deutschland Schutz", erklärte die SPD-Politikerin weiter. Man werde insbesondere russischen Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit geben, von Deutschland aus frei und unabhängig zu berichten.

EU berät über neues Sanktionspaket gegen Russland

Über weitere Finanzhilfen für die Ukraine wird auf dem EU-Sondergipfel an diesem Montag und Dienstag in Brüssel beraten. Offen ist, ob die Staats- und Regierungschefs sich auf das sechste Sanktionspaket gegen Russland einigen können. Dieses sollte auch ein Ölembargo gegen Russland enthalten, das Ungarn aber nicht mittragen will. Der ukrainische Präsident Selenskyj will zu Beginn des Gipfels per Video über die Lage in der Ukraine berichten.

haz/fw/se/jj/rb (dpa, rtr, afp, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.