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Politik

Aktuell: Ukraine-Friedensgespräche liegen auf Eis

17. Mai 2022

Moskau und Kiew reden offiziell nicht mehr miteinander. Die Ukraine pocht auf eine vollständige Befreiung aller besetzten Territorien. Finnlands Parlament billigt den Antrag auf eine NATO-Mitgliedschaft. Ein Überblick.

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Türkei Russisch-ukrainische Gespräche in Istanbul
Leere Stühle: Vor den Verhandlungen der ukrainischen und der russischen Delegation in Istanbul im MärzBild: Sergei Karpukhin/TASS/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Friedensgespräche zwischen Moskau und Kiew ausgesetzt
  • Finnlands Parlament billigt Antrag auf NATO-Mitgliedschaft
  • Schwere Gefechte um Großstadt Sjewjerodonezk
  • Hunderte Soldaten verlassen Asow-Stahlwerk in Mariupol
  • Weltstrafgericht schickt Ermittlerteam in die Ukraine

 

Die Ukraine und Russland haben die Verhandlungen zur Beendigung des Krieges vorerst ausgesetzt. "Der Verhandlungsprozess hängt davon ab, wie die Ereignisse in der Ukraine verlaufen", sagte Kiews Unterhändler Mychajlo Podoljak im Fernsehen. Seit Kriegsbeginn habe sich die Lage spürbar verändert. Podoljak warf Russland vor, weiter in Stereotypen zu denken und nach 82 Kriegstagen die reale Situation in der Ukraine nicht begriffen zu haben. "Sie leben bis heute in einer Welt, in der es angeblich einen ukrainischen Nazismus gibt", erklärte Podoljak. Dabei gebe es nur einen "russischen Nazismus".

Die Gespräche würden nur bei konkreten Vorschlägen wieder aufgenommen. Eine gesichtswahrende Lösung für Kremlchef Wladimir Putin lehne Kiew ab, so Podoljak. Zudem könne man über einen Waffenstillstand nur nach einem vollständigen Rückzug russischer Truppen diskutieren. Zuvor hatte bereits Russland das vorläufige Ende von Gesprächen bestätigt. Die Ukraine sei "praktisch aus dem Verhandlungsprozess ausgetreten", sagte der russische Vize-Außenminister Andrej Rudenko vor Journalisten in Nischni Nowgorod.

Finnlands Parlament für Antrag auf NATO-Mitgliedschaft

Das finnische Parlament hat den Antrag auf eine NATO-Mitgliedschaft mit überwältigender Mehrheit gebilligt. Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin hatten den Schritt bereits am Sonntag angekündigt. Die Zustimmung der Abgeordneten galt als Formsache. Außenminister Pekka Haavisto unterzeichnete derweil den formellen Antrag seines Landes.

Schweden hat seinerseits das am Montag angekündigte Beitrittsgesuch ausgefertigt. Außenministerin Ann Linde teilte auf Twitter mit, der von ihr unterschriebene Antrag werde NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gemeinsam mit dem Gesuch Finnlands übermittelt. Beide Länder stimmen ihr Vorgehen mit Blick auf eine Mitgliedschaft im Nordatlantikpakt eng miteinander ab.

Der schwedische König Carl XVI. Gustaf und der finnische Präsident Sauli Niinistö bei ihrem Treffen in Stockholm
Schwedens König Carl XVI. Gustaf (rechts) und der finnische Präsident Sauli Niinistö bei ihrem Treffen in StockholmBild: Anders Wiklund/TT/REUTERS

Schwedens König Carl XVI. Gustaf nannte die Absicht seines Landes und Finnlands, gleichzeitig der NATO beizutreten, "eine historische Weichenstellung". Man handele "Seite an Seite mit unserem Bruderland", sagte der Monarch bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö in Stockholm. Niinistö fügte hinzu, die sicherheitspolitische Linie beider Länder sei seit langem ähnlich.

Asselborn: "Basar-Mentalität" der Türkei

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen dessen Haltung zu möglichen NATO-Beitritten Finnlands und Schwedens eine „Basar-Mentalität“ vor. Es gehe dem türkischen Präsidenten nicht wirklich um die von ihm vorgebrachten Einwände wegen der angeblichen Unterstützung terroristischer Gruppen wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK durch die beiden Länder, sagte Asselborn im ZDF. Erdogan wolle vielmehr erreichen, dass ein Kauf von US-Kampfjets nun doch noch zustande komme, der nach der Anschaffung eines russischen Luftabwehrsystems durch die Türkei von der Regierung in Washington gestoppt worden war. Deshalb stelle er sich bei den geplanten NATO-Beitritten quer.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beim NATO-Gipfel Mitte Juni 2021 in Brüssel
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beim NATO-Gipfel Mitte Juni 2021 in BrüsselBild: Yves Herman/REUTERS

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht rechnet nicht mit einer dauerhaften Blockade durch die Türkei. „Am Ende ist es eine Bereicherung für die NATO, wenn zwei so starke EU-Staaten wie Finnland und Schweden der NATO beitreten“, sagte die SPD-Politikerin am Rande eines Treffens der EU-Verteidigungsminister in Brüssel. „Und ich bin fest davon überzeugt, dass auch die Türkei sich davon überzeugen lässt.“ Zugleich sprach sich Lambrecht dafür aus, die Bedenken und Argumente der Türkei ernst zu nehmen.

Grundsätzlichen sehen Lambrecht und auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Europa eine breite Zustimmung für den geplanten NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands. Beide Länder erhielten für ihren Beitrittswunsch "starke Unterstützung von allen Mitgliedstaaten" der Europäischen Union, betonte Borrell.

Lawrow: NATO-Beitritte Finnlands und Schwedens machen keinen Unterschied

Der russische Außenminister Sergej Lawrow relativierte die angestrebte NATO-Mitgliedschaft der nordeuropäischen Länder. Sie hätten, wie auch andere neutrale Staaten, bereits seit Jahren an NATO-Manövern teilgenommen, sagte Lawrow. "Die NATO kalkuliert ihr Territorium bei der Planung militärischer Vorstöße nach Osten mit ein. In diesem Sinne gibt es also wahrscheinlich keinen großen Unterschied." Man werde sehen, wie das Territorium beider Länder in der Praxis im Nordatlantikbündnis genutzt werde. 

Dmitri Peskow
"Es sind Feindstaaten": Kremlsprecher Dmitri Peskow (Archivbild)Bild: Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa/picture alliance

Zugleich warf der Kreml dem Westen einmal mehr vor, gegen Russland einen Krieg zu führen. "Es sind Feindstaaten. Weil das, was sie tun, Krieg ist",  betonte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Präsident Putin hatte zuvor schon mit Blick auf die westlichen Sanktionen von einem wirtschaftlichen "Blitzkrieg" gesprochen. Der eigene Angriffskrieg auf die Ukraine wird von der russischen Führung nur "militärische Spezialoperation" genannt.

Selenskyj: "Produktives Gespräch" mit Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz hat erneut mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über den Krieg in der Ukraine beraten. In einem Telefonat hätten sich beide "über die aktuelle militärische und humanitäre Lage in der Ukraine" ausgetauscht, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. "Sie waren sich einig, dass eine diplomatische Verhandlungslösung zwischen der Ukraine und Russland ein umgehendes Ende der Kampfhandlungen seitens Russland und einen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine erfordere."

Bildkombo | Wolodymyr Selenskyj und Olaf Scholz
Bundeskanzler Scholz (rechts) beriet mit dem ukrainischen Selenskyj telefonisch über die Lage (Archivbilder)Bild: Jens Krick/Flashpic/abaca/picture alliance

Scholz und Selenskyj erörterten außerdem "Möglichkeiten der weiteren Unterstützung der Ukraine", wie Hebestreit weiter mitteilte. Selenskyj schrieb auf Twitter, er habe ein "produktives Gespräch" mit Scholz geführt. Dabei sei auch über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland gesprochen worden. Die Ukraine wisse die deutsche Hilfe zu schätzen, "einschließlich der defensiven Unterstützung", erklärte Selenskyj. Kiew hoffe auf weitere Unterstützung auf dem Weg der Ukraine zur "Vollmitgliedschaft in der EU".

Medienbericht: Deutschland hat weitere Waffen geliefert

Deutschland hat der Ukraine einem Medienbericht zufolge weitere Waffen geliefert. In den vergangenen beiden Wochen seien 2450 Panzerabwehrhandwaffen vom Typ RGW 90, in der Bundeswehr "Matador" genannt, 1600 DM22-Panzerabwehrrichtminen sowie 3000 DM31-Panzerabwehrminen in der Ukraine eingetroffen, berichtet das Magazin „Der Spiegel". Die Waffen seien bereits innerhalb der ukrainischen Armee verteilt worden.

Panzerabwehrwaffe MATADOR RGW 90
Fast 2500 Panzerabwehrwaffen vom Typ Matador soll Deutschland an die Ukraine geliefert haben (Symbolbild)Bild: Andrew Chittock/StockTrek Images/IMAGO

Ukrainische Regierungskreise hätten die Lieferungen bestätigt, heißt es in dem Bericht weiter. Laut "Spiegel" hatte die Ukraine die "Matador"-Panzerabwehrwaffen direkt beim deutschen Hersteller bestellt und bezahlt. Die Minen hingegen stammten "offenbar" aus Beständen der Bundeswehr. Von der Bundesregierung gab es zunächst keine Stellungnahme zu dem Bericht.

Die Lieferung der versprochenen sieben Panzerhaubitzen 2000 an die Ukraine ist indes noch immer nicht erfolgt - obwohl bereits ukrainische Soldaten in Deutschland an dem modernen Waffensystem ausgebildet werden. Auch die angekündigte Verlegung von „Gepard“-Flugabwehrpanzern in die Ukraine ist noch nicht vollzogen. Grund für die Verzögerung soll die schwere Beschaffung der weltweit kaum noch verfügbaren Munition sein.

Wissing: DB hilft bei Getreideausfuhren aus der Ukraine

Zur Unterstützung von Getreideausfuhren aus der Ukraine haben nach Angaben von Bundesverkehrsminister Volker Wissing Transporte auf der Schiene mit Hilfe der Deutschen Bahn begonnen. Die Gütertochter DB Cargo werde künftig große Mengen an Agrarprodukten zu Häfen an der Nordsee und der Adria transportieren. DB Cargo fahre bereits im Auftrag privater Getreideexporteure in der Ukraine, so Wissing.

Bahnchef Richard Lutz sprach von zwei bis drei Zügen pro Tag aus der Ukraine heraus über Polen und entsprechende Terminals nach Westeuropa. Hintergrund ist, dass der Export von Getreide über die Seehäfen der Ukraine wegen des russischen Krieges gegen das Land zum Erliegen gekommen ist. Dies bedroht Lieferungen vor allem nach Nordafrika und Asien. Befürchtet werden Probleme bei der Lebensmittelversorgung.

Verfassungsschutz warnt Wirtschaft vor russischen Spionage-Versuchen

Der deutsche Inlandsgeheimdienst sieht wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen ein erhöhtes Risiko für Wirtschaftsspionage. Die russische Wirtschaft werde von Know-how und Technologien abgeschnitten, schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem „Sicherheitshinweis für die Wirtschaft“. Somit bestehe die Gefahr, „dass es vermehrt zu Anbahnungsversuchen insbesondere von Beschäftigten in für Russland relevanten Wirtschafts- und Forschungszweigen auch in Deutschland kommt“, heißt es in dem Papier. Denkbar sei auch, dass Akteure aufseiten beider Kriegsparteien Datenbanken auswerteten, die Auskunft über das Russlandgeschäft von Unternehmen geben, um daraus Ziele zum Beispiel für Desinformations- oder Sabotageaktivitäten abzuleiten.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine werde von Cyberangriffen und Versuchen der Einflussnahme begleitet, so das Bundesamt. Die Cybercrime-Gruppierungen „KILLNET“ und „REvil“ griffen westliche Ziele an. Unternehmen und Beschäftigten rät der Verfassungsschutz zum sorgsamen Umgang mit Passwörtern und Unternehmensinformationen sowie Obacht bei verdächtigen E-Mails. Der Verfassungsschutz rief Unternehmen dazu auf, unverzüglich mit ihm Kontakt aufzunehmen, wenn sie den Verdacht hätten, „dass Beschäftigte Ziel von Ausforschungs- oder Anbahnungsversuchen werden sollen oder bereits geworden sind“.

Schwere Gefechte um Großstadt Sjewjerodonezk

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben russische Truppen vor der Großstadt Sjewjerodonezk im Osten des Landes zurückgeworfen. „Nahe der Ortschaft Syrotyne haben die russischen Eroberer Verluste erlitten und sich zurückgezogen“, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit. Syrotyne liegt vier Kilometer südlich von Sjewjerodonezk. Auch in mehreren anderen Richtungen seien die russischen Truppen erfolglos geblieben.

Ukraine | Zerstörte Fahrzeuge am Fluss Siwerskyj Donez
Zerstörte russische Fahrzeuge und Pontonbrücken in der ostukrainischen Region Luhansk Bild: Verteidigungsministerium der Ukraine/dpa/picture alliance

Auch der Militärgouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, berichtete aus der Umgebung der Großstadt von schweren Gefechten. In den Vororten Girske und Solotoje seien mehrere Häuser durch Artilleriegeschosse zerstört worden. Die Russen hätten sich aber auch dort zurückziehen müssen. „Die Verluste des Feindes sind hoch“, schrieb Hajdaj auf seinem Telegram-Kanal. Er berichtete jedoch auch von mindestens zehn zivilen Opfern. Im benachbarten Donezker Gebiet wurden nach Angaben des örtlichen Militärgouverneurs Pawlo Kyrylenko weitere neun Zivilisten getötet. Sechs Menschen wurden verletzt.

Die Agglomeration Sjewjerodonezk-Lyssytschansk ist die letzte Region im ostukrainischen Gebiet Luhansk, die derzeit noch von ukrainischen Truppen kontrolliert wird. Die prorussischen Rebellen und die russische Armee haben inzwischen rund 90 Prozent des Gebiets erobert. Sie versuchen seit Wochen, die Städte einzukesseln und einzunehmen. Alle Angaben aus dem Kriegsgebiet sind von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.

Hunderte Soldaten verlassen Asow-Stahlwerk

In Mariupol haben ukrainische Kämpfer das seit Wochen von russischen Einheiten belagerte Asow-Stahlwerk verlassen. In mehreren Bussen wurden 264 Soldaten von dem Gelände gebracht. Das bestätigte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Anna Maljar. 53 Schwerverletzte seien zur medizinischen Behandlung nach Nowoasowsk und 211 weitere Soldaten nach Oleniwka gebracht worden.

Ukrainische Kämpfer verlassen Asow-Stahlwerk

Beide Orte liegen in Gebieten unter Kontrolle des russischen Militärs. Es werde einen Austausch geben, damit sie nach Hause zurückkehren könnten, sagte Maljar. Moskau bestätigt das jedoch nicht. Ein "Freikämpfen" des Fabrikgeländes sei nicht möglich gewesen, schrieb Maljar auf Facebook.

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, die aus dem Werk herausgebrachten ukrainischen Soldaten befänden sich in russischer Gefangenschaft. Zugleich nannte es - mit geringen Abweichungen - die von Maljar veröffentlichten Zahlen. 

Ankunft verletzter ukrainischer Soldaten im russisch besetzten Nowoasowsk
Ankunft verletzter ukrainischer Soldaten im russisch besetzten Nowoasowsk Bild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Das Asow-Stahlwerk ist die letzte Bastion der ukrainischen Armee in der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol. In den vergangenen Wochen waren zunächst Hunderte Zivilisten aus dem riesigen Industriekomplex in Sicherheit gebracht worden. Hunderte ukrainische Soldaten, deren Nahrungsmittelvorräte und Waser zur Neige gingen, harrten aber weiterhin in Bunkern und Tunneln aus. Das Stahlwerk war in den vergangenen Wochen zu einem Symbol des ukrainischen Widerstandes gegen die russischen Besatzer geworden.

Erneut Raketenangriff bei Lwiw

Das Gebiet um die Großstadt Lwiw in der Westukraine ist erneut Ziel eines Luftangriffs geworden. Die Attacke habe einer Militäreinrichtung im Bezirk Jaworiw an der Grenze zu Polen gegolten, schrieb der lokale Militärchef Maxim Kosizkij auf Telegram. Bürgermeister Andrij Sadowij betonte, es gebe keine Informationen über Raketeneinschläge in der Stadt. Mitte März hatte ein russischer Flugkörper den Truppenübungsplatz in Jaworiw getroffen, dabei wurden nach ukrainischen Angaben 35 Menschen getötet. In Jaworiw hatten in den vergangenen Jahren ukrainische Soldaten mit westlichen Ausbildern trainiert.

London: Russland setzt auf "wahllosen Artilleriebeschuss"

Die russischen Streitkräfte setzen in der Ukraine nach britischen Erkenntnissen zunehmend auf "wahllosen Artilleriebeschuss". Russland habe nur begrenzte Möglichkeiten zur Erfassung von Zielen und scheue zudem das Risiko, Kampfflugzeuge über ukrainisch kontrolliertem Gebiet einzusetzen, teilte das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf die Geheimdienste mit. "In den kommenden Wochen wird sich Russland wahrscheinlich weiterhin stark auf massive Artillerieangriffe verlassen, wenn es seine Offensive im Donbass wieder in Schwung zu bringen versucht."

Zerstörtes Hotel in der Stadt Tschernihiw
Zerstörtes Hotel in der Stadt Tschernihiw (Archivbild)Bild: Marko Djurica/REUTERS

Während des erfolglosen russischen Angriffs auf die Hauptstadt Kiew seien im nordukrainischen Gebiet Tschernihiw rund 3500 Gebäude zerstört oder beschädigt worden, teilte das Ministerium weiter mit. Rund 80 Prozent der Zerstörungen beträfen Zivilgebäude. "Das Ausmaß dieser Schäden zeigt die Bereitschaft Russlands, Artillerie gegen Wohngebiete einzusetzen." Dabei werde nur minimal auf Verhältnismäßigkeit gesetzt.

Weltstrafgericht schickt größtes Ermittlerteam

Im Zuge der Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ein Team von 42 Experten in das Land geschickt. Es ist das bisher größte Ermittlerteam, das jemals vom IStGH entsandt wurde, wie Chefankläger Karim Khan mitteilte. Zu dem Team gehörten Untersucher und forensische Experten. Einen Teil der Experten hatten die Niederlande zur Verfügung gestellt.

Die Ermittler sollen Zeugen befragen, Beweismaterial sichern und auswerten sowie nationale Behörden bei der Spuren- und Beweissicherung unterstützen. Außerdem soll das Team mit französischen Kriminaltechnikern zusammenarbeiten, die schon in der Ukraine sind. Die Untersuchungen werden Khan zufolge von insgesamt 21 Staaten mit eigenen Kräften unterstützt. Nach der russischen Invasion hatte der IStGH Ermittlungen zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen eingeleitet. Das Gericht mit Sitz in Den Haag verfolgt Einzeltäter wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Russland erkennt den IStGH nicht an.

Scholz: Mit neuen Grenzziehungen kein Frieden mit Russland

Bundeskanzler Olaf Scholz hat ausgeschlossen, dass ein "Diktatfrieden" mit Russland möglich sei, bei dem die Ukraine unterschreiben solle, dass sie Gebiete abtrete. "Für mich ist ganz klar, dass es für Russland nur einen Ausweg aus dieser Situation gibt, wenn es sich mit der Ukraine verständigt", sagte Scholz in einer Fragerunde des deutschen Fernsehsenders RTL. Die Ukraine werde so lange mit Waffen zur eigenen Verteidigung beliefert, bis Russlands Präsident Putin das eingesehen habe.

"Wir müssen uns Sorgen machen, dass es eine Eskalation des Krieges gibt", sagte der deutsche Kanzler im Sender RTL weiter. Ziel müsse es sein, dass Russland den Krieg in der Ukraine nicht gewinnt. Zugleich warnte Scholz aber, dass man darüber nicht hinausgehen solle. "Das wäre angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Nuklearmacht handelt, eine ganz falsche Zielsetzung", fügte er hinzu.

ww/sti/qu/ack/jj/uh (rtr, dpa, afp, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.