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Tuifly: Krankmeldung als Druckmittel?

Rolf Wenkel mit dpa
7. Oktober 2016

Massenhafte Krankmeldungen beim Ferienflieger Tuifly beschäftigen nun auch Politiker und Juristen. Darf man so etwas als Druckmittel gegen Unternehmen einsetzen? Oder ist das alles nur purer Zufall?

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Symbolbild Krankheit Krankschreiben
Bild: Fotolia/seen

Krankmeldungen als Druckmittel gegen den Arbeitgeber haben kaum Vorbilder - jedenfalls ist kein Fall bekannt, in dem Gewerkschaften nachweislich zu solch einem Verhalten aufgerufen hätten. Im Jahr 2008 titelte der Berliner Tagespiegel einmal: "Keine Lust auf Streik: BVGler lassen sich krank schreiben". Hintergrund: Die Gewerkschaft Verdi hatte die Berliner Nahverkehrsbetriebe 15 Tage lang bestreikt, und, wie immer, gleicht das Streikgeld der Gewerkschaft den Einkommensverlust nicht in voller Höhe aus.

"Glück haben die Mitarbeiter, die krank geschrieben sind", schrieb der Tagesspiegel damals. Und tatsächlich sei die Krankheitsquote bei den Berliner Verkehrsbetrieben seinerzeit drastisch angestiegen. "Von den Busfahrern sind bis zu 16 Prozent krank geschrieben. Nur mit Ach und Krach sei es gelungen, den Dienstplan zu sichern", schrieb der Tagesspiegel damals.

Indes: Vergleichbar mit den Vorkommnissen bei Tuifly ist diese Berliner Episode nicht. Die Gewerkschaft der Flugbegleiter (Ufo) jedenfalls hat jegliche Verantwortung  für massenhafte Krankmeldungen bei Tuifly abgelehnt. "Das ist definitiv kein Mittel zum Arbeitskampf für uns", so wird Ufo-Tarifexperte Nicoley Baublies zitiert.

Aufruf zur Straftat?

Und so muss er auch argumentieren, denn alles andere käme dem Aufruf zu einer Straftat gleich. Denn wer sich bei seinem Arbeitgeber krank meldet, ohne dass ihm etwas fehlt, erschleicht sich dadurch die Lohnfortzahlung - und begeht damit einen Betrug. Kein Wunder also, dass in der langen Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern massenhafte Erkrankungen noch nie vorgekommen sind.

Wohl aber können kleine, schlagkräftige Gewerkschaften, deren Mitglieder in Schlüsselstellungen agieren, ganze Fluggesellschaften lahm legen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat jedenfalls Beschäftigte und Management bei Tuifly aufgerufen, interne Probleme am Verhandlungstisch zu lösen. Der "Bild"-Zeitung sagte er: "Das ist keine akzeptable Situation. Die Airlines müssen ihrer Verantwortung gegenüber den Fluggästen nachkommen. Interne Konflikte müssen am Verhandlungstisch ausgetragen werden und nicht auf den Rücken der Passagiere."

Bei dem Ferienflieger fallen am Freitag alle 108 geplanten Verbindungen aus, weil sich Piloten und Kabinenpersonal massenhaft krank gemeldet haben. Tuifly selbst könnte die massenhaften Krankmeldungen als wilden Streik gegen den geplanten Unternehmensumbau auffassen. Nur beweisen lässt sich das kaum.

"Schlaues Mittel"

Das Unternehmen hat nach Einschätzung des Berliner Arbeitsrechtlers Robert von Steinau-Steinrück kaum Möglichkeiten, die Krankmeldungen der Beschäftigten zu hinterfragen oder ihnen gar einen wilden Streik gegen die geplanten Änderungen in ihrem Unternehmen nachzuweisen.

"Kollektive Krankmeldungen unterhalb von drei Tagen sind ein extrem schlaues Teflon-Mittel, gegen das sich der Arbeitgeber kaum wehren kann", sagte der Jurist der Deutschen Presse-Agentur. Falsche Krankmeldungen erfüllen dem Fachanwalt zufolge den Straftatbestand des Betruges, weil sich der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung erschwindelt.

Angst vor der Entdeckung muss ein Simulant allerdings kaum haben, denn der Arbeitgeber habe kaum Möglichkeiten zu beweisen, dass der Arbeitnehmer nicht krank war. In aller Regel muss dieser nur unverzüglich sein Unternehmen über die Krankheit informieren, ein Attest ist erst nach drei Kalendertagen gesetzlich vorgeschrieben.

Die sichere Seite: das Attest

Der Arbeitgeber kann aber im Einzelfall von Arbeitnehmern verlangen, bei darauffolgenden Krankheitsfällen schon ab dem ersten Tag eine ärztliche Bescheinigung zu bringen, weist der Jurist auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hin. Rückwirkend sei dies aber nicht möglich. Gleichwohl würde er betroffenen Firmen empfehlen, künftig auf sofortige Atteste zu bestehen.

Liegt erst einmal eine ärztliche Bescheinigung der Krankheit vor, ist der Arbeitnehmer endgültig auf der sicheren Seite. "Die Atteste haben schon einen sehr hohen Beweiswert", sagt Steinrück. Wenig Erfolg verspreche die dann noch mögliche Überprüfung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen.

Zum Beweis eines wilden Streiks müsste dem Arbeitgeber schon beispielsweise ein schriftlicher Aufruf der Gewerkschaft zur kollektiven Krankmeldung in die Hände fallen - ein "rauchender Colt", den man vermutlich kaum finden wird. Fände sich ein solcher Aufruf, "könnte man von der Gewerkschaft Schadenersatz fordern und gegen die Teilnehmer Kündigungen oder Abmahnungen aussprechen", sagt Arbeitsrechtler Steinrück.