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Politik

Trump und die Medien: Voll daneben

Sabrina Pabst
10. November 2016

Nicht nur Meinungsforscher, auch viele Medien wurden von Trumps Wahl zum US-Präsidenten völlig überrascht. Haben Journalisten den Kontakt zur Bevölkerung verloren?

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Nach den US-Wahlen sind die Reaktionen der Medien und Zeitungen unterschiedlich. (Foto: Getty Images/AFP/B. Fathers)
Bild: Getty Images/AFP/B. Fathers

Für viele große Leitmedien in Amerika stand bereits vor der Wahl fest: Hillary Clinton wird die erste US-Präsidentin. Donald Trump als Präsident? Das war für etliche Journalisten undenkbar, fiel er doch durch rassistische, sexistische und vulgäre Äußerungen auf. Die New York Times unterstützte Hillary Clintons Wahlkampf und sprach eine Wahlempfehlung aus, ebenso das renommierte Atlantic-Magazine.

Unterschiedliche Vorstellungen von Amerika

Doch es folgte der Schock: Ein großer Teil der US-Bevölkerung entschied sich anders als der Medien-Mainstream - sie wählten Donald Trump zum neuen US-Präsidenten. Offensichtlich haben US-Medien eine andere Vorstellung von Amerika als ein großer Teil der Bevölkerung.

"Der Wahlsieg Donald Trumps hat in einem unglaublichen Maß überrascht, weil wir den Medien entnommen haben, dass das Ergebnis zwar knapp werde, doch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein Wahlsieg Clintons zu erwarten sei", sagt Gerhard Vowe, Kommunikations- und Medienwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Nicht von Demoskopen abschreiben

Die etablierten Medien verließen sich für ihre Prognosen in erster Linie auf Demoskopen, sagt Vowe, die ihrerseits Trumps Einfluss unterschätzt hätten. Umfrageinstitute hätten Probleme mit zuverlässigen Deutungen: durch das Wahlsystem der USA, die Last-Minute-Mobilisierung der Trump-Anhänger sowie Aussagen der politikverdrossenen Bevölkerung, die sich als nicht zuverlässig erwiesen. Das seien Gründe, die zur Fehlertoleranz der Umfrageinstitute beitrügen. Ähnliche Faktoren hätten bereits zu einer Fehleinschätzung beim Brexit-Votum in Großbritannien geführt.

Unwort des Jahres "Lügenpresse" - Pegida in Villingen-Schwenningen 12.01.2015 (Foto: picture-alliance/dpa/M. Eich)
Ein Teil der Gesellschaft fühlt sich in den Medien nicht repräsentiertBild: picture-alliance/dpa/M. Eich

Doch die falschen Prognosen der Medien und das Nicht-ernst-Nehmen Trumps als souveräner Präsidentschaftskandidat allein mit ungenauer Demoskopie zu begründen, sei fatal. "Es gibt einen liberalen Mainstream, in dem sich politische und mediale Klassen in ihren Werten einig sind, die aber nicht die Gesamtheit der Bevölkerung widerspiegeln", erläutert Uwe Krüger im DW-Interview. Der Journalist und Autor der Bücher "Mainstream" und "Meinungsmacht" wurde 2016 mit dem Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik ausgezeichnet.

Journalisten in der Filter-Blase

Das US-Wahlergebnis zeige: Die großen US-Medien haben den Kontakt zu den Menschen ihres Landes verloren, erläutert Medienwissenschaftler Vowe: "Journalisten leben in einer Filter-Blase." Journalisten in Medienzentren seien schon räumlich von einem großen Teil der Bevölkerung abgeschnitten. Sie umgäben sich mit Ihresgleichen: Politikern oder Akademikern, die ein gewisses Maß an Professionalität, Rationalität und ein gemeinsamer Kommunikationsstil verbinde. 

"Seitens der Medien hat man nicht hinreichend wahrgenommen, dass es politische Kommunikation ist, in der sich eine Wahlentscheidung manifestiert. Es ging nicht um Wahrheit und Inhalt, sondern um Wunschvorstellungen.", analysiert Vowe. Die Trennung der Kommunikationswelten sei ein Problem des Journalismus. Medienschaffende hörten nur ihr eigenes Echo und repräsentierten nicht die, die sich missverstanden oder abgehängt fühlen.

Parallelen zwischen Trump und Rechtspopulisten in Europa

Trumps Sieg wird von seinen Anhängern als Triumph eines vermeintlichen Außenseiters über das politische Establishment gefeiert. Ein Szenario, von dem auch Rechtspopulisten in Deutschland und Europa profitieren wollen. Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht Parallelen zwischen dem "Phänomen Trump" und dem rasanten Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD) - zumindest in der emotionalen Rhetorik.

"Die Anti-Haltung - dass man die Argumente von AfD und Co. nicht salonfähig machen, sondern durch Totschweigen und Ignorieren an den Rand drängen will -, das ist noch immer eine sehr verbreitete Haltung", meint Vowe. Zu wenig Informationen aber könnten sich Journalisten und Wissenschaftler mit Blick auf den Brexit, den Trump-Sieg und die vergangenen Wahlerfolge der AfD nicht mehr leisten, meint Vowe. Er erwarte von Journalisten, "dass sie empathisch erklären, was die Gesellschaft bewegt."

Soziale Medien präsentieren nur das eigene Echo

Doch Journalisten haben in Zeiten sozialer Medien kaum Möglichkeiten einzuschätzen, ob sie es mit Randphänomenen oder breiteren Bewegungen zu tun haben. In den Kommentarspalten der Massenmedien gebe es zwar Rückmeldungen der Leser oder User, sagt Medienwissenschaftler Vowe, von denen wisse man aber nicht, ob sie von einem größeren Teil der Bevölkerung geteilt würden.

Die sozialen Medien bildeten einen eigenen Kommunikationskreislauf. Der einzelne Trump-Anhänger entnehme nicht mehr den etablierten Massenmedien, wie die Stimmung ist. Durch Facebook-Filter oder News-Feeds bekommen User Nachrichten, die ihren Interessen und Positionen nahekommen. Sie informierten sich im unmittelbaren Umfeld. Diese Fragmentierung der Kommunikation habe enorme Folgen, betont Vowe: "Wenn man in den Netzwerken nur das eigene Echo hört, fühlt man sich nicht mehr isoliert. Die Anhänger überschätzen sich und gehen mit gestärktem Rücken zur Wahl."

Weg vom Schreibtisch und querdenken

Der Journalist Uwe Krüger fordert Journalisten dazu auf, sich davon zu lösen, das Handeln der Eliten abzubilden. Ein positives Beispiel ist für ihn die Journalistin Dunja Hayali. Hayali, eine deutsche Journalistin mit irakischen Eltern, wird häufig zum Ziel von Hasskommentaren. Trotzdem berichtete sie zum Beispiel von einer Demonstration der rechtspopulistischen AfD in Erfurt und suchte den direkten Kontakt zu Zuschauern und Kritikern.

Krüger fordert Medienschaffende auf, insgesamt mehr Themen zu generieren, die losgelöst sind von Pressekonferenzen und Nachrichtenagenturen, und immer wieder jenseits des politischen Mainstream zu recherchieren.