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Politik

Bundestag debattiert Trisomie-Bluttests

Paula Rösler
11. April 2019

Sollen Krankenkassen den Bluttest zur Erkennung des Down-Syndroms bezahlen - auch wenn dies vermutlich zu mehr Abtreibungen führt? Die schwierige Frage löst im Bundestag eine Debatte über pränatale Diagnostik aus.

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Symbolbild Blutttest Schwangerschaft
Bild: picture-alliance/BSIP

Selten verläuft eine Bundestagsdebatte so sachlich, wie an diesem Vormittag. Selten zeigen sich die Redner so nachdenklich, bekennen sich so deutlich zu ihren Unsicherheiten und Zweifeln. Und selten hört das Plenum neunzig Minuten lang so aufmerksam zu, äußert klatschend Zuspruch über Parteigrenzen hinweg.

Es geht um den umstrittenen Bluttest zur Erkennung von Trisomien, wie etwa dem Down-Syndrom, in der Schwangerschaft - und um die ethisch schwierige Frage, ob dieser Test in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden soll.

"Selten war ich in einer Frage so zerrissen, wie bei der Entscheidung über Bluttests", sagt René Röspel, Abgeordneter der sozialdemokratischen SPD. Einerseits werde man den Frauen, die sich für einen Test entscheiden, eine invasive Fruchtwasseruntersuchung ersparen können. Andererseits treibe ihn die Sorge um, dass mehr Föten mit Trisomie 21 abgetrieben werden, sollte der Bluttest zur Kassenleistung werden. 

Gentest gegen Fruchtwasseranalyse

Bisher müssen Frauen den Bluttest, der 2012 in Deutschland eingeführt wurde, meist selbst bezahlen. Anhand von DNA-Spuren des Embryos lässt sich damit ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 ist.

Der Schwangeren wird dafür ab der vollendeten neunten Schwangerschaftswoche Blut abgenommen. Das Verfahren birgt kaum Risiken und gilt im Vergleich zur Fruchtwasseranalyse, die von der Krankenkasse übernommen wird, als sicher. Letztere kann zu Komplikationen bis hin zur Fehlgeburt führen.

Um zu vermeiden, dass der sichere Bluttest nur denjenigen Frauen zugänglich ist, die ihn sich leisten können, plädiert die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten an diesem Vormittag dafür, ihn für sogenannte Risikoschwangerschaften zur Kassenleistung zu machen.

"Wie kann es sein", fragt Christine Aschenberg-Dugnus, Abgeordnete der liberalen FDP, "dass die Krankenkasse einen gefährlichen Eingriff bezahlt und den risikofreien Bluttest nicht?" Die finanzielle Situation dürfe bei einer solchen Frage nicht entscheidend sein.

Deutschland Bundestag - Debatte über ethische Fragen bei vorgeburtlichen genetische Bluttests
Der Bundestag debattiert darüber, ob Krankenkassen den Bluttest zur Erkennung des Down-Syndroms bezahlen sollenBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Kritiker warnen vor Selektion

Die Abgeordneten betonen aber auch, dass es allein mit der Entscheidung über die Finanzierung des Bluttests nicht getan ist und fordern eine breite gesellschaftliche Debatte über pränatale Diagnostik. "Hier wird ein Mensch auf seine genetische Veranlagung reduziert, bewertet und gegebenenfalls verworfen", sagt Stephan Pilsinger, Abgeordneter der konservativen CSU. Es drohe die Gefahr, dass nach und nach alle möglichen genetischen Veranlagungen geprüft würden mit dem Ergebnis von sogenannten Designer-Babys.

Auch Corinna Rüffer der Partei Bündnis 90/ Die Grünen gibt zu bedenken, dass es sich bei der Debatte nicht allein um eine soziale Frage handele. Das Gesundheitssystem sei dafür da, Menschen zu heilen. Das Down-Syndrom sei aber keine Krankheit, der Bluttest könne also nicht dazu dienen, zu heilen. "Wozu dient der Test dann?", fragt sie und fügt die Antwort gleich hinzu: "Machen wir uns nichts vor, er dient in der Regel der Selektion." Die allermeisten Föten mit Verdacht auf Trisomie 21 würden abgetrieben. 

PK zum Bluttests auf Down-Syndrom
Grüne Abgeordnete Rüffer: Die allermeisten Föten mit Verdacht auf Trisomie 21 werden abgetriebenBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Aufklärung über Trisomie 21

Die Debatte werfe viele Fragen auf, die nicht einfach mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten seien, sagt Cornelia Möhring, Abgeordnete der Partei "Die Linke". Zwei Grundsätze seien ihr wichtig: "Menschliches Leben darf keine unterschiedliche Wertigkeit haben", so Möhring. Und: "Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper gilt zu jeder Zeit und ohne Einschränkung." Frauen dürften aus keinem Grund gezwungen werden, eine Schwangerschaft fortzusetzen, wenn sie das nicht wollen.

Die Verzweiflung der werdenden Eltern, die ein Kind mit Trisomie 21 erwarten, basiere aber oft auf Verunsicherung, Unwissenheit und Vorurteilen, sagt Emmi Zeulner, Abgeordnete der CSU. "Die Diagnose Trisomie 21 ist kein vorgezeichneter Weg des Leidens", so Zeulner. "Es gibt wunderbare, glückliche Momente, die mit der Familie gelebt werden können." Es brauche eine bessere Aufklärung, denn nur aufgeklärte Menschen könnten auch eine bewusste Entscheidung treffen.

Für den Vorsitzenden des deutschen Ethikrats ist vor allem eins wichtig: Respekt vor der Entscheidung der Eltern, egal, wie sie ausfällt. "Wahrscheinlich wird es auch weiterhin eine hohe Bereitschaft geben, ein Kind mit Trisomie 21 nicht anzunehmen", sagt Peter Dabrock. Aber als Nicht-Betroffener dürfe man nicht den moralischen Stab über die Entscheidung dieser Menschen brechen.

Bluttest-Debatte: Rudolf Henke