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Tour 2021: Ende der Geisterrennen

Tom Mustroph
23. Juni 2021

"Zurück zur Normalität" lautet das Motto der Tour de France 2021. Die Zuschauer dürfen wieder an die Strecke, die Maskenpflicht ist abgeschafft. Und Ex-Weltmeister Peter Sagan freut sich sogar über ganz besondere Nähe.

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Radsport Tour de France
Bild: Roth/Augenklick/picture alliance

Brest ist bereit für den Grand Depart der Tour de France. Seit Monaten schon zählt auf der Place de la Liberté unmittelbar vor dem Rathaus eine große Uhr die Tage, Stunden und Minuten bis zum Start der ersten Etappe herunter. Die Gastwirte und Hoteliers schöpfen nach Monaten des Stillstands Hoffnung. "Die Hotels in unmittelbarer Nähe des Grand Departs waren schon früh mit den Teams und den Organisatoren ausgebucht. Aber wir haben auch noch weitere Kapazitäten für Besucherinnen und Besucher", sagt Olivier Henne, Sprecher des Tourismus-Büros der Stadt, der DW.

Schätzungen, wie viele Menschen kommen werden, stellt man in der bretonischen Hafenstadt aber nicht an. "Wir haben auch keine exakten Zahlen über die Zuschauer beim letzten Grand Depart in Brest im Jahr 2008. Aber wir wissen aus Erfahrung, dass die Tour viele Besucher angezogen hat, die zum ersten Mal in der Region waren. Viele von ihnen hatten vorher kein genaues Bild, was sie erwarten würde. Etwa drei Viertel gaben aber an, gern wiederkommen zu wollen. Es gibt also die langfristigen Effekte", betont Henne.

3,6 Millionen Euro für den Grand Depart

420.000 Euro lässt sich Brest die Ausrichtung des Tour-Starts kosten, weitere 420.000 Euro gibt die Metropolregion dazu, insgesamt 3,6 Millionen Euro überweisen Kommunen und Region für die vier Etappen in der Bretagne an Tourausrichter ASO. Das ist business as usual. Und unter diesem Zeichen steht auch die komplette Tour de France in diesem Jahr. Sie kann wieder zum gewohnten Zeitpunkt im Sommer stattfinden - und nicht wie 2020 erst im Herbst.

Radsport Tour de France
Brest war auch 2018 Etappenort der Tour de France - damals startete hier die 6. EtappeBild: Nicolas Créach/MAXPPP/dpa/picture alliance

Für ein Mehr an Normalität sorgen auch die rückläufigen Infektionszahlen. Landesweit lagen die Inzidenzwerte in der letzten Woche bei 32 Infektionen pro 100.000 Einwohner, in der Bretagne bei 28. "Die Situation entwickelt sich erfreulich, alle Ampeln stehen dank unserer Maßnahmen, aber auch dank des Verantwortungsbewusstseins der Bretonen, auf grün", sagte Stéphane Mulliez, der Generaldirektor der regionalen Gesundheitsbehörde ARS, am 18. Juni auf einer Pressekonferenz.

Zum Vergleich: Im April lag der Wert in der Bretagne mit 337 Infektionen noch zehn Mal so hoch. Auch der Vergleich zur Tour de France 2020 macht Hoffnung: 58,9 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner wurden zum Beginn der letztjährigen Tour Ende August im ganzen Land gezählt, bei 112,8 lag diese Marke bei Tour-Ende. Ein weiterer Erleichterungsaspekt: Die Bretonen haben früh mit der Impfkampagne begonnen, sie sind so etwas wie französischer Landesmeister im Impfen. "51 Prozent aller Bretonen sind bislang mit mindestens einer Impfdose geimpft", bilanziert Gesundheitschef Mulliez.

Sorgen bereitet allerdings die hoch ansteckende Delta-Variante des Virus. Sie wurde bei mindestens einer Person in der Region detektiert. Die Gesundheitsbehörden gehen von weiteren Verdachtsfällen aus.

Ende der Maskenpflicht

Dicht gemacht wird deshalb aber nicht. Im Gegenteil, es wird gelockert. Seit vergangener Woche gilt die Maskenpflicht auf Straßen, Plätzen und an den Stränden nicht mehr. Bars und Restaurants haben geöffnet, im Inneren darf die Hälfte der Plätze besetzt werden, die Außenräume dürfen zu 100 Prozent genutzt werden. Einzige Beschränkung: "Pro Tisch dürfen nicht mehr als sechs Personen zusammensitzen", teilt Tourismus-Sprecher Henne mit.

Radsport Tour de France
Veranstalter und Fahrer freuen sich auf Zuschauer an der Strecke Bild: Stephane Mahe/Reuters/AP/picture alliance

Auch die Zuschauergrenzen bei Sportveranstaltungen sind angehoben worden. Bis zu 5.000 Personen dürfen in die Stadien. Tour-Ausrichter ASO will dieses Maximum bei der Vorstellung der Mannschaften aber nicht ausnutzen. "Wir planen mit 1.000 Zuschauern zur Teampräsentation", sagte ein Sprecher der ASO der DW. Die Organisatoren richten an die Fans auch den Appell, prinzipiell Abstände zu halten und Zusammenballungen zu vermeiden.

"Die Zuschauer mögen kommen, sie sollen sich aber möglichst auf die gesamte Etappenstrecke verteilen und sich nicht nur an Start und Ziel konzentrieren", meinte etwa Brests Unterpräfekt Ivan Bouchier. Wie dies zu kontrollieren oder gar zu lenken ist, bleibt aber ungewiss. "Wir werden sicher nicht hinter jeden Zuschauer einen Gendarmen stellen", sagte Bouchier gegenüber französischen Medien. Geplant ist immerhin, dass auf den Bergetappen der Zugang zu den Gipfeln für die Fans nur zu Fuß möglich sein soll.

Sagan: "Das Publikum spornt uns an"

Die Fahrer freuen sich über die Rückkehr der Fans. "Ich bin richtig glücklich, dass nach dem schweren Jahr 2020 in dieser Saison wieder mehr Fans an der Strecke stehen. Das haben wir bereits beim Giro d'Italia erlebt. Und es wird an solch ikonischen Anstiegen wie dem Mont Ventoux auch jetzt bei der Tour der Fall sein", sagte Peter Sagan, dreifacher Weltmeister und siebenmaliger Gewinner des grünen Punktetrikots bei der Tour, der DW.

Tour de France 2018 | 5. Etappe | Peter Sagan, Slowakei
Peter Sagan liebt die Interaktion mit den Fans an der StreckeBild: Reuters/S. Mahe

"Wir Profis fahren doch für das Publikum, und ihr Zuspruch spornt uns an. Mal sehen, ob ich wieder eine Gelegenheit finde wie 2019 beim Anstieg zum Tourmalet, als ich während des Rennens ein Exemplar meines Buches signiert habe, das mir ein Fan entgegenhielt", meinte der Slowake. Mehr Rückkehr zur Normalität ist wohl kaum denkbar.

Wirtschaftliche Turbulenzen

Auch die Rennstallmanager sind glücklich: "Die letzte Saison war hart. Zum Glück konnten wir viele Rennen doch noch fahren. Aber die ausgebliebenen Startgelder und die erhöhten Aufwendungen für die Hygienemaßnahmen haben bei uns Extrakosten von etwa einer Million Euro verursacht", erklärte Ralph Denk, Teamchef von Bora hansgrohe und Arbeitgeber Sagans. Die Ausfälle haben die Teams durch Absagen von Trainingslagern und auch Anpassungen im Gehaltsgefüge zu kompensieren versucht.

"Man sieht ganz deutlich eine Tendenz, dass die Fahrer, die Rennen gewinnen können, weiterhin sehr begehrt sind und gut verdienen. Die guten Helfer müssen allerdings Abstriche in Kauf nehmen", erzählte Denk der DW. Für viele Profis geht es bei der Tour also auch darum, sich so in Szene zu setzen, dass sich die Rückkehr zur Normalität auch wieder auf ihrem Konto widerspiegelt.