"The Game": Der gefährliche Weg der Flüchtlinge aus Bosnien in die EU
Mit dem Frühjahr nimmt die Migration auf der Balkanroute wieder zu - und damit auch das Elend, die Gewalt und die illegalen Pushbacks an der kroatischen EU-Außengrenze.
In Bosnien gestrandet
Noch immer warten Hunderte Flüchtlinge in Ruinen und Zelten rund um die westbosnische Stadt Bihac auf ihre Chance, über die Grenze in die EU zu kommen. Dieser junge Mann ist vor drei Jahren in Pakistan gestartet. Seit Monaten hängt er in Bosnien fest. Sein Backenzahn ist entzündet. Europa ist nur wenige Kilometer entfernt.
"Das Spiel" beginnt
Seit Frühlingsbeginn wird es wärmer. Jetzt ist die Zeit, wieder "The Game" zu wagen. Über 20 Mal hat dieser junge Mann schon versucht, in die EU zu gelangen. Jedes Mal wurde er aufgegriffen und illegal von der EU-Grenzpolizei zurück nach Bosnien "gepusht". Kleidung und Rucksack hat er von einer lokalen Hilfsorganisation bekommen.
Warten auf das richtige Wetter
Im 20 Kilometer entfernten Flüchtlingslager Lipa, weit weg von bewohntem Gebiet, leben zurzeit noch 200 bis 300 Männer. Wie diese beiden haben sich die meisten Migranten jedoch einen Unterschlupf am Stadtrand oder im Wald gesucht. Das ist näher an der Grenze. Für Frauen, Kinder und Familien gibt es noch ein kleines Camp in der Stadt.
Der Blick nach Westen
Die humanitäre Krise in Westbosnien ist nicht beendet, aber sie ist überschaubarer geworden. Viele Migranten haben ihre Ziele - Deutschland, Frankreich oder Italien - mittlerweile erreicht. Zudem war es während der vergangenen Monate zu kalt für "The Game". Die Menschen auf der Flucht haben in Camps in Sarajevo oder in Serbien auf das Frühjahr gewartet.
Versorgung durch Hilfsorganisationen und Freiwillige
Um die Versorgung der Menschen auf der Flucht kümmern sich seit Jahren lokale Hilfsorganisationen und Freiwillige aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien. SOS-Bihac wurde mitten in der großen Flüchtlingskrise 2015 gegründet. Die Hilfsorganisation wird vom Aachener Netzwerk e.V. unterstützt.
Allrad muss sein
Endi Cehic ist Sanitäter bei SOS-Bihac. Er kennt die Ruinen und Plätze in den Wäldern, wo Flüchtlinge auf dem Weg zur EU-Grenze unterkommen. Mit dem Geländewagen versorgt er die Menschen so gut es geht mit Lebensmitteln, Kleidung, Wasser und Taschenlampen. Seine Patrouillen führen ihn oft hoch hinauf ins Gebirge.
Medizinische Grundversorgung und Rettungsdienst
Der 22jährige Endi ist einer der drei ausgebildeten Sanitäter von SOS-Bihac. Seine Kollegen und er kümmern sich um Wundversorgung und andere medizinische Probleme der Migranten in Westbosnien. Für Notfälle steht ein eigener Rettungswagen zur Verfügung, eine Spende der deutschen NGO Lautlos e.V..
Notfall morgens um halb fünf
Mitarbeiter des Flüchtlingscamps Lipa nahe der kroatischen Grenze rufen an. Zwei Männer sind bei einem Streit durch Messer verletzt worden, einer schwer. Zwei Minuten später ist das SOS-Bihac-Team unterwegs. Einer der Verwundeten hat eine lebensbedrohliche Stichverletzung am Oberkörper. Er bekommt einen speziellen Wundverschluss und eine Infusion.
Noteingriff im Krankenhaus
Während der Fahrt ins Krankenhaus werden die Schnittwunden des zweiten Verletzten versorgt. Der Schwerverletzte überlebt nur dank des Noteingriffs im Krankenhaus. Viele Flüchtlinge gehen nicht ins Camp Lipa, weil sie sich vor der Gewalt dort fürchten. Sie sagen, hinter den Zäunen des Camps gäbe es auch Erpressung und Raub.
Bosnische Polizisten dokumentieren Pushbacks
Eindeutige Spuren von Migranten auf dem Weg nach Europa, wenige Meter vor Kroatiens EU-Außengrenze. Auch auf bosnischer Seite patrouillieren Grenzschützer. Beobachten sie illegale Pushbacks durch kroatische Kollegen, wird das dokumentiert und an die nächsthöhere Dienststelle gemeldet. Was mit den Informationen passiert, wissen die Polizisten nicht.
"Mein Trauma macht mich stark"
Mittlerweile informieren einzelne bosnische Grenzpolizisten SOS-Bihac, wenn sie kranke oder verletzte Menschen im Wald finden. Gerade im Winter rettet das Leben. Zlatan Kovacevic, der Chef der Hilfsorganisation, ist selbst Kriegsopfer: Mit 15 hat er sein linkes Bein durch eine Granate verloren, im Bosnienkrieg. "Mein Trauma macht mich stark", sagt Zlatan.
Ein Spiel auf Leben und Tod
Bei der Suche nach Menschen in Not benutzt Kovacevic manchmal eine Drohne. Damit lassen sich auch größere Flächen im Gebirge absuchen. "Wir halten jeden Tag Ausschau nach Hilfsbedürftigen", sagt er. "Jetzt, im Frühjahr, machen sie sich wieder auf den Weg. Viele wissen nicht, dass 'The Game' ein Spiel auf Leben und Tod werden kann."