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Politik

Tag der (nicht) arbeitenden Journalisten

Pelin Ünker | Daniel Derya Bellut
10. Januar 2020

Der 10. Januar würdigt in der Türkei die Rechte von Journalisten. Vielen ist jedoch nicht zum Feiern zumute: Zensur und Arbeitslosigkeit bedrohen die Berufsgruppe. Für Präsident Erdogan ist das genau der richtige Weg.

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Türkei Verhaftung mutmaßliche Gülen-Anhänger
Nach dem Putschversuch "säuberte" die Regierung den Staat - auch Journalisten wurden abgeführtBild: picture-alliance/dpa/Depo

Am "Tag der arbeitenden Journalisten" in der Türkei feiert der Berufszweig das Arbeitsrecht für Journalisten, das vor 59 Jahren in Kraft trat und seither die Rechte und Interessen von Journalisten schützen soll. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nahm den Tag zum Anlass und lobte den Zustand der türkische Presse: "Das Vorhandensein von Medien, die vielstimmig und wirksam die Öffentlichkeit informieren, ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine demokratische und transparente Gesellschaft."

Vielen Journalisten ist nicht so zum Feiern zumute wie dem türkischen Präsidenten. Journalisten und Medienkonsumenten beklagen sich, dass von den Rechten für Journalisten unter Erdogan wenig übrig geblieben sei. Der zunehmende Druck durch die Regierung und eine immer weiter vereinheitlichte Medienlandschaft sorgen unter Journalisten für Existenzängste. Ungefähr 11.000 Journalisten sind zurzeit arbeitslos - 114 Journalisten sind nach Angaben des türkischen Verbandes für Medienrecht in Haft; über 1500 stehen unter Anklage.   

Türkische Journalisten spüren den Wandel

Zurzeit herrsche in der Türkei ein Klima, das es schwer mache, über Themen wie Korruption oder das Kurdenproblem zu berichten, meint Celal Baslangic vom Exil-Sender Arti TV. "Das Wichtigste ist doch, sich dem Krieg zu widersetzen und für Frieden einzustehen. Doch in diesem Land ist es zurzeit so, dass diejenigen, die Frieden wollen, wie Terroristen behandelt werden", klagt Başlangıç.

Aydin Engin, langjähriger Kolumnist der Zeitung Cumhuriyet, meint, dass es kaum noch freie Medien gäbe. Seit der Verfassungsänderung von 2017, die die Befugnisse des türkischen Präsidenten sehr erweiterten, seien die Medien nicht mehr frei. Heute sei die Atmosphäre für Journalisten erstickend.

Journalisten: Eine bedrohte Berufsgruppe 

Journalisten haben in der Türkei einen schweren Stand; nach offiziellen Angaben ist jeder Vierte arbeitslos. Der Putschversuch im Juli 2016 führte zu massenhaften Schließungen von Medien- und Pressehäusern. Laut Zahlen des Türkischen Statistikinstituts (TÜIK) waren Journalisten 2018 nach Sozialarbeitern die Berufsgruppe, die am zweithäufigsten von Arbeitslosigkeit betroffen waren.

Türkei 1. Jahrestag nach Putschversuch Präsident Erdogan
Es habe lange gedauert die negativen Eigenschaften der Presse zu beseitigen: Der Präsident ist zufriedenBild: Reuters/U. Bektas

Die Schwächung der Gewerkschaften in der Türkei hat das Problem weiter verschärft. In nur einem Jahr ist die Zahl der arbeitslosen Journalisten um 4,7 Prozentpunkte auf 23,8 Prozent angestiegen. Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen bewertet die Pressefreiheit in der Türkei mit Rang 157 unter 182 Ländern. "Seit der Niederschlagung des Putschversuchs von 2016 gehen Regierung und Justiz härter denn je gegen kritische Journalisten vor. Dutzende wurden aufgrund ihrer Berichterstattung zu teils langjähriger Haft verurteilt; viele warten seit Jahren auf ihre Urteile oder wehren sich in Berufungsinstanzen gegen Haftstrafen. Andere sind ins Ausland geflohen", so die Begründung der NGO für diese Bewertung.

94 Prozent unter Erdogans Kontrolle

Die Branche wird von immer größer werdenden Medienkartellen beherrscht. Die Pluralität bleibt dabei auf der Strecke. Nach Recherchen von internationalen Beobachtern stehen 94 Prozent der türkischen Medien durch geschäftliche Abhängigkeiten unter vollständiger Kontrolle der Regierung oder regierungsnaher Geschäftsleute. 

Nicht erst der Putschversuch im Juli 2016 erhöhte den Druck auf die Journalisten: Kurdische Medienhäuser und Zeitungen sind in den letzten Jahren Schließungen und Zensur ausgesetzt. Die kurdische Journalistin Safiye Alagas ist der Auffassung, dass der Druck der Regierung auch der Solidarität unter Journalisten geschadet habe. "In den Jahren 2010, 2011 standen Journalisten noch Seite an Seite. Heute gibt es eine ernsthafte Polarisierung (…) Das macht mich sehr traurig, denn ich möchte Solidarität."

Der Präsident dagegen sieht die Entwicklung der türkischen Medien auf dem richtigen Weg. "Es hat lange gedauert, die negativen Eigenschaften unserer Presse zu beseitigen. Ich bin sicher, dass wir die finseteren Brandstifter daran hindern werden, ihre Ziele zu erreichen. Sie werden den Willen der Nation nicht weiter missachten und die Pflicht erfüllen, unser Volk korrekt und unparteiisch zu informieren", so die Einschätzung des türkischen Präsidenten am "Tag der arbeitenden Journalisten".