Syrien: EU warnt vor einem Stellvertreterkrieg
25. Juni 2012Die Außenminister der Europäischen Union haben gegen Syrien eine Reihe von Sanktionen verhängt: Das Außen- und das Verteidigungsministerium, eine Ölgesellschaft, eine Rundfunk- und Fernsehanstalt, eine Handelsbank, ein Büro von Präsident Baschar al-Assads Baath-Partei und eine Person aus der Führungriege wurden auf die Sanktionsliste gesetzt. Das bedeutet Vermögenssperren und ein Einreiseverbot in die EU. Seit Beginn des Konflikts in Syrien im März 2011 hat die EU mehr als 120 Personen und knapp 50 Firmen und Institutionen mit Strafmaßnahmen belegt.
Australien schränkt Handel mit Syrien ein
Kurz zuvor hatte schon Australien neue Handelssanktionen angekündigt. Diese betreffen Öl, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Edelmetalle. Sie seien eine Ergänzung zum Waffenembargo und den schon bestehenden Finanz- und Reisesanktionen, teilte der australische Außenminister Bob Carr mit. Ziel sei es, den Druck auf die syrische Regierung zu erhöhen, den Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan umzusetzen.
Carr rief in einem Meinungsartikel für die Zeitung "The Australian" Russland dazu auf, den Abgang Assads zu unterstützen. Moskau habe bisher keinen Druck auf den syrischen Präsidenten ausgeübt, kritisierte er.
Syrien warnt NATO vor Vergeltungsmaßnahmen
Auf Antrag der Türkei wird die NATO über Syrien beraten. Das Bündnismitglied hatte nach dem Abschuss eines ihrer Flugzeuge durch die syrische Armee eine Beratung der NATO gemäß Artikel IV des Nordatlantikvertrags beantragt. Die Türkei sieht ihre "territoriale Unversehrtheit, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit gefährdet", wie es in Artikel IV definiert wird.
Am Dienstag tritt deswegen der Nordatlantikrat des Militärbündnisses zu einer Sondersitzung in Brüssel zusammen. Beobachter rechnen allerdings nicht damit, dass der Bündnisfall gemäß Artikel V in Kraft gesetzt wird, wonach ein Angriff auf ein NATO-Land als Angriff auf alle gewertet wird. Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle verurteilte den Abschuss des türkischen Flugzeugs als unverhältnismäßig, warnte jedoch vor einem Stellvertreterkrieg: “Deeskalation sei jetzt das Gebot der Stunde“, so Westerwelle.
Syrien behauptet, seine Luftwaffe habe das türkische Flugzeug abgeschossen, weil es sich im syrischen Luftraum befand und damit die Staatssouveränität verletzt habe. Das Flugzeug sei in 100 Metern Höhe in syrisches Territorium geflogen. “Wir mussten sofort reagieren. Selbst wenn es ein syrisches Flugzeug gewesen wäre, hätten wir es abgeschossen“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Damaskus. Er warnte die NATO vor Vergeltungsmaßnahmen: das syrische Territorium sei heilig. Nach Darstellung der Türkei hingegen schoss Syrien die Militärmaschine des Typs F-4 “Phantom“ bei einem Routineflug im internationalen Luftraum ab.
Immer mehr syrische Soldaten desertieren
Der Druck auf Syriens Regierung wächst weiter durch die jüngsten Sanktionen der EU. Als Folge kehren immer mehr Angehörige der Assad-Armee den Rücken. Darunter sind nicht nur einfache Soldaten, sondern auch 13 Generäle. Insgesamt setzten sich fast 200 Syrer ab, wie der Privatsender CNN Türk berichtet. Auch ein Kampfpilot ist mit seiner Militärmaschine desertiert und ins Nachbarland Jordanien geflohen.
nem/det/sti (afp, dapd, rtr)