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Politik

Studie: Bildung fehlt digitaler Durchblick

Richard A. Fuchs
15. August 2018

Der Bildungsmonitor 2018 der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft sieht fast überall in Deutschland Verschlechterungen der Bildung. Vor allem die Digitalisierung bereitet Sorgen, so die arbeitgeberfinanzierte Studie.

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Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

"Es fehlt an Technik und Konzepten", so fassen die Autoren des Bildungsmonitors 2018 den Stand der Digitalisierung an deutschen Schulen zusammen. In der Studie, die vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) angefertigt wurde, stellen die Autoren eine digitale Lücke fest. Im internationalen Vergleich seien deutsche Schulen bei der Computernutzung und bei den digitalen Kompetenzen von Schülern und Lehrern bestenfalls Mittelmaß. Und auch beim Blick auf die Bildungsqualität insgesamt zeichnet der Report ein eher düsteres Bild.

Nur Schleswig-Holstein und Berlin verbessern ihr Bildungssystem

In fast allen Bundesländern habe es im Vergleich zum Vorjahr einen deutlichen Rückgang bei der Bildungsqualität gegeben, konstatiert die mit Geld der Metall- und Elektroindustrie finanzierte Studie. "Nur Berlin und Schleswig-Holstein haben ihre Ergebnisse verbessert", sagt Studienleiter Professor Axel Plünnecke. Vor allem in den Bereichen Schulqualität, bei der Integration und der Verminderung von Bildungsarmut hätten sich die Ergebnisse teilweise deutlich verschlechtert. So schneiden Viertklässler demnach in Deutsch und Mathematik aktuell schlechter ab als in den Jahren zuvor. Zudem sei die Schulabbrecherquote wieder höher geworden. Die Autoren sehen im Zuzug von Flüchtlingen den Hauptgrund. Und der Anteil von Abgängern ohne Abschluss sei besonders unter ausländischen Jugendlichen gestiegen - von 11,8 Prozent im Jahr 2015 auf 14,2 Prozent im Jahr 2016. "Die Schulabbrecherquote unter Ausländern nimmt zu, die Bildungsarmut steigt", sagt Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM. Es brauche daher einen neuen Bildungsaufbruch für bessere Teilhabechancen.  

Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft
Studienleiter Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln Bild: picture-alliance/dpa

Im Bundesländervergleich zeigten sich aber deutliche Unterschiede. Die leistungsfähigsten Bildungssysteme haben demnach Sachsen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und das Saarland. Berlin ist erstmals seit zehn Jahren im Ranking des Bildungsmonitors nicht mehr Schlusslicht unter den Ländern, sondern belegt inzwischen Platz 13. Besonders positiv in Berlin fällt auf, dass gerade in der Hauptstadt der Anteil der Schulabbrecher zurückgegangen ist - insbesondere in der Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund. Zudem habe Berlin den Fremdsprachenunterricht an Berufsschulen deutlich gestärkt.  

Merkel besucht Schule in Berlin
Zu Gast bei Bildungsaufsteigern? Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht Anfang Mai eine Berliner SchuleBild: DW/A. Köhler

Was fehlt: eine digitale Landkarte für Deutschlands Schulen  

Bei der Digitalisierung der Schulen haben demnach die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg die Nase vorn. Gerade was die Datenlage angehe, sei das Schulsystem in Deutschland aber noch immer Terra incognita. "Wir wissen nicht, wie gut Schulen flächendeckend mit digitaler Infrastruktur ausgerüstet sind", gesteht Studienleiter Plünnecke ein. Zudem fehle es gerade bei der Lehrerschaft an digitalen Kompetenzen und einer gezielten Weiterbildung. Und Hubertus Pellengahr ergänzt wenig schmeichelhaft, dass die "Mentalität der Lehrerschaft" die Digitalisierung an den Schulen erschwere, ja vielleicht sogar scheitern lassen könne. Das Bundesland Hamburg lobten die Autoren besonders dafür, dass es einen konsequenten Leistungswettbewerb zwischen den Schülern eingeführt habe. Schüler werden dort in allen Phasen ihrer Schulkarriere mit Vergleichsarbeiten konfrontiert. Das stärke den Ideenwettbewerb, heißt es von den Studienmachern.    

Die Finanzierungslücken sind riesig

Die Studie basiert auf 93 Indikatoren, darunter sind die Beschreibung von schulischer Infrastruktur und Aspekte wie die Betreuungsrelation an Schulen. Allerdings erhebt die Studie kaum eigene Daten, sondern trägt aktuelles Zahlenmaterial des Statistischen Bundesamtes und anderer Quellen zusammen. Bei der Frage des Finanzbedarfs im Bildungssektor gehen jedoch die Ergebnisse der INSM und die anderer Institute weit auseinander. Der INSM-Bildungsmonitor sieht einen Investitionsbedarf von zwölf Milliarden Euro jährlich, der für weitere Reformen nötig wäre. Andere Studien kommen mit anderen Annahmen zu gänzlich anderen Ergebnissen. So rechnete die staatliche Förderbank KfW in einer weiteren Untersuchung vor, das allein bei Schulsanierungsmaßnahmen derzeit rund 48 Milliarden Euro fehlten. Rechnet man laut KfW den Nachholbedarf bei Kindertagesstätten hinzu, dürfte noch einmal ein Mehrbedarf von knapp acht Milliarden Euro oben draufkommen. Wie hoch der Investitionsbedarf im Bildungssektor also tatsächlich ist, hängt sehr von der Ausrichtung einer Studie ab.  

Symbolbild: Smartphone in der Schule
Bring Your Own Device - bringe dein eigenes Smartphone mit: Wird so der digitale Unterricht umgesetzt? Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Das Ziel beschreibt Plünnecke so: Es gehe darum, eine "bildungsökonomische Sichtweise" in die Debatte zu tragen. "Wir schauen uns an, in wieweit das Bildungssystem einen Beitrag für den Wohlstand leistet", argumentiert Plünnecke. INSM-Kritiker halten die Studienergebnisse dagegen für den einseitigen Versuch, das Bildungssystem allein nach marktwirtschaftlichen Regeln umzukrempeln.