1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Streit um Flüchtlinge

Peter Hille27. Juli 2015

Auf dem Flüchtlingsgipfel in Stuttgart ging es - ja, auch um Asylbewerber. Aber zunächst einmal ging es ums Geld. Denn die Länder wollen mehr Hilfe vom Bund angesichts steigender Flüchtlingszahlen.

https://p.dw.com/p/1G5LF
Flüchtlinge kommen in Deutschland an (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Rampfel

Um was wird gestritten?

In Deutschland sind die Bundesländer dafür zuständig, Flüchtlinge unterzubringen. Sie verteilen Neuankömmlinge auf einzelne Städte und Dörfer, denen sie eine Pauschale überweisen für Essen, Wohnraum, Sprachkurse und medizinische Betreuung der Asylbewerber.

Für Juni hat das zuständige Bundesamt mehr als 30.000 Asylanträge registriert - mehr als doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Davon fühlen sich Länder und Kommunen überfordert. Deshalb fordern sie mehr Hilfe vom Bund. Notwendig seien nicht einmalige Finanzspritzen, sondern eine dauerhafte Unterstützung für jeden einzelnen Flüchtling, meinen etwa Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger, beide von der SPD. Der Bund will sich darauf bislang nicht einlassen.

Um wieviel Geld geht es dabei?

Etwa fünf Milliarden Euro soll die Unterbringung von Asylbewerbern in diesem Jahr kosten, schätzen die Landesregierungen der Bundesländer. Das wäre rund doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. Bislang hat der Bund den Ländern für dieses Jahr nur eine Milliarde Euro zugesagt. Einige Länder fordern deshalb vom Bund, sich mit 12.500 Euro pro Flüchtling an den Kosten zu beteiligen.

Warum ist Deutschland nicht besser vorbereitet?

Trotz der anhaltenden Kriege in Syrien, dem Irak und in Afghanistan sowie dem Exodus aus Albanien und dem Kosovo: Offensichtlich hatten die Behörden sich bislang nicht ausreichend auf die hohen Flüchtlingszahlen vorbereitet. Bis zu 450.000 Asylanträge könnten in Deutschland in diesem Jahr gestellt werden, schätzt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge derzeit.

Das wären rund doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Von einem drohenden "Kollaps" des Asylsystems spricht Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Schon jetzt bringen Kommunen Flüchtlinge in Turnhallen und Zelten unter.

In Hamburg werden Flüchtlinge in dieser Zeltstadt untergebracht (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
In Hamburg werden Flüchtlinge in dieser Zeltstadt untergebracht.Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Rücken bald Soldaten zur Hilfe an?

Bislang schlafen rund 3500 Flüchtlinge in Bundeswehr-Kasernen. Zurzeit prüft das Verteidigungsministerium, in welcher Form es "logistische Unterstützung" leisten kann. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hatte zuvor ins Gespräch gebracht, dass die Armee mit Zelten, Sanitätern und Versorgungszügen helfen könne.

Gegen einen solchen Einsatz der Bundeswehr spricht sich die Gewerkschaft der Polizei aus. "Wir haben weder einen Notstand noch einen Verteidigungsfall, sondern nur mit den Folgen des bundesweiten Ressourcenabbaus für Not- und Katastrophenlagen zu kämpfen", sagte der Vize-Bundesvorsitzende Jörg Radek.

Warum wird besonders über Asylbewerber vom Balkan diskutiert?

Fast jeder zweite Asylbewerber kommt vom Balkan. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weist fast jeden Asylantrag ab, der von Menschen zum Beispiel aus Albanien oder dem Kosovo gestellt wird. Dadurch verzögere sich die Bearbeitung anderer Anträge, sagt Amtspräsident Manfred Schmidt.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer von der CSU will Asylbewerber aus dem Balkan deshalb mit einem gesonderten Verfahren schnell abschieben. Darüber hinaus fordert Seehofer, alle Staaten des westlichen Balkan zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Dann hätten Menschen von dort keine Chance auf Asyl in Deutschland.

Horst Seehofer / CSU / Bayern (Foto: dpa)
Fordert mehr Abschiebungen: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.Bild: picture-alliance/dpa

Was erwartet die Flüchtlinge?

Nach ihrer Ankunft leben alle Flüchtlinge zunächst in Lagern. In einigen Bundesländern dürfen Asylbewerber später auch in normale Wohnungen umziehen, in anderen nicht, etwa in Bayern.

Nur 0,5 Prozent aller Asylanträge wurden in der ersten Hälfte dieses Jahres in Deutschland anerkannt. Jeder dritte Antragssteller bekam eine so genannte Duldung und darf zunächst in Deutschland bleiben. Arbeit zu finden war für sie früher verboten. Inzwischen können Asylbewerber zwar unter bestimmten Bedingungen zwar Arbeit finden, doch das ist oft schwierig.

Wie würde eine Alternative aussehen?

Grüne und SPD fordern seit langem ein neues Einwanderungsgesetz, das mehr Menschen mit guter Ausbildung, Arbeitserfahrung und Deutschkenntnissen eine legale Einreise nach Deutschland ermöglichen würde – unabhängig von politischer Verfolgung im Herkunftsland. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württembergs, hat vorgeschlagen, Einwanderer aus dem Westbalkan ins Land zu lassen, wenn sie in Deutschland in "Mangelberufen" wie der Pflege arbeiten könnten.

In der CDU wird darüber ebenfalls diskutiert, die CSU ist gegen ein Einwanderungsgesetz. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zu diesem Thema noch nicht klar positioniert.

Krawalle um Flüchtlingslager in Dresden (Foto: dpa)
Krawall in Dresden: Neonazis demonstrieren gegen ein Flüchtlingslager.Bild: picture-alliance/dpa

Was meinen die Bürger dazu?

Zwei von drei Deutschen hält das Thema "Flüchtlinge und Asyl" für das wichtigste politische Thema überhaupt. Das ergab das jüngste ZDF-Politbarometer. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist jeder dritte der Meinung, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen könnte. 73 Prozent der Befragten fordern, dass die Flüchtlingspolitik sich ändern müsse.

Und dann gibt es noch blanken Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge: auf mehr als 200 Asylunterkünfte wurden in diesem Jahr in Deutschland schon fremdenfeindliche Anschläge verübt, einige wurden in Brand gesteckt.