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Steinmeiers Krisenmanagement und Charmeoffensive

Gero Schließ, Washington1. März 2014

Der deutsche Außenminster Steinmeier wird in Washington geschätzt. Beim Thema Ukraine gibt es keinen Dissens. Doch aus dem No-Spy-Abkommen wird wohl nichts. Der Politprofi bleibt gelassen.

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Frank-Walter Steinmeier redet bei der Brookings Institution (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

In der Ukraine spitzt sich die Lage zu - und vom deutschen Lieblingsprojekt eines "No-Spy-Abkommens" musste er sich auch öffentlich verabschieden: Eigentlich sollte es ungemütlich zugehen für den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch in der amerikanischen Hauptstadt.

Wohlfühlen in Washington

Doch wenn man ihn hier trifft, drängt sich ein ganz anderer Eindruck auf: Steinmeier fühlt sich offenbar pudelwohl. Man kennt ihn und schätzt ihn. Sein persönliches Engagement bei den Verhandlungen in Kiew und die Ankündigung einer entschlosseneren deutschen Außenpoltik haben für Aufsehen gesorgt. Und man spürt: Er füllt es aus, das neue, alte Amt.

Als 35-Jähriger sei er das erste Mal nach Washington gekommen, um seine Freundin auf ihrem Auslandsjahr zu besuchen, erzählt Steinmeier aufgeräumt in seiner Rede vor einem handverlesenen Publikum der renommierten Denkfabrik Brookings Institution. Später wurde die Freundin dann seine Frau. Washington, "die Stadt der Bars und Debatten", hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen.

Der Krisenmanager

Doch der Zeitpunkt seines Besuches ist eigentlich nicht danach, sich in persönlichen Geschichten zu ergehen. Denn Steinmeier ist hier als Krisenmanager. Die Zuspitzung in der Ukraine erfordert seine ganze Aufmerksamkeit. Auch wenn er müde wirkt, übermäßige Anspannung lässt sich der Politprofi nicht anmerken.

Steinmeier steht auch jetzt im engen Kontakt mit allen wichtigen Akteuren. Und egal wo er gerade ist, das Thema Ukraine scheint allgegenwärtig: in seinen Gesprächen mit US-Außenminister John Kerry, mit Senatorin Dianne Feinstein, auf der Pressekonferenz und auch jetzt bei Brookings. Während seiner Rede und der anschließenden Fragestunde treffen immer neue, sich widersprechende Berichte über militärische Bewegungen auf der Krim ein.

Frank-Walter Steinmeier und John Kerry in Washington (Foto: Reuters)
Amtskollegen: Steinmeier und KerryBild: Reuters

Offene Kanäle zu Russland

Steinmeiner beteuert, dass er - trotz aller unterschiedlichen Interessen - zu Russland "die Kanäle offen gehalten" habe. Russland sei sogar am Verhandlungstisch in Kiew beteiligt gewesen durch Putins Beauftragten Vladimir Lukin, der "an einigen Stellen sogar ausgesprochen hilfreich" gewesen sei. Doch jetzt ist möglicherweise alles anders: "Wir sind in einer Situation im Streit um die Krim, bei der ich nicht weiß, ob wir die unterschiedlichen Interessen wieder zusammenbringen können." Die territoriale Integrität der Ukraine ist für ihn unantastbar.

Den Konflikt in die herkömmliche Schablone von West-Ost Auseinandersetzungen zwischen Russland und dem Westen zu pressen, hält Steinmeier für veraltet und nicht angemessen. Die Ukrainer selbst müssten über ihr Schicksal entscheiden dürfen. Auch hier wiederholt er seine Berliner Ankündigung, dass die deutsche Außenpolitik bei Krisen künftig früher und entschlossener handeln werde. Man könne sich die Aufgaben ja aufteilen. In der Ukraine beispielsweise führten die Europäer, im Nahen Osten die Amerikaner.

Den Hauptteil seiner Rede bei Brookings widmet er dem transatlantischen Verhältnis und kommt dabei auch auf den Whistleblower Edward Snowden und die NSA-Affäre zu sprechen: Die Praktiken, die er enthüllt habe, hätten das Vertrauen der Freunde Amerikas auf eine Probe bisher ungekannten Ausmaßes gestellt. "Ist es wirklich notwendig, dass man über die Geheimdienste Mitglieder der Bundesregierung abhört", fragt Steinmeier. Stille im Raum.

Symbolbild NSA-Abhöraffäre (Foto: imago)
Washington lehnt ein "No-Spy-Abkommen" abBild: imago/Eibner

Cyber-Dialog statt No-Spy-Abkommen

Mit seinem Vorschlag eines "Cyber-Dialogs" zwischen Regierungen, Experten und Zivilgesellschaft verabschiedet er sich eher nebenbei von der deutschen Forderung eines "No-Spy-Abkommens" mit den USA. Erst auf Nachfragen aus dem Publikum erklärt Steinmeier etwas gewunden, dass man auf beiden Seiten des Atlantiks in den Erwartungen an den jeweiligen anderen einfach zu weit auseinander sei. Der "Cyber-Dialog" solle aber auch am Ende zu verbindlichen Regeln führen.

Steinmeier lässt sich keine Enttäuschung über die Amerikaner anmerken. Im Gegenteil, er endet mit einer Charmeoffensive: Die transatlantischen Partner seien zwar ein "altes Ehepaar“, doch sei das Ringen um die gemeinsamen Werte auch künftig alle Anstrengung wert. Bereits jetzt richten sich erwartungsvolle Blicke auf den bevorstehenden Washington-Besuch von Kanzlerin Merkel. Bleibt abzuwarten, ob es dann die Chefin richten kann.