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PolitikAsien

Sri Mulyani: die indonesische Reformerin

Oxana Evdokimova | Janina Semenova
11. Juli 2021

Im DW-Interview erzählt Indonesiens Finanzministerin, wie sie es geschafft hat, eine der mächtigsten Frauen Südostasiens zu werden.

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Indonesien | Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati
Die indonesische Finanzministerin Sri Mulyani im August 2019 in JakartaBild: Anton Raharjo/AA/picture alliance

Sri Mulyani

Sie war darauf vorbereitet, dass der Weg an die Macht schwer sein würde. Schwerer als bei Männern. "Die Welt ist nicht gerecht für Frauen", sagt Sri Mulyani. Und doch hat sie es weit gebracht: 2005 wurde Sri Mulyani zur ersten Finanzministerin Indonesiens ernannt – eine Pionierin in dem mehrheitlich muslimischen Land und mittlerweile ein Vorbild für zahlreiche Frauen.

Die DW hat mit Sri Mulyani im Rahmen der Interview-Reihe "Merkel's Era: The Women of Power" gesprochen. Bei Männern werde es als selbstverständlich angesehen, ein hohes Amt zu bekleiden, sagt Sri Mulyani. "Aber als Frau muss man sich wirklich beweisen." Das sei ein "doppeltes oder dreifaches Hindernis" in der Karriere vieler Frauen.

Indonesien Finanzministerin Sri Mulyani (2005)
Sri Mulyani nach ihrer Ernennung zur indonesischen Finanzministerin am 6.Dezember 2005Bild: Dita Alangkara/AP Photo/picture alliance

Sri Mulyani ist Wirtschaftswissenschaftlerin, hat in Indonesien studiert und in den USA promoviert. Nach ihrem Amtsantritt bekam sie sehr bald die Chance, sich zu bewähren: ausgerechnet in der Weltfinanzkrise. Mulyani steuerte die größte Volkswirtschaft Südostasiens erfolgreich durch diese Zeit, feuerte korrupte Beamte und reformierte das Steuersystem. 2010 verschaffte sie Indonesien das höchste Wirtschaftswachstum seit der Asienkrise Ende der Neunzigerjahre. 

Eine der 100 mächtigsten Frauen der Welt  

Seitdem gilt Mulyani als harte Reformerin – eine der vielen Zuschreibungen neben "mächtigste Frau Indonesiens" oder "Finanzministerin des Jahres". Und auch Forbes führte sie mehrfach in der Liste der "100 mächtigsten Frauen der Welt". Mit ihren Erfolgen machten Mulyani weltweit Schlagzeilen. 2010 wechselte sie in die USA zur Weltbank. Sechs Jahre später kehrte sie für eine zweite Amtszeit als Finanzministerin zurück in ihre Heimat. 

Indonesien Tagung des IWF in Nusa Dua
Sri Mulyani im Gespräch mit Christine Lagarde, der damaligen geschäftsführenden Direktorin des IWFBild: Reuters/Antara Foto

Die 58-Jährige wuchs als eines von zehn Kindern auf. Mulyanis Mutter, eine Professorin, war eine der ersten Frauen, die in Pädagogik promovierten – damals eine Sensation in Indonesien. Die Erfahrungen ihrer Mutter prägten sie als Kind und lehrten sie, sich als Frau immer besonders anzustrengen und nicht aufzugeben. Doch frustriert habe Mulyani das nie: "Es ist vielmehr eine Motivation: zu zeigen, dass wir Frauen es verdient haben und fähig sind." 

Doch nur die Hälfte der Frauen in Indonesien arbeitet in bezahlten Jobs. Die Zahl stagniert seit fast zwei Jahrzehnten. Immer noch wird von Frauen an erster Stelle erwartet, für den Haushalt zu sorgen und die Kinder zu erziehen. Mulyani unterstützt in ihrem Ministerium stillende Frauen und ermutigt Männer, Elternzeit zu nehmen – für Indonesien fast eine kleine Revolution.

Männer als Verbündete

Wie schon ihre Mutter hat Mulyani es geschafft, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Doch einfach war das mit drei Kindern nicht immer, das gibt die Ministerin ganz offen zu: "Es war hart." Ohne die Hilfe ihres Mannes sei ihr Werdegang so nicht möglich gewesen: "Mein Mann ist eine große Unterstützung. Er fühlt sich nicht minderwertig, weil er eine Frau geheiratet hat, die als stark wahrgenommen wird."

Indonesien | Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati
Sri Mulyani ist ein Vorbild für viele in Indonesien - hier ein Schnappschuss in Jakarta im Juli 2016Bild: Bagus Indahono/dpa/picture alliance

Das Bild der starken und intelligenten Frau passt aber nicht allen in der sehr patriarchalen indonesischen Gesellschaft. "Wenn Mädchen einen hohen Bildungsgrad haben, wird ihnen oft gesagt, dass sie damit die Jungen verschrecken", erzählt Mulyani. Bildung komme deshalb eine Schlüsselrolle zu: "Männer und Jungen müssen wissen, dass Gleichberechtigung für sie keine Bedrohung ist." 

Mulyani unterstreicht das mit einer Metapher: "Man will nicht, dass der eine Schuh einen Absatz hat und der andere flach ist. Damit kann man nicht laufen. Das Gleiche gilt für Frauen und Männer: Sie müssen auf demselben Level sein, damit die Gesellschaft vorangehen kann."

Indonesien gefährliches Land für Frauen 

Doch so einfach sieht die Realität für viele Mädchen und Frauen nicht aus. Indonesien gilt als das zweitgefährlichste Land für Frauen in der Asien-Pazifik Region. Eine von drei Frauen hat in ihrem Leben Gewalt erlebt. Kinderehen sind weit verbreitet. Und es gibt kein Gesetz, das Mädchen vor Genitalverstümmelung schützt, obwohl die Praxis international als Menschenrechtsverletzung gilt.   

Symbolbild- Kinderehe
Laut UNESCO hat Indonesien die achthöchste Rate von Kinderehen weltweit Bild: picture-alliance/dpa/A. Pathoni

All diese Themen sind ein Tabu in der Gesellschaft. In diesen Bereichen brauche es mehr Aufklärung, so Mulyani. Deshalb unterstützt sie Frauen und Mädchen und nutzt ihr Budget, um mithilfe von Bildung gleiche Chancen zu schaffen. 

Wegbereiterin Angela Merkel   

Sri Mulyani ist in ihrem Land eine Pionierin – so wie in Deutschland Angela Merkel. Zum bevorstehenden Ende der Kanzlerschaft von Merkel sagt Mulyani: "Ich bewundere sie für ihre Führungsqualitäten, die Art, wie sie Politik vorantreibt, die nicht nur für Deutschland, sondern auch global von Bedeutung ist."

Der Druck für die nächste Generation an Frauen, die auf jemanden wie Angela Merkel folgen wird, sei aber trotzdem groß: "Sie werden immer mit denen verglichen werden, die die gläserne Decke durchbrochen haben." Gerade deshalb sei es wichtig, dass jede Frau, egal in welcher Position, ihre Grenzen ausreizt. "Auch wenn es nur ein Zentimeter ist. Denn das gibt den Mädchen und Frauen, die folgen, mehr Spielraum."

Kommentarbild PROVISORISCH DW Autorin Janina Semenova
Janina Semenova DW-Korrespondentin in Riga@janinasem