Spieler, schaut auf diese Stadt
Bis zum Sonntag wurde in Essen gespielt, was das Zeug hält. Die Internationalen Spieltage sind die weltgrößte Messe für Brett- und Kartenspiele. Völlig analog also. Trotzdem wächst der Markt - und zwar kräftig.
Analog ist Trumpf
Um zehn Prozent stieg der Umsatz in Deutschland zuletzt, 450 Millionen Euro werden für dieses Jahr erwartet. Auch die Messe selbst ist stark gewachsen. 1983 fand sie in der Volkshochschule statt, inzwischen füllt sie sechs Messehallen. Mehr als 1000 Aussteller aus 50 Ländern zeigen ihre Neuheiten. Bei "K.O. Heroes" können sich Spieler an den Helden ihrer Gameboy-Tage rächen - ganz analog.
Den Deutschen Spielepreis 2016
...hat das Spiel "Mombasa" bekommen - auch wenn die Spielidee nicht gerade politisch korrekt wirkt. Bis zu vier Handelskompanien wetteifern Anfang des 19. Jahrhunderts darum, dem afrikanischen Kontinent seine Schätze zu entreißen. Die Jury lobte die große taktische Bandbreite des Strategiespiels und die Detailfreude der Gestaltung.
Und für die Kleinen
... wurde "Leo muss zum Friseur" mit dem Deutschen Kinderspielepreis 2016 ausgezeichnet. Mähne schneiden tut nicht weh, aber der Weg ist voller Tücken. Auf dem langen Weg durch den Dschungel muss der Löwe vielen Ablenkungen widerstehen und Hindernisse überwinden. Das Spiel ist eine Mischung aus Memory, Strategiespiel und Puzzle, bei dem auch Kommunikation und Zusammenarbeit wichtig sind.
Nichts wie raus hier!
Großer Trend der Spielemesse sind Escape Games. Dabei müssen Spieler in einer begrenzten Zeit Aufgaben lösen, etwa ein Verbrechen aufklären oder "Das Geheimnis der Premiere" lüften. Vorbild sind die populären Escape Rooms, die es in vielen Städten gibt. Für deren Besuch zahlen Spieler Eintritt und suchen dann im Raum nach Hinweisen und Zeichen. Die Kaufvarianten für zuhause sind etwas schlichter.
Die Uhr tickt
Für einige Escape-Spiele reichen Spielbeschreibung und Aktionskarten. Andere haben einen "Chrono-Decoder": Die Box übernimmt die Rolle des Spielleiters, entschlüsselt Botschaften und kennt alle Antworten. Und sie zählt die Zeit, die den Spielern bleibt, um aus dem Gefängnis auszubrechen oder die Nuklearkatastrophe zu verhindern.
Martin Luther...
... begegnet man häufig in Essen, gleich mehrere Verlage stellen Luther-Spiele vor. 2017 ist es 500 Jahre her, dass der Reformator seine Thesen gegen den Ablasshandel der Katholiken an die Schlosskirche in Wittenberg genagelt haben soll. Spieler können in Luthers Fußstapfen treten, Quizfragen beantworten oder gegensätzliche Positionen der Reformation einnehmen.
Spiel mit der Sünde
Auch "Mea Culpa" gehört zu den Luther-Spielen, es geht um den Handel mit Ablassbriefen. Damit versuchen die spielenden Sünder, ihr Seelenheil zu sichern. Auf Wein, Weib und Gesang brauchen sie dabei nicht zu verzichten: Wer am sechskantigen Kerbholz dreht, gibt der Versuchung nach - und riskiert, in der Hölle zu schmoren.
Tinder für Brettspieler
Für Spiele-Liebhaber, die sich - ganz platonisch - paaren wollen, gibt es jetzt auch eine App. Mit "Twiddle" soll man für jeden Ort, jede Zeit und jedes Spiel die passenden Mitspieler finden können. Verspricht jedenfalls der Verein der deutsche Spieleverlage, der die kostenlose App zur Messe an den Start gebracht hat und - nicht ganz uneigennützig - auf rege Verbreitung hofft.
Die Vorteile des Internets...
... können auch für Entwickler von Brettspielen ein Segen sein. Bei der Crowdfunding-Plattform Kickstarter stellte der US-Amerikaner Jamey Stegmaier seine Idee für "Scythe" vor, das in einem kriegszerrütteten, alternativen Osteuropa der 1920er Jahre spielt. Innerhalb kurzer Zeit hatte er 1,8 Millionen Dollar zusammen, zehn Mal mehr als geplant. In Essen wird erstmals die deutsche Version gezeigt.
Krise? Welche Krise?
Die glorreiche Vergangenheit liegt lange zurück, jetzt befindet sich das Land Axia in einer Dauerkrise. In "Crisis" müssen Spieler versuchen, ihre Firmen über Wasser zu halten und gleichzeitig etwas für die Gemeinschaft zu tun. Das Spiel kommt aus Griechenland, komplett mit Sparmaßnahmen und dem Hinweis, dass sich nicht alle an die Regeln halten.
Hamburger Desaster
Auch "Elphi" ist stark von der Realität inspiriert. Mit der Elbphilharmonie wollten sich die Hamburger etwas ganz Großes gönnen, dann explodierten die Kosten, und der Bau ist immer noch nicht vollendet. Alle Ereigniskarten des Spiels nehmen Bezug auf reale Geschehnisse in der Stadt. Fortsetzungen für Berlin und Stuttgart könnten folgen. Die Spielsteine sind übrigens nicht von Lego.
Eine Frage des Marketings
"Kiddicraft" hießen die ersten Plastiksteine, von denen sich auch die dänische Firma Lego inspirieren ließ. Der Engländer Harry Fischer Page sie erfunden und sich 1945 patentieren lassen. Die deutsche Firma Best-Lock brachte das Original wieder auf den Markt - und konnte sich in langen Rechtsstreitigkeiten mit Lego durchsetzen. Mit ihren Steinen wird die Philharmonie in "Elphi" gebaut.