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"Sommermärchen": DFB verschleierte bewusst

Stefan Nestler (mit dpa, sid)4. März 2016

In der Affäre um die WM 2006 stellt die vom DFB beauftragte Kanzlei Freshfields fest, dass der Verband die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro bewusst getarnt hatte. Die Kernfrage der Affäre bleibt ungeklärt.

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Deutschland Leipzig Franz Beckenbauer (l) und FIFA-Präsident Joseph Blatter
Bild: picture-alliance/dpa/T. Eisenhuth

Die Wirtschaftsexperten der Kanzlei Freshfields haben bei ihren Untersuchungen zum WM-Zuschlag 2006 an Deutschland keine Anhaltspunkte für einen Stimmenkauf durch den DFB finden können. "Aber wir können es auch nicht ausschließen", sagte Christian Duve von Freshfields in Frankfurt. Belegt seien Diskussionen im DFB-Führungszirkel, dass im Februar 2000, also sechs Monate vor der Wahl, nur drei der vier erhofften Stimmen der FIFA-Wahlmänner aus Asien als sicher galten. Nach der Wahl wurde in DFB-Schriftstücken festgehalten, dass alle acht Wahlmänner aus Europa und vier aus Asien dem DFB die nötige Mehrheit von 12:11 Stimmen beschert hätten. Keine Beweise fand Freshfields für Zahlungen an den Neuseeländer Charles Dempsey, der sich im letzten Wahlgang überraschend enthalten und damit für Aufsehen gesorgt hatte. Rätselhaft bleibt laut Duve der von Franz Beckenbauer - damals Chef des Organisations-Komitees der WM - unterschriebene Vertrag mit dem skandalumwitterten Ex-FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner aus Trinidad und Tobago wenige Tage vor der WM-Vergabe. Dieser beinhalte "auch ungewöhnliche Leistungen", sagte Duve. Nicht ersichtlich sei, ob das DFB-Präsidium dem Vertrag zugestimmt habe. Teilweise seien Leistungen aus dem Vertrag erfüllt worden. So wurden Fahnen und Tickets für den Verband aus der Karibik gedruckt. Warner reiste auf DFB-Kosten nach Deutschland.

Freshfields-Anwalt Duve (r.) präsentiert die Ergebnisse. Foto: Getty Images
Freshfields-Anwalt Duve (r.) präsentiert die Ergebnisse der UntersuchungBild: Getty Images/Bongarts/D. Grombkowski

Geld floss an Dreyfus

Freshfields-Anwalt Duve machte deutlich, dass der DFB die Rückzahlung des dubiosen Darlehens über zehn Millionen Franken (6,7 Millionen Euro) an den französischen Geschäftsmann Robert Louis-Dreyfus bewusst verschleiert habe. Die damaligen WM-OK-Mitglieder Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger hätten im April 2005 ihren Plan umgesetzt, die Rückzahlung über eine fingierte Überweisung an ein FIFA-Konto vorzunehmen. Der Betrag wurde als Zuschuss für die geplante WM-Gala an den Weltverband deklariert. Von dem FIFA-Konto, das namentlich auf den heutigen Interimsgeneralsekretär des Weltverbandes Markus Kattner lief, floss die Summe dann an ein Konto von Louis-Dreyfus weiter. Als die WM-Gala im Januar 2006 abgesagt wurde, habe es vom DFB keine Rückzahlungsforderung gegeben. Louis-Dreyfus hatte dem DFB drei Jahre zuvor den Betrag von zehn Millionen Franken geliehen.

Millionenzahlung von Beckenbauers Konto

Laut Freshfields floss das Geld über eine Schweizer Anwaltskanzlei auf ein Konto einer Gesellschaft in Katar. Einziger Gesellschafter war der mittlerweile lebenslang gesperrte Ex-FIFA-Funktionär Mohamed bin Hammam. Dieser bestreitet, das Geld erhalten zu haben. Bin Hammam steht unter Verdacht, die finanziellen Zuwendungen an asiatische WM-Wahlmänner des Fußball-Weltverbandes FIFA weitergereicht zu haben. WM-Organisationschef Franz Beckenbauer war in die dubiosen Millionenzahlungen deutlich stärker involviert als bisher angenommen. Laut den Untersuchungsergebnissen von Freshfields flossen von einem Konto, das auf Beckenbauer und dessen inzwischen verstorbenen Berater Robert Schwan lief, sechs Millionen Schweizer Franken an die Schweizer Anwaltskanzlei. Das Geld wurde an Beckenbauer und Schwan zurücküberwiesen, nachdem Dreyfus die Summe von zehn Millionen Franken in die Schweiz übermittelt hatte.

Grindel kündigt Strukturreform an

"Es war ein völliges Versagen interner Kontrollmechanismen, sowohl im WM-Organisationskomitee 2006 als auch innerhalb der DFB-Spitze", sagte DFB-Interimspräsident Rainer Koch. "Dem Präsidium wurden über Monate Informationen vorenthalten. Das ist ein inakzeptabler Vorgang gewesen", betonte Koch. Dafür habe Wolfgang Niersbach mit seinem Rücktritt als DFB-Präsident die Verantwortung übernommen. Dies sei nun "noch nicht der Zeitpunkt, über Konsequenzen zu sprechen". Rechtliche Schritte wolle der DFB ebenso in Ruhe prüfen wie die Frage, ob Ex-Präsident Niersbach von seinen Posten in den Exekutivkomitees von FIFA und UEFA zurücktreten solle. Der designierte neue DFB-Präsident Reinhard Grindel kündigte "Struktur-Veränderungen" innerhalb des Verbands an.

Reinhard Grindel bei der Pressekonferenz. Foto: Getty Images
Reinhard GrindelBild: Getty Images/Bongarts/D. Grombkowski

Niersbach räumt Fehler ein

Wolfgang Niersbach hat ebenfalls auf die Veröffentlichung des Freshfields-Berichts reagiert: "Den Vorwurf, im Sommer 2015 meine Kollegen im DFB-Präsidium nicht zügig über die mir bis dahin bekannten Vorgänge informiert zu haben, verstehe ich", erklärte der Ex-DFB-Präsident. Er habe sich im Sommer und Herbst 2015 "bemüht, die Hintergründe des Sachverhalts zu recherchieren und zufriedenstellende Antworten zu erhalten". Erst anschließend habe er das DFB-Präsidium informieren
wollen. "Dass mir dies nicht gelungen ist, bedauere ich zutiefst", so Niersbach. Über die publik gewordenen Zahlungen von Franz Beckenbauer an ein Konto in der Schweiz im Jahr 2002 habe er erst am Freitag Kenntnis erhalten. Er bleibe aber bei seiner Auffassung, dass für den WM-Zuschlag keine Stimmen gekauft worden seien, betonte das damals hochrangige WM-OK-Mitglied.

Der Weltverband FIFA will den Freshfields-Bericht genau prüfen. Es seien noch viele Fragen offen, teilte die FIFA mit. Sie halte "an ihrem Status als geschädigte Partei" fest und kooperiere bei den laufenden Untersuchungen mit den Schweizer und deutschen Behörden".

Wenn Sie noch einmal in die Pressekonferenz zur Freshfields-Untersuchung eintauchen wollen, können Sie im DW-Liveticker nachlesen: