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Politik

Europas schwieriges China-Jahr

Frank Sieren
10. Mai 2020

Eine gemeinsame Linie gegenüber Peking zu finden, ist schon länger schwierig für die EU. Die Corona-Krise hat es nicht leichter gemacht und fordert nun in Kürze den deutschen EU-Ratsvorsitz heraus, meint Frank Sieren.

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Chinesischer Polizist vor EU-Flagge
Bild: picture-alliance/dpa/M. Reynolds

Schon vor der Corona-Krise sollte 2020 zu einem wichtigen Jahr für die europäisch-chinesischen Beziehungen werden. Im zweiten Halbjahr wird Deutschland, die größte Wirtschafts- und Exportmacht Europas, den EU-Ratsvorsitz übernehmen, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem letzten Amtsjahr an der Spitze. Kein anderer Politiker im Westen genießt in China so hohes Ansehen.

Merkel hatte gehofft, Europa eine einheitliche Haltung gegenüber China abzuringen. Eine Haltung, in der die Volksrepublik Partner und Wettbewerber zugleich ist, eine Haltung in der man im Geist der Kooperation Probleme offen anspricht. Sie wollte sich vom China-Bashing der Amerikaner absetzen und die eigenen Interessen geschickter vertreten. 

Nur ein Video-Gipfel in Leipzig

Nun wird der EU-China-Gipfel im September in Leipzig, an dem auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping teilnehmen wollte, aller Voraussicht nach nur als Videoschalte stattfinden. Und eine einheitliche Haltung in dieser aufgeheizten Stimmung zu finden, ist schwieriger denn je. Das war vor schon vor der Corona-Krise schwierig, vor allem seit Italien vergangenes Jahr als erstes G7-Land der "One Belt, One Road"-Initiative Pekings beigetreten ist - gegen den Willen Brüssels. Dass China Italien in der Viruskrise - vielleicht auch deshalb - besonders geholfen hat, wird Rom nicht vergessen. Ähnlich ist das in Ungarn und Tschechien: "China war das einzige Land, dass uns geholfen hat", sagte der tschechische Präsident Milos Zeman kürzlich. Und mitten in der Krise hat Ungarn Ende April einen gut 1,8 Milliarden-Dollar Kredit von China zum Bau der Eisenbahnlinie Budapest-Belgrad bekommen - ein Projekt das jahrelang nicht voran kam.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Auch EU-Beitrittskandidaten wie Serbien geben sich enttäuscht von Brüssel: "Europäische Solidarität gibt es nicht. Nur China kann uns helfen", sagte Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. Just in einer Zeit, in der Brüssel zwar den Beitritt von Ländern wie Serbien in naher Zukunft nicht in Aussicht stellt, aber doch viel enger mit den Kandidaten zusammenarbeiten will. Die EU stehe "Schulter an Schulter" mit ihren Partnern auf dem westlichen Balkan, sagte Ratspräsident Charles Michel, nachdem die EU 3,3 Milliarden an Unterstützung versprochen hatte. Doch reicht das?

Dass China die Viruskrise bereits weitgehend hinter sich hat und sich in großen Schritten wirtschaftlich erholt, während Europa noch mitten drinsteckt, macht die politischen Machtverhältnisse nicht einfacher. Dass sich noch mehr Länder von China helfen lassen werden, weil Brüssel das alles gar nicht allein stemmen kann, ist wahrscheinlich. Die Übernahme des griechischen Hafens in Piräus - heute einer der wichtigsten Brückenpfeiler von Chinas Neuer Seidenstraße - war ja auch ein direktes Resultat der Finanzkrise 2008/2009. Brüssel hatte Athen gezwungen zu privatisieren, aber kein europäisches Unternehmen wollte den Hafen übernehmen. Dann kamen die Chinesen. Zwischen 2009 und 2015 haben sich die chinesischen Investitionen in Europa verzehnfacht.

Griechenland Piraeus Hafen
Heute modern und effizient - der Hafen von Piräus, zu zwei Dritteln im Besitz der chinesischen Reederei COSCOBild: picture-alliance/Photoshot/W. Lu

Ein Balanceakt für Angela Merkel

Das Problem für Merkel in diesem Herbst: Länder, die auf chinesisches Geld angewiesen sind, lassen sich viel schwieriger auf eine gemeinsame EU-Linie bringen, wenn es darum geht, legitime europäische Interessen gegenüber China durchzusetzen. Immerhin: Ein chinesischer Kaufrausch wie nach der Finanzkrise bleibt unwahrscheinlich. Bis auf weiteres machen die Grenzschließungen Investitionsgeschäfte, aber auch den Transport von Gütern und Personen zur Herausforderung. Für Peking sind Investitionen ins Ausland derzeit zu Hause auch schwierig zu verkaufen. Die Wiederherstellung der heimischen Wirtschaft und die Sicherung von Arbeitsplätzen hat für Peking erst einmal Priorität. Hinzu kommt, dass Europa die Konditionen für Investitionen in den vergangenen zwei Jahren verschärft hat: Chinesische Unternehmen müssen ein strenges Screening durchlaufen, bevor sie etwa in kritische Technologiebereiche investieren können.

Das zeigt sich auch an den Zahlen: Chinas Direktinvestitionen in den 28 EU-Ländern sanken 2019 um 33 Prozent auf nur noch zwölf Milliarden Euro. Nach dem Höchststand im Jahr 2016 der dritte Rückgang in Folge. Anderseits ist nun der schnelle Zugang zum chinesischen Markt überlebenswichtig für viele Unternehmen. Denn es muss nach der Krise wieder zügig bergauf gehen. Kein günstiger Zeitpunkt also, um sich mit Peking anzulegen - was auch immer während der Krise schiefgelaufen sein mag. Klar ist schon jetzt: Für Merkel wird dieser Balanceakt während des EU-China-Gipfels eine der größten Herausforderungen ihrer langen politischen Karriere. Es werden Weichen für die Zukunft gestellt werden, die vermutlich weit über ihre aktive politische Karriere hinausreichen werden - wenn sie denn nicht doch noch mal verlängert.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über zwanzig Jahren in Peking.