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Sierens China: Ente in Öl

Frank Sieren12. Dezember 2014

Die fallenden Ölpreise sind für Peking ein doppelter Segen. Sich auf dem Import auszuruhen, wäre jedoch fatal, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Chinesische Ölplattform im Südchinesischen Meer (Foto:Xinhua, Jin Liangkuai)
Bild: AP

Die Ölförderstaaten der OPEC haben Ende November entgegen ihrer Tradition die Öl-Förderung nicht gedrosselt. Sie haben wohl erkannt, dass sie unter den derzeitigen Bedingungen schlechte Karten hätten, höhere Preise durchzusetzen. Neben schwächelnder Nachfrage weltweit – zuletzt wegen der weltweiten Finanzkrise und schlechten Konjunkturnachrichten – sind auch neue Ideen für die Ölförderung entstanden. Ein Grund für den Preisverfall ist ein neuer amerikanischer Wettbewerber. Dank eines neuen Förderverfahrens, des sogenannten Frackings, können die Amerikaner im eigenen Land in Schiefergesteinen nun Vorkommen freisetzen, an die man bisher nicht herankam. Seitdem ist die Nachfrage nach Öl auf dem Weltmarkt seitens der USA, dem bisher größten Ölverbraucher der Welt, stark eingebrochen.

So herrscht ein Überangebot von knapp einer Million Barrel pro Tag: Im Sommer kostete ein Barrel der Sorte Brent noch 115 US-Dollar, derzeit sind es nur noch knapp 64 Dollar. Das ist der niedrigste Stand seit fünf Jahren. Große Gewinner dieser Entwicklung sind nicht nur die Besitzer einer Ölheizung, sondern vor allem China. Hinter den USA ist die Volksrepublik der weltweit zweitgrößte Verbraucher von Rohöl. Im vergangenen Jahr gingen zwölf Prozent der globalen Fördermenge nach China. Das entsprach etwa 60 Prozent des chinesischen Ölverbrauchs. Den Preisverfall nutzt Peking nun, um die eigenen Lager weiter aufzufüllen. Regelrechte Hamsterkäufe hat die Regierung in Peking vorgenommen. Das Land hat seine Erdöl-Importe in den ersten neun Monaten des aktuellen Jahres um 8,3 Prozent gesteigert. Mittlerweile lagern in China knapp 300 Millionen Tonnen des schwarzen Goldes. Soviel, dass China bis zu einem Monat ohne Ölimporte auskommen könnte. Bis 2020 wollen die Chinesen ihre Vorräte auf die Importmenge von 100 Tagen auffüllen.

Schiefergas-Förderung auch in China?

In vier Lagern wurden mittlerweile 91 Millionen Barrel deponiert. In einer weiteren Phase sollen zusätzlich sieben Lager mit einer Gesamtkapazität von 191 Millionen Barrel aufgebaut werden. Und nach Schätzungen von Experten könnte China ab dem kommenden Jahr deshalb sogar 700.000 Barrel pro Tag importieren. Allerdings will sich Peking auch nicht auf Dauer auf die sinkenden Preise verlassen und experimentiert, ähnlich wie die USA, mit der Schiefergas-Förderung. Gute Voraussetzungen hat das Land: Nirgends sonst auf der Welt werden so viele Gas- und Ölreserven in Schiefergesteinen vermutet wie in China. Ein Problem gibt es allerdings noch: Das Schiefergestein in China liegt tektonisch ungünstig. Außerdem wird für Fracking extrem viel Wasser benötigt, um den Rohstoff aus dem Gestein zu pressen. Doch das Wasser ist knapp in China. Die Wasserressourcen, die da sind, reichen noch nicht einmal für die Landwirtschaft, geschweige denn um Gestein zu spalten und dafür kostbares Wasser zu verschwenden.

DW-Kolumnist Frank Sieren (Foto: Frank Sieren/DW)
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Die Technologie, um Schieferplatten Wasser sparend zu knacken, ist jedoch auch hier noch nicht entwickelt. Es wäre allerdings eine gute Idee für Peking, an der Entwicklung solch einer Methode zu arbeiten. Die USA werden zukünftig durch Fracking allmählich zu Selbstversorgern, wenn es um Öl geht. Ihre Nachfrage nach Öl sinkt. China ist davon noch weit entfernt. Pekings derzeitiger Weg, auf Ölimporte zu setzen, ist ein riskantes Spiel. Denn die Preise werden nicht ewig so niedrig bleiben. Es ist allerdings ziemlich verführerisch, wenn man sich die aktuelle Situation anschaut. China kämpft mit den niedrigsten Wachstumszahlen seit mehr als einem Jahrzehnt. In der Vergangenheit lagen sie im zweistelligen Bereich. In diesem Jahr wird Chinas Wirtschaft gerade noch knapp über sieben Prozent wachsen.

Niedrige Ausgaben trotz steigender Importe

Die niedrigen Preise für Öl bedeuten für China jetzt, dass es bei steigenden Importen trotzdem weniger ausgibt: 30 Milliarden US-Dollar würde Peking sparen, wenn es im nächsten Jahr dieselbe Menge an Öl importiert wie dieses Jahr. Und wenn die Preise weiter fallen, bleibt am Ende sogar noch mehr übrig. Das hebt die Exportüberschüsse, und das jährliche Wirtschaftswachstum kommt den Vorjahreszahlen etwas näher. China kann also seine Reserven füllen und verdient dabei auch noch Geld. Und die OPEC-Länder freuen sich, da China damit wiederum den Ölpreis stabilisiert.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.