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Shaolin-Abt in Bedrängnis

Christoph Ricking6. August 2015

Es geht um viel Geld - und Sex. Ein Informant erhebt schwere Vorwürfe gegen den Abt des weltberühmten Shaolin-Klosters. Gerüchte über seine Ausschweifungen kursierten schon länger. Doch jetzt ermitteln die Behörden.

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China Mönch Shi Yongxin von den Shaolin Tempeln - Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/H. Tong

Siddharta Gautama war einst reich. Bevor sich der spätere Buddha vor rund 2500 Jahren auf den Weg zur Erleuchtung machte, lebte er im Palast seines Vaters in Saus und Braus. Doch das erfüllte ihn nicht und so ließ Siddhartha sein altes Leben hinter sich. Er erkannte, dass Begierden - etwa nach Liebe oder Geld - die Ursachen für Leiden sind und entsagte schließlich den weltlichen Genüssen. Nach der Überlieferung erreichte er unter einem Baum sitzend schließlich das Bodhi, das volle Erwachen, und begründete eine Weltreligion.

Anonyme Anschuldigungen

Nach der Lehre des Buddhas ist Gier eines der Geistesgifte. Doch mit dieser Lehre nimmt es Shi Yongxin offenbar nicht so genau, der derzeitige Abt des für seine Kung-Fu-Kunst weltberühmten Shaolin-Klosters in der chinesischen Provinz Henan - zumindest wenn die Anschuldigungen stimmen, über die chinesische Medien seit gut einer Woche nahezu täglich berichten. Shi sei ein Schürzenjäger, er habe Kinder mit mindestens zwei Frauen gezeugt - trotz Zölibat.

Und damit nicht genug: Der Abt habe mehrere Identitäten und soll zudem Millionenbeträge unterschlagen haben und sie an eine seiner Liebschaften ins Ausland überwiesen haben. In den 1980er Jahren, bevor er Chef des Klosters wurde, habe er eine Nonne vergewaltigt. Mit der Leiterin des Nonnenklosters soll er zusammenleben und mit ihr eine sechsjährige Tochter haben.

Shaolin Tempeln in Henan - Foto: China Photos
Shaolin-Tempel in Henan: Touristenattraktion und weltberühmte MarkeBild: Getty Images/China Photos

Die Anschuldigungen erhebt ein anonymer Informant, der nach eigenen Angaben ein ehemaliger Mönch ist. "Wir wollen die Welt da draußen wissen lassen, dass der Abt des Shaolin-Klosters den Buddhismus nur als Tarnung nutzt", schreibt der Mann, der sich selbst als Shi Zhengyi - auf deutsch etwa: Kämpfer für Gerechtigkeit. In dem Dokument, aus dem die New York Times zitiert, heißt es weiter, der Shaolin-Chef sei "ein notorischer Aufreißer und ein korrupter 'Tiger', der schamlos das Vermögen des Klosters ausbeutet und dessen Reputation trübt."

Ausschweifender Lebensstil

Shi Yongxin übernahm Ende der 1990er Jahre die Leitung des Klosters. Er machte Shaolin zu einer weltberühmten Marke und sich selbst eine Menge Feinde. Das 1500 Jahre alte Kloster verwandelte er in eine völlig durchkommerzialisierte Firma. Der Tempel ist heute eine Touristenattraktion. Weltweit gehen die Mönche mit ihren Kung-Fu-Shows auf Tournee. Wenn irgendwo auf der Welt die Marke Shaolin verwendet wird, klingelt im Tempel die Kasse. In Australien soll eine Filiale des Klosters entstehen mit Luxushotel, Golfplatz und Kung-Fu-Schule. Kosten: Knapp 300 Millionen US-Dollar.

Shi Yongxin plante sogar, das Unternehmen Shaolin an die Börse zu bringen, legte die Pläne nach heftigem Protest jedoch auf Eis. Sein kommerzielles Denken machte den Abt in China von Jahr zu Jahr umstrittener und unbeliebter. Der "Mönch CEO" wie er von seinen Kritikern genannt wird, verteidigte seinen Kurs stets mit dem Argument, den Buddhismus auf diese Weise weltweit vermitteln zu können.

Gerüchte über seinen ausschweifenden Lebensstil kursieren schon seit langem. Chinesische Medien berichteten über angebliche Bordellbesuche, über goldbestickte Roben (laut Shi ein Geschenk) und über die Vorliebe des Abts für Auslandsreisen und teure Apple-Produkte. Doch Shi Yongxin konnte all das bislang nichts anhaben. "Wenn all diese Dinge ein Problem wären, wären sie mittlerweile zum Problem geworden", sagte er mit buddhistischer Gelassenheit in einem BBC-Interview im vergangenen Jahr.

Junge Shaolin-Mönche bei Kung-Fu-Vorführung - Foto: STR (AFP)
Junge Sholin-Mönche bei Kung-Fu--Vorführung: Mit spektakulären Shows weltweit auf TourneeBild: Getty Images/AFP

Dass der "Mönch CEO" bislang keine Probleme bekam, liegt vermutlich an seinen mächtigen Freunden in der Kommunistischen Partei. Er war Delegierter des Nationalen Volkskongresses, ist Mitglied des Chinesischen Nationalen Jugendverbandes, sowie Vorsitzender der Buddhistischen Vereinigung der Provinz Henan.

Kein Schutz mehr durch die Partei

Doch offenbar haben Shi Yongxins mächtige Parteifreunde sich von ihm abgewandt. Die Nationale Behörde für religiöse Angelegenheiten hat Ermittlungen gegen den Shaolin-Chef wegen Unterschlagung und sexueller Beziehungen eingeleitet. Der Ruf des Buddhismus sei in Gefahr, teilte die Behörde mit. "Unser Büro nimmt das extrem ernst, wird rasch aufklären und ein korrektes Verständnis der Sache sicherstellen." Chinesische Medien spekulieren, dass die Tage Shi Yongxins an der Spitze des Klosters gezählt sind.

Der Shaolin-Tempel teilte auf seiner Webseite mit, bei den Beschuldigungen handele es sich um "unwahre Gerüchte" und kündigte rechtliche Schritte an. Shi Yongxin selbst trat seit Beginn der Vorwürfe nicht mehr in der Öffentlichkeit auf. Einen Besuch in Thailand sagte er wegen "unvorhergesehener offizieller Pflichten" ab. "Rechtliche Mittel sind der einzige Weg die Wahrheit herauszufinden, dem Shaolin-Tempel seine Unschuld wiederzugeben und Gerechtigkeit im buddhistischen Kreis walten zu lassen", zitiert die China Daily den obersten Mönch. "Ich sorge mich nicht um mich selbst."