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Sexismus in der Suchmaschine

Friedel Taube2. November 2013

Wer bei Google etwas eintippt, bekommt automatisch Ergänzungen zur Suche vorgeschlagen. Einige dieser Ergänzungen sind beleidigend und diffamierend - auch gegen Frauen. UN Women geht jetzt dagegen mit Plakaten vor.

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Google Suche "Women should..." - Foto: Marko Langer (DW)
Bild: google.com

Welche Gedanken und Meinungen haben viele Menschen in Sachen Gleichberechtigung? Google weiß es! Und jeder Internetnutzer kann es herausfinden. Wer nur die beiden Wörter "women should" (zu deutsch: "Frauen sollten") bei der Internetsuchmaschine eintippt, kann von Googles Autovervollständigungsfunktion Erstaunliches vorgeschlagen bekommen: "Women should" … "not work", "not preach" oder gar "know their place" und "stay at home" - Frauen sollten "nicht arbeiten", "nicht beten", "ihren Platz kennen" und "zu Hause bleiben". Ähnliches geschieht bei der US-Version der Suchmaschine von Google-Konkurrent Yahoo.

Die Vorschläge der Autovervollständigungsfunktion erstellen die Suchmaschinen automatisch - teilte Google Deutschland auf Anfrage der Deutschen Welle mit: "Die Begriffe werden automatisch erstellt und basieren auf einer Vielzahl von Faktoren, unter anderem der Beliebtheit bestimmter Suchbegriffe im Internet."

Ähnlich funktioniert dies bei Yahoo: "Hinter all den Suchergebnissen liegen mathematische Funktionsweisen, sogenannte Algorithmen, die ganz automatisch die Ergebnisse bereitstellen und aus deren Erkenntnissen auch die Autocomplete-Vorschläge generiert werden," so der Geschäftsführer von Yahoo-Deutschland, Heiko Genzlinger.

Wolfgang Sander-Beuermann ist deutscher Spezialist für Suchmaschinen und Mitbegründer der Suchmaschine Metager. Er erläutert die Technik, die dahinter steckt, an einem Beispiel: "Wenn einer 'Angela Merkel' eingibt und der nächste 'Angela Merkel ist verblödet', dann bekommt der Dritte zu Angela Merkel automatisch 'verblödet' angeboten". Die Vorschläge der Suchmaschine spiegeln also wider, wonach die Masse der User sucht, aber auch zu einem gewissen Maße, was die Masse denkt.

Suchmaschine als Spiegel der Usermeinung

Frau, deren Mund vom Google-Suchbalken mit sexistischen Suchbegriffen verdeckt ist; UN Women Anzeigenkampagne gegen Sexisums von Autocomplete-Funktionen bei Suchmaschinen - Foto: Memac Ogilvy & Mather Dubai
Plakat von UN Women: "Wir wollten aufrütteln"Bild: UN Women

Die Vorschläge, die Google in der englischen Version zu "women should" und vergleichbaren Suchen wie "girls should" oder "women shouldn't" ausspuckt, empfindet UN Women, die Frauenrechtsorganisation der Vereinten Nationen, als sexistisch. Deshalb hat UN Women eine Plakataktion gestartet. Zu sehen sind Frauen, deren Münder vom Google-Suchbalken mit den besagten Suchbegriffen verdeckt sind - die sexistischen Ergänzungen rauben den Frauen förmlich die Sprache.

"Durch Suchmaschinen sieht man, wie viel Sexismus gegen Frauen noch vorherrscht. Wir waren erstaunt und schockiert über die Ergebnisse dieser Autocomplete-Funktion", sagt Nanette Braun von UN Women. "Die Idee war dieses Schockelement in den Anzeigen darzustellen."

Seitdem die Anzeigen Ende Oktober online gingen, sind sie bereits mehrere Millionen Mal in sozialen Netzwerken geteilt worden. Bei Google gehörte "women should" zeitweise zu den am häufigsten in den USA gesuchten Begriffen. Offenbar wollten viele Internetnutzer testen, ob die Behauptung von UN Women stimmt. "Daran sehen Sie, wie sehr diese Anzeigenkampagne gewirkt hat", sagt Braun, "wir wollten aufrütteln und ich denke, das hat diese Kampagne auch getan".

Kontrollieren oder Abschalten

Wolfgang Sander-Beuermann sieht Google in der Verantwortung. Denn er weiß: Der Internetriese hätte die Möglichkeit, gegen solche Ergänzungen vorzugehen. "Das muss sich einer angucken, und alles Sexistische, Beleidigende, Kriminelle muss händisch gelöscht werden." Nach Angaben von Yahoo-Deutschland-Geschäftsführer Genzlinger wird das auch getan: "Wenn wir solche automatisch generierten Suchvorschläge entdecken, die unpassend sind, haben wir die Möglichkeit, diese manuell zu löschen."

Als Alternative können Suchmaschinenanbieter die Autocomplete-Funktion auch komplett abschalten, gibt Experte Sander-Beuermann zu bedenken. Zu diesem Schritt hatte sich sein Team bei der Suchmaschine Metager entschieden. Die verfügte anfangs auch über eine Autovervollständigen-Funktion. Als man aber sah, welche beleidigenden Ergänzungen automatisch generiert wurden, schaltete man die Funktion ab. Auch die Suchmaschine Ixquick bietet keine Suchvorschläge an. Interessant auch: In der deutschen Version von Google werden bei der Suche nach "Frauen sollten" überhaupt keine Ergänzungen vorgeschlagen.

Wolfgang Sander-Beuermann - Foto: Karlheinz Schindler (dpa)
Wolfgang Sander-Beuermann: "Autocomplete-Funktion komplett abschalten"Bild: picture-alliance/dpa

Die Autovervollständigungsfunktion kann sogar verleumdend wirken: "Was aus den Nutzereingaben produziert wird, lenkt ja erst den Gedanken der nächsten, ob diese wollen oder nicht", sagt Sander-Beuermann. So würden durch die Vorschläge erst Gerüchte verbreitet. Ein Beispiel: Bettina Wulff, getrennt lebende Ehefrau von Ex-Bundespräsident Christian Wulff, war gegen Google vorgegangen, um einschlägige Begriffe aus der Suchmaschine löschen zu lassen, die Gerüchte um ihre Vergangenheit betrafen. Im Fall Wulff hatte Google zwar bereits im November 2012 acht Begriffe gelöscht, ein Urteil im Verfahren steht aber noch aus, da Wulffs Anwälte auf die Löschung weiterer Begriffe bestehen.

Im Mai 2013 urteilte der deutsche Bundesgerichtshof im Falle eines deutschen Unternehmers, der seine Persönlichkeitsrechte durch diffamierende Ergänzungsvorschläge verletzt sah, dass Google diese zu löschen habe. Das könnte auch bei Bettina Wulff geschehen.

UN: Keine Klage gegen Google

Gegen die Betreiber der Suchmaschinen richtet sich die Plakataktion von UN Women indes ausdrücklich nicht. Auch hat bei der Organisation niemand vor, Google oder Yahoo wegen der Autocomplete-Funktion zu verklagen. "Das sind ja Funktionen, mit denen das Leben für viele erleichtert wird", sagt Nanette Braun: "Man hat das Netz, hat direkt eine Reihe von Vorschlägen - das macht ja die Suche im Netz schneller". Vielmehr wolle man diejenigen erreichen, die für die Entstehung solcher Suchvorschläge verantwortlich sind: nämlich die breite Masse der Suchmaschinennutzer.