"Schutzbrief" gegen Genitalverstümmelung
5. Februar 2021Nach Angaben der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung könnte die Zahl der Mädchen und Frauen, deren äußere Geschlechtsorgane beschädigt werden, von 4,1 Millionen im Jahr 2020 auf 4,6 Millionen im Jahr 2030 ansteigen. Die Stiftung beruft sich dabei auf Daten des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen. Demnach sind mehr als 200 Millionen Frauen von Genitalverstümmelung betroffen.
Der Stiftung zufolge verschärft die Corona-Pandemie das Problem. Erfahrungsberichte aus Ostafrika belegten, dass Lockdown und Schulschließungen dazu führten, dass viele Mädchen zu Hause blieben und der Genitalverstümmelung ausgesetzt waren.
Die deutsche Bundesregierung will ihren Kampf gegen diese menschenverachtende Praxis durch Aufklärung verstärken. Zum Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung an diesem Samstag stellte sie in Berlin einen "Schutzbrief" für Frauen und Mädchen vor, der darüber informiert, dass der Eingriff in Deutschland strafbar ist, auch wenn er im Ausland vorgenommen wird. Das von mehreren Bundesministern unterzeichnete Dokument sei eine "klare Ansage", sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey vor Journalisten in Berlin.
"Extrem wichtiges Dokument"
Der "Schutzbrief" im Format eines Reisepasses weist auch darauf hin, dass die Teilnahme an einer solchen Tat in Deutschland aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben kann. Zudem wird auf die physischen und psychischen Folgen für die Betroffenen hingewiesen sowie auf verschiedene Hilfsangebote. Mädchen, denen eine Beschneidung droht, sollen den "Schutzbrief" bei sich tragen, insbesondere bei Reisen in ihre Herkunftsländer.
Die Vorsitzende Vereins Lessan e.V, Gwladys Awo, lobte den "Schutzbrief": Ein solches Dokument sei "extrem wichtig", da gefährdete Mädchen oder deren Eltern damit ihren Verwandten beweisen könnten, dass die oftmals mit Traditionen begründete Praxis in Deutschland verboten und strafbar ist. "Viele Mädchen brauchen das, viele Mütter brauchen das", sagte Awo.
Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums leben in Deutschland rund 68.000 Frauen, deren äußere Genitalien verstümmelt wurden. Tausende Mädchen gelten als gefährdet. Zu den kurzfristigen Folgen gehören heftige Schmerzen, starker Blutverlust, Infektionen und Tod. Viele Betroffene leiden lebenslang unter Traumata, psychischen Problemen, Einschränkungen des sexuellen Empfindens, Unfruchtbarkeit und Komplikationen bei Geburten. Zudem haben sie ein erhöhtes Risiko für Totgeburten.
uh/qu (afp, dpa, epd)