1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schneller in die Schengen-Staaten

Christian Ignatzi1. April 2014

Die Europäische Kommission plant eine leichtere Visa-Beantragung für Nicht-EU-Bürger. Die soll vor allem Touristen und Geschäftsleute anlocken. Deutsche Politiker reagieren gemischt.

https://p.dw.com/p/1BZmr
Symbolbild Antrag Schengen Visum Europa EU (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Cecilia Malmström lächelt zufrieden. "Es ist höchste Zeit, dass sich etwas ändert", sagt die EU-Innenkommissarin, als sie am Dienstag (01.04.2014) in Brüssel Pläne für vereinfachte Visumsvorschriften für die Einreise in die Schengen-Staaten vorstellt. Die geplante Reform sieht einiges vor: Etwa eine Verkürzung der Frist, in der die Behörden über ein Visum entscheiden müssen, von 15 auf zehn Tage. Regelmäßig Reisende sollen Mehrfach-Visa für drei Jahre erhalten. Die Anträge sollen künftig auch online möglich sein.

Eine weitere Neuerung sieht vor, dass Grenzposten in Zukunft Kurzzeit-Visa vergeben dürfen. Laut Artikel 33 des Gesetzentwurfs soll das den Tourismus fördern. Vor allem dieser Punkt aber stößt der Europapolitikern Monika Hohlmeier von der konservativen EVP-Fraktion sauer auf: "Visaschnellverfahren an der Grenze sind sehr anfällig für Betrugsversuche", sagte sie der DW. "Normalerweise dauert eine Prüfung der wichtigsten Daten bei einem Visumsantrag drei Tage." Hohlmeier glaubt, dass die Regelung nicht den Tourismus, sondern die Kriminalität fördern würde. "Ab dem Zeitpunkt, ab dem jemand in den Schengen-Raum eintritt, stehen ihm Tür und Tor offen." Schon heute gebe es zu viele sogenannte Overstayer, die länger in der EU bleiben, als sie es dürfen. Vereinfachungen in den Visa-Regelungen würden das fördern.

Schengengrenze Bulgarien - Türkei (Foto: dpa)
An den Grenzen der Europäischen Union sollen bald Visa-Schnellverfahren möglich seinBild: picture-alliance/dpa

Grüne finden Neuerungen positiv

Ska Keller sieht das anders: "Die Visa-Erleichterungen betreffen doch vor allem Geschäftsreisende und Touristen", sagte die Grünen-Europapolitikerin im Gespräch mit der DW. Im Gegensatz zu Hohlmeier ist sie zufrieden mit dem Gesetzentwurf: "Das sind sehr gute Vorschläge, auf die wir schon lange gewartet haben." Positiv sollen sich die Änderungen vor allem auf die Wirtschaft auswirken. Dass das so kommen kann, glaubt auch Kritikerin Hohlmeier: "Grundsätzlich ist eine europaweit transparente und zügige Visabearbeitung für die Wirtschaft positiv", sagt sie. Die EU-Behörde rechnet mit rund 130 Milliarden Euro Mehreinnahmen für Hotels, Restaurants und Geschäfte. 1,3 Millionen neue Jobs soll es in der Tourismusbranche geben.

Porträt Ska Keller Bündnis 90/Die Grünen 2008 (Foto: dpa)
Ska Keller: "Wichtig ist vor allem, dass die Neuerungen den Menschen etwas bringen"Bild: picture-alliance/dpa

"Wichtig ist aus unserer Sicht vor allem, dass die Neuerungen den Menschen etwas bringen, die in die EU einreisen wollen und bislang hohe Hürden zu überqueren hatten", sagt Grünen-Politikerin Keller. Das tut etwa ein geplantes Rundreise-Visum, mit dem sich ein Reisender ein Jahr lang im Schengen-Raum aufhalten darf, wobei er in einem Staat maximal 90 Tage innerhalb eines halben Jahres bleiben darf. "Aber auch die zwingende Auslandskrankenversicherung, die Nicht-EU-Mitglieder bislang brauchen, ist ein großer Aufwand, der nun abgeschafft werden soll", freut sich Keller. Ein Aufwand, der vielen Reisenden bislang noch zu groß ist, wie Kommissarin Cecilia Malmström anhand von Zahlen belegt: "17 Millionen Menschen stellten im vergangenen Jahr einen Antrag auf ein Visum für die EU", sagte sie. "Mehr als sechseinhalb Millionen Menschen haben aber wegen der Visumverfahren auf eine Reise nach Europa verzichtet". Die Kommission, sagte Malmström, erwarte sich von den Vereinfachungen einen "Aufschwung, indem wir es einfacher machen, nach Europa zu reisen."

Symbolbild Familie Koffer Reise Auswanderer Immigranten (Foto: Fotolia)
Touristen aus Nicht-EU-Ländern sollen es künftig bei der Einreise leichter habenBild: Fotolia/Peter Atkins

Kritik: Freiheit auf Kosten der Sicherheit

Für Ska Keller sind die Neuerungen längst überfällig: "Das Visaverfahren jetzt ist viel zu aufwändig und eine große Herausforderung für Menschen, die hier Urlaub machen oder jemanden besuchen wollen. Jeder Schritt, der das erleichtert, ist sehr willkommen." Gelten würden die neuen Regelungen für die 22 EU-Staaten, die die Schengen-Politik bei Visa voll anwenden. Großbritannien wäre damit außen vor. Seit 1985 haben die Schengen-Staaten nach und nach die Schlagbäume an ihren Grenzen abgeschafft. Am 14. Juni 1985 vereinbarten die Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, Deutschland und Frankreich in der Nähe der luxemburgischen Gemeinde Schengen als erste fünf EU-Staaten, auf Grenzkontrollen perspektivisch zu verzichten. Mittlerweile gehören mit Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz auch Nicht-EU-Staaten zum Schengen-Raum. Nicht-EU-Bürger müssen bei Reisen in den Schengen-Raum derzeit noch häufig mit langen, aufwändigen und teuren Verfahren für ein Visum rechnen. Diese Pflicht entfällt für Bürger einiger Staaten, zu denen unter anderem die USA, Kanada, Brasilien, Argentinien und Australien zählen. Für sie gilt derzeit die Regel, in einem Zeitraum von 180 Tagen 90 Tage ohne Visum in den Schengen-Staaten reisen zu können.

Monika Hohlmeier (Foto: dpa)
Monika Hohlmeier: "Tourismusförderung auf Kosten unserer Sicherheit - das kann nicht sein."Bild: picture-alliance/dpa

Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen nun über die Neuregelungen entscheiden. Dieser Prozess wird im Herbst, nach den Europawahlen, beginnen. Die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier glaubt nicht, dass der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form durchgeht: "Vor allem den Artikel 33 werden die Mitgliedsstaaten niemals durchwinken können", sagt sie. Ihr fehlt das Gleichgewicht in den Forderungen der Kommission. "Neben der Visa-Erleichterung sollte auch ein elektronisches Reisegenehmigungssystem, wie das Esta-System in den USA, und das System 'Smart Borders' mit einem Ein- und Ausreiseregister kommen", sagt Hohlmeier. Das Programm "Smart Borders", das automatisch erfasst, wer wann ein Land betritt und wieder verlässt, lasse aber noch mindestens fünf Jahre auf sich warten. "Angebliche Tourismusförderung auf Kosten unserer Sicherheit - das kann nicht sein", sagt Hohlmeier.