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Scharon weiter in kritischem Zustand

6. Januar 2006

Der israelische Ministerpräsident ist nach erneuten Hirnblutungen zum dritten Mal operiert worden. Ariel Scharons Zustand ist nach Aussagen der Ärzte weiter ernst, aber stabil.

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Ein orthodoxer Jude betet an der Klagemauer für den RegierungschefBild: AP

Im Vergleich zu vorherigen Untersuchungen habe es eine "bedeutende Verbesserung" gegeben, sagte am Freitag (6.1.2006) der Leiter der Hadassah-Klinik in Jerusalem, Schlomo Mor Jossef, nach einer weiteren Computertomographie. Die Hirnblutung habe aufgehört. Der Schädeldruck sei wieder normal.

Stundenlange Operationen

Scharon war am Freitag (6.1.2006) wieder in den Operationssaal gebracht worden, nachdem bei einer vorherigen Computertomographie neue Blutungen im Gehirn festgestellt worden waren. Scharon hatte am Mittwochabend einen schweren Schlaganfall erlitten und war bereits zwei Mal mehrere Stunden lang operiert worden. Seitdem befindet er sich in einem künstlichen Koma. Es war Scharons zweiter Schlaganfall binnen drei Wochen.

Nach Einschätzung von Mitarbeitern und Parteifreunden wird Scharon vermutlich nicht wieder in die Politik zurückkehren können. Ein enger Vertrauter des Regierungschefs sagte am Donnerstag, der schwere Schlaganfall am Mittwochabend habe "beträchtliche Hirnschäden" hinterlassen. Ähnlich äußerte sich auch ein Mitarbeiter des Hadassah-Krankenhauses, in dem der 77-Jährige behandelt wird.

Folgen unabsehbar

Der zuständige Arzt Mor Jussef sagte dagegen, zurzeit könne er keine Prognose darüber abgeben, welche "kognitiven oder motorischen Folgen" der Schlaganfall haben werde. Der Patient werde noch 48 bis 72 Stunden im Koma gehalten, bevor die Ärzte ihn "schrittweise und kontrolliert" wieder wecken könnten. Erst anschließend sei abzusehen, wie stark sich die Hirnblutungen bei Scharon ausgewirkt hätten. Betroffen sei die rechte Hirnhälfte. Der argentinische Arzt Felix Umansky, der das Operationsteam geleitet hatte, sagte einem spanischen Rundfunksender, es könne bis zu einer Woche dauern, bevor die Schäden abzuschätzen seien.

Zukunft Israels?

Die schwere Erkrankung des Ministerpräsidenten wirft für Israels Zukunft Fragen auf. Die Regierungsgeschäfte wurden vorläufig von Vize-Regierungschef Ehud Olmert übernommen. Für den 28. März stehen Neuwahlen an. In den bisherigen Umfragen hatte Scharons neu gegründete Partei Kadima (Vorwärts) mit großem Abstand vorne gelegen. Die Zeitung "Haaretz" und der Fernsehsender Channel 10 veröffentlichten am Donnerstag eine Umfrage, der zufolge die Kadima auch ohne Scharon Favoritin für die Parlamentswahl bleibt.

Schimon Perez als möglicher Nachfolger?

Die meisten Stimmen könnte Kadima demnach erringen, wenn sie von dem früheren Ministerpräsidenten Schimon Peres angeführt würde. In diesem Fall könnte sie mit 42 der 120 Sitze im Parlament rechnen. Mit dem Interims-Regierungschef Olmert an der Spitze könnte Kadima laut der Umfrage auf 40 Mandate hoffen. Mit der populären Justizministerin Tzippi Livni würde Kadima 38 Sitze erhalten, mit Verteidigungsminister Schaul Mofas als Zugpferd dagegen nur 26.

Steinbach: Chance für den Frieden

Nach Ansicht des Nahost-Experten Udo Steinbach muss Scharons Erkrankung nicht unbedingt ein Rückschlag für den Friedensprozess im Nahen Osten bedeuten. Scharon sei "in seiner Rolle für den Friedensprozess überschätzt worden", zitierte die in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" den Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg. Ein Ausscheiden Scharons aus der Politik könne vielmehr - wie der Tod des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat - auch eine Chance für den Friedensprozess darstellen. Er hoffe, dass die Palästinenser diese Chance nutzten "und das Chaos in den Palästinensergebieten sowie die Gewalt gegen Israel beenden". Ansonsten bestehe die Gefahr, "dass der rechtsgerichtete Benjamin Netanjahu aus den Wahlen gestärkt hervorgeht". In dem Fall stünde unter Umständen wieder eine Neubesetzung des Gazastreifens an, erklärte Steinbach. (mas)