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Sanader in Österreich festgenommen

10. Dezember 2010

Ivo Sanaders Flucht war kurz. Der ehemalige kroatische Ministerpräsident wurde auf der Autobahn zwischen Salzburg und Kärnten aufgegriffen. Wenige Stunden zuvor hatte das Parlament in Zagreb seine Immunität aufgehoben.

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Ministerpräsident Sanader erklärt am 1. Juli 2009 seinen Rücktritt (Archivfoto: AP)
Der Anfang vom Ende: Ministerpräsident Sanader trat am 1. Juli 2009 von allen Ämtern zurückBild: AP

Der frühere Reformator und Hoffnungsträger Kroatiens ist tief gefallen: Einst Ministerpräsident, Vorsitzender der HDZ-Regierungspartei und wichtigster Politiker des Landes, ist Ivo Sanader nun Angeklagter in mehreren großen Korruptionsfällen. Die österreichische Polizei nahm den 57-Jährigen am Freitag (10.12.2010) fest und überstellte ihn ins Landgericht Salzburg.

Sanader wurde mit internationalem Haftbefehl wegen Machtmissbrauchs und Korruption gesucht. Am Donnerstagnachmittag hatte das kroatische Parlament in Zagreb seine Immunität als Abgeordneter aufgehoben, ein Gericht ordnete gegen den früheren Spitzenpolitiker eine 30-tägige Untersuchungshaft an. Bevor der Haftbefehl ausgestellt werden konnte, war Sanader nach Slowenien und dann später nach Österreich ausgereist.

Mautstelle an einer neuen kroatischen Autobahn (Foto: Ognjen Alujevic)
Kroatische Autobahn: Kostenexplosion durch Korruption?Bild: Ognjen Alujevic

"Kopf einer verbrecherischen Organisation"

Kroatische Medien hatten bereits spekuliert, der Ex-Regierungschef könne sich in Österreich aufhalten. Sanader hatte dort studiert, bevor er in den 1990er Jahren in Kroatien seine politische Karriere begann. Er ist der erste kroatische Ministerpräsident, gegen den Korruptionsermittlungen eingeleitet werden. 2003 wurde Sanader zum Regierungschef gewählt und nach dem Sieg seiner Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) bei den Parlamentswahlen Ende 2007 für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Im Juli 2009 trat er unerwartet und ohne Angaben von Gründen zurück.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber im September 2005 mit dem kroatischen Ministerpräsidenten Ivo Sanader (Archivfoto: dpa)
Gemeinsam für die Übernahme der Hypo Alpe Adria: Regierungschefs Stoiber und SanaderBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Inzwischen wird Sanader für mehrere großangelegte Korruptionsfälle verantwortlich gemacht. Er bestreitet die Vorwürfe und spricht von einer politischen Kampagne gegen ihn, doch die kroatischen Medien sind sich in ihrem vernichtenden Urteil einig: "Sanader stand allem Anschein nach an der Spitze einer verbrecherischen Organisation", heißt es in der Zeitung "Jutarnji list" am Freitag in Zagreb. Das Abendblatt "Vecernji list" kommentiert: "Der große Europäer ist in Wirklichkeit nur ein rücksichtsloser Barbar". Und für die auflagenstarke Boulevardzeitung "24sata" steht nach der Flucht des Politikers fest: "Ein Feigling stand an der Spitze unserer Regierung."

Österreich als "sicherer Hafen"?

Die Ermittlungen gegen Sanader waren im Zuge einer Anti-Korruptionskampagne seiner Nachfolgerin, Ministerpräsidentin Jadranka Kosor, in Gang gebracht worden. Inzwischen sind bereits zahlreiche frühere Regierungsbedienstete und Geschäftsleute festgenommen worden. Kosor sorgte auch für Sanaders Ausschluss aus der Regierungspartei. Im Bemühen um eine EU-Mitgliedschaft hat die kroatische Regierung den Kampf gegen die Korruption verschärft. Das Land möchte 2012 in die Europäische Union aufgenommen werden.

Die Hypo Group Alpe Adria Bank in Klagenfurt (Foto: AP)
Ging 2007 an die WestLB: Die österreichische Hypo Group Alpe AdriaBild: AP

Bei den Untersuchungen der kroatischen Antikorruptionsbehörde USKOK ging es unter anderem auch um den Verkauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA) im Jahr 2007 an die BayernLB. Weil für den Deal die Zustimmung der kroatischen Nationalbank erforderlich war, soll Ministerpräsident Sanader erheblichen Druck auf Nationalbankchef Zeljko Rohatinski ausgeübt haben. Später waren immer wieder Berichte über Provisionszahlungen der Bank an Sanader aufgetaucht, was der jedoch stets bestritten hatte.

In Österreich erwartet Sanader jetzt ein Auslieferungsverfahren, das durch eine mögliche österreichische Staatsbürgerschaft erschwert werden könnte. Denn die kroatischen Medien spekulieren über einen österreichischen Pass Sanaders, den er während seines Studiums in Innsbruck Ende der 80er Jahre erhalten habe. Der ehemals starke Mann der kroatischen Politik hat nach wie vor enge Verbindungen zu zahlreichen österreichischen Spitzenpolitikern.

Autor: Rolf Breuch (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Ursula Kissel