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Rätseln um Ranges Auftritt

Mathias Bölinger4. August 2015

Der Generalbundesanwalt hat Vorwürfe wegen der Ermittlungen gegen zwei Journalisten zurückgewiesen. Er beschuldigt Minister Heiko Maas, in die Unabhängigkeit der Justiz einzugreifen - und löst damit Irritationen aus.

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Deutschland Generalbundesanwalt Harald Range
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kastl

Der Generalbundesanwalt kommt einen Flur entlang, zieht einen Zettel aus der Tasche und liest etwas holprig eine Erklärung ab, in der er schwere Vorwürfe gegen den Bundesjustizminister erhebt. Harald Range erklärt, er sei von Justizminister Heiko Maas (SPD) angewiesen worden, den Auftrag für ein Gutachten zur Causa Netzpolitik.org zurückzuziehen.

"Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz", sagt er. Dann nickt er den Journalisten noch einmal zu und geht weiter.

Der Auftritt Ranges am Dienstagmorgen ruft in der deutschen Politik Verwunderung hervor. Während aus dem Bundesjustizministerium zunächst keine Reaktion auf die Vorwürfe zu hören ist, verurteilen die Oppositionsparteien den Auftritt des Generalbundesanwalts scharf.

"Ungeheuerlicher Affront"

Linken-Parteichef Bernd Riexinger forderte Maas auf, den Generalbundesanwalt zu entlassen. "Mit diesem ungeheuerlichen Affront fordert Range seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand geradezu heraus, ist aber nicht Manns genug, diesen Schritt selbst zu tun", sagte er in Stuttgart.

Auch einen Untersuchungsausschuss bringt Riexinger ins Gespräch. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter nannte die Erklärung Ranges "haarsträubend". Ihr Parteikollege Konstantin von Notz kündigte an, den Rechts- und Innenausschuss des Bundestages zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenrufen zu wollen.

Der deutsche Journalisten-Verband fragt in einer Pressemitteilung, ob Range "paranoid oder nur unwissend" sei. Irritiert reagierte auch Markus Beckedahl, der Gründer des Portals netzpolitik.org, einer der beiden Journalisten, gegen die Range ermitteln ließ.

"Offenbar will niemand Verantwortung übernehmen", sagte er der DW. "Aber allen ist bewusst, dass dies einen massiven Skandal und Angriff auf die Pressefreiheit darstellt", sagte er.

Wollte Range seine Entlassung provozieren?

Dass sich Range auf die Unabhängigkeit der Justiz beruft, ist insofern überraschend, als er einen Posten bekleidet, der laut Gesetz gar nicht unabhängig ist. Der Generalbundesanwalt ist ein "politischer Beamter" und weisungsgebunden.

"Der Generalbundesanwalt befindet sich in Erfüllung seiner Aufgaben in fortdauernder Übereinstimmung mit den für ihn einschlägigen grundlegenden kriminalpolitischen Ansichten und Zielsetzungen der Regierung", heißt es auf der Webseite des Generabundesanwalts.

Die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin nennt den Auftritt Ranges in einem Radiointerview "höchst unüblich". Für sie sei klar, dass "der persönlich ja auch durchaus liebenswürdige Herr Range das gesagt hat, um seinen Rücktritt oder seine Entlassung zu provozieren."

Range hatte vor einigen Wochen Ermittlungen gegen das Portal netzpolitik.org eingeleitet, nachdem das Portal aus internen Dokumenten des Verfassungsschutzes zitiert hatte. Zuvor hatte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen Anzeige erstattet, laut eigener Darstellung gegen "unbekannt".

Wie aus der Anzeige gegen unbekannte eine Ermittlung wegen Landesverrats gegen die Journalisten und nicht etwa wegen Geheimnisverrats gegen unbekannt wurde, ist seitdem Gegenstand von widersprüchlichen Erklärungen und Spekulationen.

Range hatte sich mit dem Hinweis verteidigt, er habe ein Verfahren einleiten müssen, um ein Gutachten zu dem Fall einholen zu können. Justizminister Heiko Maas erklärte, er habe Range von dem Verfahren abgeraten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ging daraufhin auf Distanz zu Range.