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Ryanair: Gewinne auf Kosten der Piloten?

27. Mai 2015

Der irische Billigflieger zwingt Medienberichten zufolge seine Piloten zur Scheinselbständigkeit. Deutsche Behörden ermitteln nun wegen Sozialversicherungs- und Steuerbetrug.

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Symbolbild - Ryanair Flugzeug
Bild: picture-alliance/dpa/M. Scholz

Piloten, die für die irische Billigfluglinie Ryanair arbeiten, sind nach Angaben des Rechercheverbundes von Westdeutschem Rundfunk, Norddeutschem Rundfunk und der Süddeutschen Zeitung nicht unbedingt bei Ryanair angestellt, sondern müssen zum Teil als selbstständige Unternehmer fliegen. So spart das Unternehmen Steuern und Sozialabgaben. Die Piloten müssen sich selbst gegen Berufsunfähigkeit absichern und erhalten keine Betriebsrente.

In Dublin hat Ryanair zum Wochenauftakt seinen Gewinn vom abgelaufenen Geschäftsjahr verkündet: unter dem Strich 867 Millionen Euro und damit fast zwei Drittel mehr als im Vorjahr. Im laufenden Jahr soll der Überschuss noch weiter steigen: auf 940 bis 970 Millionen Euro. Das unschlagbar günstige Kostenniveau von Ryanair macht der Konkurrenz in Europa seit längerem zu Schaffen. Doch es basiert zum Teil auf zumindest zweifelhaften Vertragskonstruktionen, auf die sich Piloten einlassen, um für Ryanair fliegen zu können.

Irisches oder deutsches Recht?

So sind die Piloten aufgefordert worden, Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach irischem Recht zu gründen. Formal arbeiten die Piloten dann selbstständig für die Airline und sind Geschäftsführer ihrer eigenen Firma. Die existiert jedoch nur als Briefkasten in Irland. An Ryanair vermittelt werden die Piloten dann von einer Personalagentur namens Brookfield, die ihrem Internetauftritt zufolge auch für andere Airlines tätig ist.

Deutsche Staatsanwälte gehen davon aus, dass das für deutsche Piloten nicht gilt. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Koblenz sagte Medienberichten zufolge: "Aufgrund der entsprechenden Verordnungen der Europäischen Union unterliegt dieses Flugpersonal nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen dem deutschen und nicht dem britischen oder irischen Sozialversicherungsrecht". Vor allem gelte deutsches Recht, wenn die Piloten an deutschen Standorten der Fluglinie stationiert seien. Ryanair bestreitet das und beruft sich bei der Abwicklung seiner Verträge auf EU-Recht.

Schlechte Arbeitsbedingungen

Piloten, die für Ryanair selbstständig tätig waren, berichten von schlechten Arbeitsbedingungen. Nicht nur müsse man sich für den Fall der Berufsunfähigkeit selbst versichern, man wisse auch nicht, wie viele Flugstunden man jeden Monat bekäme, erklärten sie. Außerdem gebe es kein Ausfallhonorar im Krankheitsfall: "Man wird nur bezahlt, wenn man fliegt", sagt Erik Fengler, der früher für Rynair gearbeitet hat. "Man bekommt einen Dienstplan vorgegeben, und wenn man es aus irgendeinem Grund nicht schafft, einen Dienst wahrzunehmen, wenn man zum Beispiel krank ist, dann bekommt man diese Stunden auch nicht bezahlt. Deshalb überlegt man sich dreimal, ob man sich krank meldet oder nicht."

Einer Studie der Universität Gent zufolge fliegen rund 3.000 Piloten für Ryanair. Der Ryanair Pilots Group (RPG) zufolge, eine von der Airline nicht anerkannte Interessensvertretung, sind aber mehr als die Hälfte der Cockpit-Mitarbeiter nicht direkt bei Ryanair fest angestellt. Die Folgen der Ermittlungen in Deutschland könnten für Ryanair gravierend sein, auch jenseits des Imageschadens: In Frankreich wurde die Airline wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsabgaben im vergangenen Jahr zu einer Zahlung von mehr als acht Millionen Euro verurteilt.

wen/iw (NDR, SZ, ZeitOnline)