1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Rundum zufrieden mit dem Brexit-Deal

Barbara Wesel
18. Oktober 2019

Die Verhandlungen waren zäh, aber am Ende schienen die EU-Regierungschefs in Brüssel erleichtert über den vereinbarten Deal. Damit liegt der Ball wieder bei den Briten. Am Samstag muss noch das Parlament zustimmen.

https://p.dw.com/p/3RTme
Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel
Zufrieden mit dem Deal: Stephen Barclay (l.), Minister für den Austritt aus der EU, Boris Johnson, Großbritannien Premier, Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, und Michel Barnier, EU-Unterhändler Bild: picture-alliance/dpa/PA Wire/S. Rousseau

Einstimmig beschlossen die europäischen Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen das neue Abkommen mit Großbritannien. Es gab niemanden, der nicht zufrieden war, alle wollten das leidige Thema hinter sich bringen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wagte zum Schluss sogar noch einen Scherz. Was er denn jetzt den 48 Prozent der Briten sagen wolle, die gegen den Brexit gestimmt hätten, fragte ein britischer Reporter. "Ich würde ihnen sagen, dass sie Recht haben."  Für die EU aber scheint die Sache jetzt gelaufen.

Zwischen Zufriedenheit und Begeisterung

"Es ist ein Kompromiss, aber wir können ihn unterstützen", Angela Merkels Bewertung war von gewohnter Emotionslosigkeit. Jetzt solle man so schnell wie möglich über das künftige Verhältnis verhandeln. Dennoch schien auch sie erleichtert, das leidige Thema Brexit zunächst vom Tisch zu haben. Und sie lobte Verhandlungsführer Michel Barnier: "Das war hohe politische Kunst", er habe alle Regierungschefs immer einbezogen, das Parlament informiert – alle seien glücklich gewesen. Das Gerücht geht um, dass Barnier auch über das Handelsabkommen und die weiteren Deals mit den Briten verhandeln soll.

Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel
"Das war hohe politische Kunst", lobte Merkel die VerhandlungsführerBild: picture-alliance/dpa/AP/F. Augstein

Nur zum Thema Verlängerung ließ sich die Bundeskanzlerin nichts entlocken. Man vertraue auf das "alte und weise Parlament" in London und habe das Abkommen nicht geschlossen, damit es zurück gewiesen würde. Und wenn das doch geschehen sollte, würde Ratspräsident Donald Tusk darauf die richtige Antwort finden. Das war eine diskrete Zurückweisung von Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der zuvor in britischen Medien für Furore gesorgt hatte, als er eine weitere Verlängerung ausschloss. Tatsächlich ist er dafür nicht zuständig und es ist schwer vorstellbar, dass die Regierungschefs eine Bitte des Unterhauses nach Zeit für ein zweites Referendum abweisen würden.

Das allerdings würde nur mit Zähneknirschen vonstatten gehen. Das Abkommen wurde so einhellig begrüßt, dass man merkte, wie genervt die Europäer am Ende mit dem endlosen Brexit-Drama waren.  Der niederländische Premier Mark Rutte etwa sprach von einem "vernünftigen Kompromiss", der alles habe um das Parlament zu überzeugen. Über eine Niederlage wollte er dabei gar nicht nachdenken: "Wenn man sich gerade verliebt hat, überlegt man sich doch auch nicht, wie das Ende aussehen könnte." Verliebt in das Austrittsabkommen mit Großbritannien? Und Luxemburgs Premier Xavier Bettel, der im September mit Boris Johnson noch spektakulär zusammen gestoßen war, nannte den Deal eine Erleichterung für alle.

Irland ist zufrieden und erleichtert

Der irische Premier Leo Varadkar sah in der geduldigen Verhandlungsführung der EU zu seinen Gunsten eine Lektion für die Zukunft: "Wir können alles erreichen, wenn wir einig sind." Als Führer eines kleinen Landes habe er die Solidarität der Gemeinschaft gefühlt. Es sei eben gerade nicht so, dass in einer großen Organisation wie der EU die Kleinen unter die Räder kämen, er habe sich immer respektiert und unterstützt gefühlt. Dass das kleine Irland in diesem Fall gegen das übermächtige Großbritannien bei der Wahrung seiner offenen Grenze einen Sieg erzielen konnte, ist vielleicht eine Art historische Genugtuung für Dublin.

Boris Johnson feiert sich

Jetzt könne das Vereinigte Königreich ganz aus der EU austreten, freute sich Boris Johnson über das Verhandlungsergebnis. Und auf dem Papier hat er Recht. Der Premier gab sich auch optimistisch zur Zustimmung durch das Unterhaus am Samstag: "Ich bin zuversichtlich, dass wenn die Abgeordneten aller Parteien das Abkommen anschauen, sie seine Vorzüge erkennen und es unterstützen werden, so dass der Brexit am 31. Oktober stattfinden kann." Mit diesem magischen Datum, dass er wie ein Mantra wiederholt, verknüpft Johnson seine Chancen bei Neuwahlen. 

Nicht nur das Austrittsabkommen, auch die politische Erklärung wo es um das künftige Verhältnis geht, nennt der britische Premier einen "guten Text, der unsere Ziele genau trifft". Er hat darin alles zurück gedreht, so dass bestenfalls ein einfaches Handelsabkommen bleibt, alle Hinweise auf Angleichung der Regeln sind verschwunden. Johnson möchte soviel europäische Regulierung wie möglich abschaffen und Großbritannien davon "befreien". Andererseits will er ein "phantastisches neues Verhältnis " mit der EU aufbauen – der britische Premier hat kein Problem mit Widersprüchen.

Die Frage nach den Mehrheitsverhältnissen im Parlament und der Ablehnung durch die nordirische DUP aber umging er. Boris Johnsons Appell heißt: Stimmt für diesen großartigen Deal! Es gebe jetzt keinen Anlass für Verzögerungen mehr. Am Sonnabend im Unterhaus wird sich zeigen, ob er die 320 Abgeordneten davon überzeugen kann, die er für eine Mehrheit braucht.

Manche wollen raus, andere kommen nicht rein

Beim Thema Erweiterung war es dann mit der Einigkeit vorbei. Frankreich hatte schon vor dem Gipfel klar gemacht, dass man weder für Albanien noch Nordmazedonien derzeit grünes Licht geben würde. Das ganze Erweiterungs-verfahren funktioniere nicht und müsse reformiert werden, hatte die französische Europaministerin Amélie de Montchalin erklärt. Deutschland ist dagegen bereit, mit den beiden Westbalkanländern die Beitrittsverhandlungen zu beginnen. Zumal sie sich noch über Jahre hinziehen würden. Auch das Treffen von Merkel und Macron in Toulouse hatte da keine Klärung gebracht.

Reportage zum Konflikt um die geographische Kennzeichnung Mazedonien
Skopje in Nordmazedonien - das Land muss genau wie Albanien wohl noch länger auf den EU-Beitritt wartenBild: DW/F. Schmitz

Präsident Macron will wohl den Rechtspopulisten in Frankreich keine Angriffsfläche bieten. Unterstützt wird er dabei noch von Dänemark und den Niederlanden: Zu Albanien sage er klar Nein, erklärte Premier Mark Rutte in Brüssel, wobei es für Nordmazedonien etwas mehr Spielraum gebe, wobei auch da noch Hausarbeiten gemacht werden müssten. Drei gegen die große Mehrheit der EU, die den Westbalkanländern jetzt endlich konkrete Aussichten auf einen Beitritt machen will, weil sonst Politiker und Bürger die Hoffnung verlieren würden. Aber bei der Erweiterung gilt nach wie vor das Prinzip der Einstimmigkeit, einmal mehr muss man die Anwärter irgendwie vertrösten. 

Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bedauerte, dass man wohl bei diesem Gipfeltreffen keine Entscheidung für die beiden Länder erreichen könne. Unglücklicherweise seien die Zeichen für eine positive Entscheidung nicht gut. "Beide Länder haben enorme Anstrengungen in Richtung der EU-Standards gemacht und mir ist es wichtig , dass sie ein positives Signal bekommen." Aber außer warmen Worten scheint derzeit nichts möglich.