Ruf nach Reichensteuer wird lauter
3. August 2012Der Anstoß kam von der globalisierungskritischen Organisation Attac. Zahlreiche Sozialverbände, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Organisationen vornehmlich aus dem linken politischen Lager haben sich mittlerweile angeschlossen. Ihr Ziel: Höhere Steuern und Abgaben für Reiche sollen helfen, die Krise zu überwinden, Staatsschulden abzubauen und den Sozialstaat zu sichern.
Jutta Sundermann, Mitbegründerin von Attac Deutschland, geht mit der derzeitigen Politik zur Überwindung der Euro-Krise hart ins Gericht: "Wir haben schon an der Schuldenkrise der Dritten Welt erlebt, dass es nicht möglich ist, sich aus einer Krise herauszusparen." Nötig sei stattdessen, den Staaten mehr Einnahmen zu verschaffen.
Es habe in der Vergangenheit eine dramatische Verlagerung von Vermögen von der öffentlichen Hand in private Hände gegeben, stellt Sundermann fest. Zudem seien im Zuge der Finanzkrise private Schulden "in der öffentlichen Hand angelandet". Dies gelte es nun umzukehren. "Wir haben heute in Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam rund zwei Billionen Euro Schulden, das ist ungefähr das Geld, das das reichste Prozent der Bundesbürger ihr Eigen nennen kann."
"Sozialstaat fährt vor die Wand"
Der Paritätische Wohlfahrtsverband, ein Zusammenschluss von rund 10 000 Organisationen aus allen Bereichen der Sozialarbeit, macht nach den Worten seines Hauptgeschäftsführers Ulrich Schneider erstmals in seiner Geschichte in einem derartigen Aktionsbündnis mit. Als Grund nennt Schneider die Sorge, dass mit der Umsetzung der nationalen Schuldenbremse in den Bundesländern und Gemeinden "der Sozialstaat vor die Wand fährt". Es sei zwar "ein lobenswertes Ziel, unseren Enkeln einen schuldenfreien Haushalt zu hinterlassen." Diesen aber zu erkaufen, indem man ihnen kaputte Schulen und Kindergärten, geschlossene Bibliotheken und marode Spielplätze hinterlasse, sei ebenfalls "eine unverantwortliche Politik gegenüber künftigen Generationen."
Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, sieht die Ursache der aktuellen Finanzprobleme in einer "systematischen Entlastung von Vermögenden, Spitzenverdienern und Kapital- und Unternehmensgewinnen über 15, 20 Jahre hinweg". Mehrere Bundesregierungen unterschiedlicher parteipolitischer Zusammensetzung seien daran beteiligt gewesen. Ohne die Steuersenkungen seit 1998 hätten die öffentlichen Haushalte in Deutschland heute jährlich 50 Milliarden Euro mehr zur Verfügung, so die Rechnung Bsirskes. Diese lässt freilich außer acht, dass ohne die Steuerentlastung möglicherweise die Wirtschaftsentwicklung anders verlaufen wäre.
Von Hollande ermutigt
Das Bündnis gesellschaftlicher Organisationen, das sich jetzt vorstellte, will mit einem bundesweiten Aktionstag Ende September unter dem Motto "Umfairteilen - Reichtum besteuern" zu einem Umdenken beitragen. Konkret fordert es die Wiedereinführung der 1996 abgeschafften Vermögenssteuer, eine deutlich höhere Erbschaftssteuer, die Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer, die stärkere Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Kapitaleinkommen sowie eine Transaktionssteuer für Finanzmärkte. Zudem will das Bündnis mit einer einmaligen Abgabe auf große Vermögen die Staatsschulden in einem Schnitt deutlich senken. Eine solche Abgabe hatte vor wenigen Wochen erst das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW angeregt.
Ermutigt sehen sich die Aktivisten vom neuen französischen Präsidenten Francois Hollande, der Steuererhöhungen für Spitzenverdiener in die Wege geleitet hat. Auch unter den oppositionellen Sozialdemokraten und Grünen in Deutschland greifen solche Überlegungen unter dem Eindruck der Finanzkrise zunehmend Raum, nachdem diese jahrelang eine andere Politik verfolgt hatten. Lediglich die Linkspartei hat immer eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen gefordert. Mittlerweile sind aber sogar aus den Regierungsparteien CDU, CSU und FDP Überlegungen zu hören, die wirtschaftlich Leistungsfähigen stärker heranzuziehen.