Ruander vor deutschem Gericht angeklagt
18. August 2010Die Bundesanwaltschaft hat den in Deutschland lebenden Ruander Onesphore R. wegen Beteiligung am Völkermord in seiner Heimat vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main angeklagt. Er soll sich 1994 als Bürgermeister einer Kommune im Norden des Ostafrikanischen Landes an Pogromen und Massentötungen beteiligt haben. Dies teilte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch (18.08.2010) in Karlsruhe mit.
Die Anklage lautet auf Völkermord, Mord sowie Anstiftung zum Völkermord und Mord. Der Beschuldigte soll im April 1994 drei Massaker befohlen und koordiniert haben, bei denen mindestens 3730 Angehörige der Volksgruppe der Tutsi getötet wurden. Diese hatten zuvor in Kirchen Schutz vor plündernden und mordenden Soldaten und Milizionären gesucht.
Zudem habe der Angeklagte in drei Fällen zu Pogromen aufgerufen. Die Anzahl der dabei ermordeten Tutsi lasse sich nicht benennen. Der Angeklagte stammt selbst aus der Volksgruppe der Hutu.
Außerdem habe Onesphore R. einen Gemeindebeamten, der ihm unterstellt war, gezwungen, Tutsi-Flüchtlinge, die in dessen Haus geflüchtet waren, wegzuschicken. Mindestens ein Flüchtling sei unmittelbar von Milizionären aufgegriffen und getötet worden.
Erste Ermittlungen bereits 2008
Der Angeklagte, der im Raum Frankfurt am Main lebte, war im Jahr 2002 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Bereits 2008 war er in Deutschland inhaftiert und wieder freigelassen worden. Er saß von Dezember 2008 bis Mai 2009 in Untersuchungshaft. Der Bundesgerichtshof hatte den Haftbefehl damals wieder aufgehoben.
Begründet wurde die Freilassung damit, dass die Zeugenaussagen nicht für einen dringenden Tatverdacht ausreichten. Laut Anwaltschaft habe der Haftbefehl nur auf Aussagen "mittelbarer Zeugen" beruht. Das heißt, dass die Zeugen die Geschehnisse nur vom Hörensagen kannten. Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, wurde der Mann nach "intensiven weiteren Ermittlungen" aufgrund eines neuen Haftbefehls am 26. Juli 2010 erneut festgenommen.
Onesphore R. stand seit 2007 auf der Fahndungsliste von Interpol. Laut früheren Medienberichten steht er als Nummer 435 auf Ruandas amtlicher Liste für gesuchte Personen, die am Genozid von 1994 beteiligt waren. Damals hatten Mitglieder der Hutu-Mehrheit von April bis Mitte Juli etwa 800.000 Menschen ermordet. Rund 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit sowie politisch moderate Hutu waren damals getötet worden.
Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, epd)
Redaktion: Eleonore Uhlich