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Royal gekürt

17. November 2006

Die populäre Regionalpolitikerin Ségolène Royal wird bei der französischen Präsidentschaftswahl 2007 für die Sozialisten ins Rennen gehen. Ihr werden gute Chancen auf einen Sieg über die Konservativen eingeräumt.

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Royal vor Mikrofonen
Royal wird künftig von Frankreichs Medien auf Schritt und Tritt beobachtetBild: ap
Auch Dominique Strauss-Kahn hatte das Nachsehen
Auch Dominique Strauss-Kahn hatte das NachsehenBild: AP

Der eine gab sich als waschechter Linker, der andere als moderner Sozialdemokrat. Doch statt Ex-Premier Laurent Fabius oder den früheren Finanzminister Dominique Strauss-Kahn schickt Frankreichs Sozialistische Partei (PS) die 53-jährige Ségolène Royal in die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2007. So entschied es die PS-Basis in einer Urwahl am Donnerstag (16.11.2006). Für die Frau mit dem pragmatischen Auftreten stimmte auf Anhieb eine Mehrheit von 60,6 Prozent der fast 219.000 Mitglieder. Strauss-Kahn erhielt 20,8 Prozent, Fabius 18,5 Prozent.

Hart aber gerecht

"Ségo", wie sie von Anhängern oft genannt wird, zieht mit unkonventionellen Vorstößen über Parteien und Programme hinaus Wähler an und könnte auch den Konservativen einen Teil des Bürgertums streitig machen. In ihrer parteiinternen Wahlkampagne setzte die Offizierstochter mit dem Slogan "gerechte Ordnung" auf eine Mischung aus Volksnähe, traditionellen Familienwerten, Härte bei der Kriminalitätsbekämpfung und bewussten Brüchen mit Partei-Tabus. So verwies sie bei der in der PS als heilige Kuh geltenden 35-Stunden-Woche darauf, dass diese für eine Minderheit der Arbeitnehmer auch Nachteile gebracht und zu Problemen im Gesundheitssektor geführt habe. Im Juni schockierte sie die Linke mit dem Vorschlag, jugendliche Straftäter in militärische Obhut zu stecken, um sie wieder auf den rechten Weg zu bringen. Für die Ankündigung, die Arbeit von Abgeordneten durch per Los besetzte Bürgerausschüsse kontrollieren zu lassen, gab es bei einer PS-Veranstaltung in Paris im Oktober Buh-Rufe.

War ohne Chance gegen Royal: Laurent Fabius
War ohne Chance gegen Royal: Laurent FabiusBild: AP

Anders als Fabius und Strauss-Kahn startete Royal ohne Hausmacht in der PS. Beharrlich schaffte sie es aber, die meisten der teils sehr einflussreichen Bezirksverbände und viele Spitzen-Sozialisten auf ihre Seite zu bringen.

Chancen gegen Sarkozy

Royal liegt in der Machtfrage bereits seit einem Jahr vorn: Dann nämlich, wenn gefragt wird, wer aus dem linken Lager beste Chancen auf die Präsidentschaft hätte. Vor allem wäre sie laut Umfragen die einzige, die den erwarteten Hauptgegner auf der rechten Seite des politischen Spektrums schlagen könnte: Innenminister Nicolas Sarkozy.

Freund und Parteichef

Beredtes Schweigen zu der Kandidatenentscheidung kommt von Parteichef François Hollande: Er ist seit einem Vierteljahrhundert Royals Lebensgefährte und Vater ihrer vier Kinder. Er will jeglichen Vorwurf der Parteilichkeit vermeiden. Der mit feinem politischem Instinkt ausgestattete Obersozialist hat schon lange begriffen, dass seine Lebensgefährtin die Trumpfkarte des Paares ist - nicht er selbst. Denn Hollande mag ein begabter Strippenzieher und Koalitionsschmied sein, ein charismatischer Chef ist er nicht.

Absolventin der ENA

Wie Hollande absolvierte die am 22. September 1953 in Dakar geborene Royal die Pariser Elitehochschule ENA. Mit Hollande wechselte sie nach dem Sieg von François Mitterrand bei der Präsidentschaftswahl 1981 als Beraterin in den Elysée-Palast. Hollande widmete sich der Parteiarbeit, Royal übernahm wenig prestigeträchtige, aber für den Alltag der Franzosen wichtige Regierungsämter als Umwelt-, dann als Schul- und Familienministerin.

Politikerinnen vor Royal

Nur sehr wenige Frauen vermochten es vor Royal, die französische Politik nachhaltig zu beeinflussten. Die erste Frau Frankreichs, die in der jüngsten Geschichte eine tief greifende, gesellschaftliche Wende herbeiführte, war Simone Veil. Die Juristin setzte als Gesundheitsministerin 1974 ein Gesetz zur straffreien Abtreibung durch.

Erste Regierungschefin des Landes wurde 1992 Edith Cresson. Sie musste schon nach einem Jahr zurücktreten und hatte sich unter anderem durch verbale Fehltritte unmöglich gemacht: So verglich sie Japaner mit Ameisen und meinte, jeder vierte Brite sei homosexuell. Von 1995 bis 1999 bekam Cresson noch einen Posten als EU-Kommissarin. In Erinnerung bleibt aus dieser Zeit noch die Tatsache, dass sie dort einen befreundeten Zahnarzt auf EU-Steuerzahlerkosten auf einen Posten berief, den dieser nie ausübte. Als Folge des Skandals trat die gesamte EU-Kommission zurück. (mas)