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Robert Blum: Zu Unrecht in Vergessenheit geraten

Verena Greb
9. November 2020

Der Politiker und Theatermann Robert Blum kämpfte leidenschaftlich für die Demokratie in Deutschland. Nun erinnert ein Saal im Schloss Bellevue an ihn.

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Deutschland l Einweihung Robert Blum-Saal im Schloss Bellevue, Steinmeier
Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture-alliance

Robert Blum (1807-1848) galt als herausragender Redner und war als Wortführer der gemäßigten Linken in der Frankfurter Nationalversammlung ein zu seiner Zeit beliebter Demokrat - nun wurde ein Saal im Berliner Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, nach ihm benannt.

Robert-Blum-Gedenktafel in Köln
Eine Gedenktafel in seiner Geburtsstadt Köln erinnert an Robert Blum und seine letzten WorteBild: akg-images/picture-alliance

"Wir sollten uns ein Beispiel an Robert Blum nehmen, gerade jetzt, im Kampf gegen das Virus, aber auch, wenn wir nach vorn schauen und die Zeit nach der Pandemie in den Blick nehmen", mahnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der feierlichen Einweihung im Schloss Bellevue. Seiner Meinung nach sei zur Bewältigung der Corona-Krise eine "demokratische Leidenschaft" wie sie Blum an den Tag gelegt habe gut zu gebrauchen. Mit dem Robert-Blum-Saal soll an die deutsche Demokratiegeschichte erinnert werden - mit Kunst von Carl Wendling, Erhard Joseph Brenzinger und Moritz Oppenheim.

Zur deutschen Demokratiegeschichte gehört der Name Robert Blum. Dabei ist der frühe Demokrat - gestorben am 9. November 1848 in Wien - nahezu aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Oder wie es Steinmeier ausdrückte: "Er starb für die Freiheit - aber 'seiner eingedenk' ist heute fast niemand mehr." Damit bezieht sich der Bundespräsident auf die letzten Worte Blums, die da lauteten: "Ich sterbe für die Freiheit, für die ich gekämpft. Möge das Vaterland meiner eingedenk sein." Blum wurde einen Tag vor seinem 41. Geburtstag standrechtlich von kaiserlichen Truppen erschossen.  

Lithographie zeigt Robert Blum kurz vor seiner Hinrichtung
Eine von verschiedenen Litographien, die anlässlich Robert Blums Hinrichtung entstandenBild: akg-images/picture-alliance

Blums Engagement gegen ein Scheitern der "Wiener Oktoberrevolution"

Dass der deutsche Parlamentarier auf die Liste "gefährlicher Individuen" Wiens gesetzt wurde, was ihm letztlich das Todesurteil einbrachte, kam so: Mit drei weiteren Abgeordneten der großdeutschen Nationalversammlung war er in die Stadt gereist, um sich vor Ort ein Bild von den demokratischen Bestrebungen aufständischer Gruppierungen zu machen. Doch dann wurde Blum selbst Teil des Geschehens.

Er ließ sich zu einer flammenden Rede vor der "Aula" der Akademischen Legion hinreißen, befürwortete den Straßenkampf und schloss sich mit seinem Gefährten Julius Fröbel aus der Paulskirchenversammlung einer neu gegründeten Miliz an. Ziel war, das drohende Scheitern der Revolution abzuwenden. Es gelang nicht - und wie aus der österreichischen Geschichtsschreibung bekannt ist, kam im Dezember 1848 mit Franz Joseph I. ein weiterer Kaiser an die Macht, der diese Funktion bis zu seinem Tod 1916 behielt.

Robert Blum
Verehrt im 19. Jahrhundert, später in Vergessenheit geraten: Robert BlumBild: Bildagentur-online/Abecasis/picture-alliance

Auf Umwegen gelangte Blum in die Politik

Dass Blum überhaupt einmal in die Politik gehen würde, lag angesichts seines Werdegangs nicht gerade nahe. Blum wurde in Köln in ärmliche Verhältnisse geboren, war aber gesegnet mit einer schnellen Auffassungsgabe. Er war ein guter Schüler und wäre gerne länger zur Schule gegangen. Aber weil der Familie das Geld dafür fehlte, sollte er zunächst einen handwerklichen Beruf erlernen.

Zwei Ausbildungen brach er ab. Nach erfolgreichem Abschluss einer dritten als Gelbgießer begab er sich 1825 auf Wanderschaft. Über Stationen in Berlin und München kam er schließlich wieder in seine Heimatstadt Köln zurück. Ab 1830 tat sich ihm dort eine neue berufliche Heimat auf: das Theater. Mit dem Theaterdirektor Friedrich Sebald Ringelhardt wechselte er 1832 nach Leipzig.    

Der Politiker Blum

In den 1830ern umgab er sich mit linken und liberalen Oppositionellen - heute würde man sie wohl politische Aktivisten nennen. Er wurde mehr und mehr in die politische Welt hineingesogen, diskutierte, protestierte, suchte Kontakt zu Verbündeten. Mitte der 1840er Jahre dann stellte er sich selbst zur Wahl und wurde in Leipzig erst zum Stadtverordneten, dann zum Stadtrat gewählt. Er schloss sich unter anderem einer linken Burschenschaft an, wurde Mitglied radikal-demokratischer Vereine und warb mit seinen mitreißenden Reden vor Politikern und einfachen Bürgern für die Demokratie. Am 3. März 1848 forderte er öffentlich den Rücktritt der Regierung. Er hoffte, dass friedliche Proteste zu einer erfolgreichen Revolution führen würden. 

Lithographie zeigt Aufständische während der Märzrevolution 1848 mit der schwarz-rot-goldenen Flagge
Berlin im März 1848: Aufständische halten die schwarz-rot-goldene FahneBild: picture-alliance/akg-images

Die Farben der Deutschlandfahne - Schwarz-Rot-Gold - die bei den Protesten geschwenkt wurden, gehen auf das Hambacher Fest von 1832 zurück, bei dem liberal Gesinnte Einheit, Demokratie und diverse Freiheiten forderten. Da die Fahne in jüngster Zeit immer wieder bei Demonstrationen von Rechtsextremen oder auch von Gegnern der Corona-Maßnahmen zu sehen war, sprach sich Bundespräsident Steinmeier beim Blum-Festakt in Berlin entschieden gegen eine Vereinnahmung aus: "Wer die parlamentarische Demokratie und die Menschenrechte verachtet, der hat kein Recht, sich auf diese Farben zu berufen!"

Blums Abschiedsbrief: Zeugnis seiner Verantwortung für die Familie

Der Überlieferung nach war Blums Umgang mit Frauen nicht durchweg rühmlich. Zu einer Frau, die aus einer Affäre mit ihm ein Kind erwartete, soll er den Kontakt abgebrochen haben. Seine erste Frau starb nach einer Fehlgeburt - vielleicht weil die Reise, die sie als Schwangere mit ihrem Gatten von Leipzig nach Berlin unternahm, zu beschwerlich war.

Dass er für seine zweite Frau Louise Eugenie, genannt Jenny (1810-1874), und die gemeinsamen Kinder Verantwortung übernommen hat, zeigt sein Abschiedsbrief. Darin regelt er noch sein Vermächtnis und gesteht seiner Gattin zu, alle "sonstigen Andenken" nach eigenem "Ermessen" zu verteilen. Der in unmittelbarer Erwartung des Todes mit zittriger Hand geschriebene Brief zeugt auch von seiner Zuneigung für Jenny, der er die "letzten Küsse von Deinem Robert" schickt.

Zügig aufgestiegen - schnell in Vergessenheit geraten

Bald verbreiteten Zeitungen Teile aus diesem berühmt gewordenen Abschiedsbrief. Empörung machte sich breit über den als unrechtmäßig empfundenen Tod eines hierzulande beliebten Politikers. In der Folge entstanden ihm zu Ehren Gedenkmünzen oder Stiche, die sein Porträt zeigten. Letztere zierten viele Wohnungen - vor allem in Sachsen, wo Blum am längsten politisch gewirkt hatte.

Lithographie zeigt Robert Blum auf dem Balkon des Leipziger Rathauses bei einer Rede
Robert Blum bei einer Rede auf dem Balkon des Leipziger RathausesBild: akg-images/picture-alliance

Als das Stadtmuseum seiner Heimatstadt Köln Blum 2007 anlässlich seines 200. Geburtstages eine Ausstellung widmete, bedauerte der damalige Museumschef Werner Schäfke, dass er recht schnell vergessen worden sei. Gegenüber der Tageszeitung "Kölnische Rundschau" sagte er: "Er war nie so präsent, wie er es verdient hätte." Die Ausstellung nahm sich auch die anderen Aktivitäten Blums vor, nicht nur seine politischen. Beispielsweise galt ein Augenmerk seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Blum war Mitbegründer des ersten Schillervereins sowie eines Literatenvereins in Leipzig. Leider existiert von ihm heute nur noch der Text eines einzigen Bühnenstücks.

Immerhin sind 2007 gleich zwei Blum-Biografien erschienen. Der Politikwissenschaftler Peter Reichel erzählt mit essayistischen Mitteln in seinem Werk "Robert Blum. Ein deutscher Revolutionär", während der Historiker Ralf Zerback auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse "Robert Blum. Eine Biographie" vorlegte. Und nun gibt es auch einen Saal zur Erinnerung an die Geschichte der Demokratie, benannt nach Robert Blum und eingeweiht mit einem Festakt im Berliner Schloss Bellevue.

Katharina Thalbach  rezitiert im Schloss Bellevue Texte von Robert Blum
Die Schauspielerin Katharina Thalbach rezitierte Texte von Robert Blum am 9. November in BerlinBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture-alliance

Der 9. November in der deutschen Geschichte

Im Robert-Blum-Saal wird nicht nur an den Namensgeber erinnert, der an einem 9. November gestorben ist, sondern auch an die weiteren Ereignisse, die an einem 9. November stattgefunden haben - und die deutsche Geschichte prägten: 1918 wurde an jenem Tag die erste deutsche Republik ausgerufen, 1923 ereignete sich der Hitler-Putsch just an diesem Datum, 1938 die Novemberpogrome und 1989 der Fall der Berliner Mauer.