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Reiche werden schneller EU-Bürger

Mahncke, Julia/ Ignatzi, Christian14. November 2013

Der Inselstaat Malta will künftig Staatsbürgerschaften an wohlhabende Ausländer aus Nicht-EU-Staaten verkaufen. Aber auch in anderen EU-Ländern bringt Reichtum klare Vorteile für einen neuen Pass.

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Europäische Pässe (Foto: Katarzyna Domagala-Pereira)
Bild: Katarzyna Domagala-Pereira

Geld macht womöglich doch glücklich, zum Beispiel wenn man sich damit die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes kaufen kann. Ein europäischer Pass ist erstrebenswert für alle, die aus Krisenregionen kommen, in der Europäischen Union wohnen und arbeiten oder einfach entspannter reisen möchten. Viele Visa-Beschränkungen fallen damit weg. Mit dem Pass ist es auch wesentlich einfacher, Geschäfte in Europa abzuwickeln.

Malta ist das neueste Beispiel eines Staates, der Menschen außerhalb der EU ihre Staatsbürgerschaft gegen Geld anbietet. 650.000 Euro pro Ausweisdokument soll der Pass kosten. Ministerpräsident Joseph Muscat will auf diese Weise die Einnahmen des Landes steigern und wohlhabende Menschen auf die Insel locken. Man rechne mit 200 bis 300 Bewerbungen jährlich. Im ersten Jahr, schätzte Muscat, werde die Regierung mit dem Verkauf von rund 45 Staatsbürgerschaften etwa 30 Millionen Euro einnehmen. Die Opposition kritisierte, dass Bewerber um die Staatsbürgerschaft, etwa russische Oligarchen, weder auf der Insel leben, noch Geld in dem Zwergstaat investieren müssen.

Rechte, aber keine Pflichten

"Ethisch halte ich das für problematisch", sagt Menderes Candan. Der Wissenschaftler befasst sich mit Migrationspolitik und promoviert an der Universität Münster. "Während auf der einen Seite reiche Menschen die Staatsangehörigkeit einfach kaufen können, gibt es auf Malta eine Vielzahl an Flüchtlingen, die vergeblich versuchen, ins Land zu kommen und denen es sehr schlecht geht." Auch warteten genug Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in einem EU-Land haben, auf die Einbürgerung, sagt der Grünen-Politiker und EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht: "Die Vergabe muss für alle gleich sein", fordert er im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Malta Gerettete Bootsflüchtlinge 12.10.2013(Foto: Reuters)
Flüchtlinge haben meist keine Möglichkeit, die maltesische Staatsbürgerschaft zu erlangenBild: Reuters

Benachteiligt von einer gekauften Staatsangehörigkeit würden zudem die Bewohner Maltas, glaubt Politikwissenschaftler Candan: "Zu einer Staatsangehörigkeit gehören nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten", sagt er und meint damit etwa die Steuerpflicht. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie für ausländische Geldgeber gilt.

Staatsbürgerschaft an Investoren

Bereits im April 2013 hatte Zyperns Präsident Nikos Anastasiades angekündigt, künftig Staatsbürgerschaften seines Landes an Investoren vergeben zu wollen. Um dort den Ausweis zu bekommen, müsse man drei Millionen Euro investieren. Anastadiades hatte so versucht, russische Geschäftsleute auf ihrem jährlichen Wirtschaftstreffen im südzyprischen Limassol zu besänftigen. Der Präsident hatte gesagt, er sei sich der Verluste bewusst, die durch die EU-Rettungsaktion entstanden seien. Bisher konnte man sich den zyprischen Pass zwar auch schon "erkaufen", Interessenten mussten dafür aber mindestens 15 Millionen Euro über fünf Jahre anlegen.

Regeln dieser Art findet der Grünen-Politiker Jan Philipp Albrecht "unangemessen". Er wünscht sich eine gemeinsame Einwanderungspolitik aller EU-Länder. "Ich finde es grundsätzlich bedenklich, wenn insbesondere EU-Staaten ihre Staatsbürgerschaft willkürlich vergeben."

Jan Philipp Albrecht Europaabgeordneter der Grünen (Foto: dpa)
Albrecht: Wir brauchen die gleichen Regeln für alleBild: picture-alliance/dpa

Unterschiedliche Regelungen

In der Tat gestalten die Länder Europas ihre Einwanderungspolitik sehr unterschiedlich. Auch in Irland konnte man bis 2001 durch Investitionen im Land die Staatsbürgerschaft vergleichsweise einfach erlangen. Mittlerweile garantieren 500.000 Euro für ein öffentliches Projekt in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Kunst oder Sport lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung. In Portugal ist die Einwanderung an den Kauf einer Immobilie gekoppelt, ähnlich würde es auch Spanien zukünftig gerne halten: Geplant ist eine Untergrenze von 160.000 Euro, die einem Hauskäufer die Aufenthaltsgenehmigung bringen soll. In Ungarn ebnet der Kauf von Staatsanleihen den Weg in die neue Heimat. Interessenten stammen neben Russland aus China und Indien.

Das europäische Land, mit dem die bekannte Beraterfirma "Henley & Partners" aber die größte Werbung bei gutbetuchten Kunden betreibt, ist Österreich. Der Regierung ist es dort per Gesetz erlaubt, die Staatsbürgerschaft zu verleihen "wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besondere Interesse der Republik". Laut Medienberichten haben so in der Vergangenheit beispielsweise ein saudischer Hotelinvestor und die russische Sängerin Anna Netrebko den österreichischen Pass erhalten.

"Gekaufter Pass" die Ausnahme

Auch Dietrich Thränhardt hält den Verkauf von Staatsangehörigkeiten für problematisch. "Aber es gefährdet die Europäische Union nicht", glaubt der emeritierte Professor der Uni Münster und Experte für Migrationspolitik. Es gebe nur eine kleine Zahl von Menschen, die die Staatsbürgerschaft auf diese Art erwerben, sagt er im DW-Interview. 2012 wurde in Österreich nach Angaben von Statistik Austria niemand als Gegenleistung für Investitionen eingebürgert. Im Jahr davor machten 23 Menschen von dem außergewöhnlichen Paragrafen 10, Absatz 6 im Staatsbürgerschaftsgesetz Gebrauch.

Für diejenigen, die den üblichen Weg der Einbürgerung gehen, sei Österreich hingegen das Land, mit den höchsten Hürden, fügt Thränhardt hinzu. Die Gebühren seien dort sehr teuer, die Wartezeiten lang. Schaue man sich die Einwanderungspolitik der EU-Länder an, müsse man insgesamt sehen, dass es faktisch alle Länder reichen Menschen einfacher machten. In Deutschland sei dies der Fall, weil sehr gezielt gut ausgebildete Interessenten angeworben würden. "Und wenn sie gleichzeitig verhindern, dass arme Leute, die sozusagen ökonomisch nutzlos sind, aus Drittländern nach Deutschland kommen, hat das natürlich einen ähnlichen Charakter wie die Sache in Zypern."

Österreichischer Reisepass (Foto: dpa)
Reisepass aus Österreich: Für "normale" Einwanderer eher schwierig zu bekommenBild: picture-alliance/dpa

So schnell wird sich die Einbürgerungspolitik der EU wohl auch nicht ändern. "Die Vergabe von Staatsbürgerschaften wird im Moment auf Ebene der Europäischen Union nicht weitgehend debattiert, sondern nur sehr zurückhaltend", erklärt der EU-Abgeordnete Albrecht. "Ich halte das für einen Fehler."