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Rebellion als Lebenselixier

Karen Fischer25. November 2002

Der französische Bauernführer und Unruhestifter José Bové muss ins Gefängnis. Dort soll der leidenschaftliche Globalisierungsgegner und Umweltrebell für zwei Delikte aus den Jahren 1998 und 1999 büßen.

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Ganz in seinem Element: José Bové auf seinem TraktorBild: AP

Der kleine Mann mit dem großen Schnurrbart ist Frankreichs Meisterrebell. Sein Spitzname: Asterix. Sowohl äußerlich als auch vom kämpferischen Gemüt her ähnelt José Bové der Komikfigur. Bové ist Frankreichs Globalisierungsgegner Nr. 1 und Aushängeschild, wenn es um Proteste im In- und Ausland geht.

Wie man zum Rebellen wird, hat der 49jährige Bové schon früh gelernt. Mit 15 Jahren flog er von der Schule – und das war nur der erste Schritt einer langen Karriere. Das Ziel: Möglichst vielen Leuten auf die Füße treten und dabei soviel öffentlichen Wirbel wie möglich veranstalten.

Moderner Robin Hood

Dabei kommt Bové aus einer Akademiker-Familie. Doch Anfang der 1970er Jahre beschloss er, Schafzüchter und Roquefort-Käsehersteller zu werden. Diese Idee entsprang aber nicht etwa aus einer besonderen Affinität für das Landleben, sondern war eine handfeste Protestaktion gegen den Bau eines Truppenübungsplatzes in der Region Larzac, im Südwesten von Frankreich.

1987 gründete er eine Bauern-Gewerkschaft, die Confédération Paysanne. Der Verband kämpft gegen die Ausbeutung der Kleinbauern durch die Großindustrie und macht Front gegen den Anbau von genmanipulierten Pflanzen. Auch im Ausland engagierte sich Bové. 1995 war er an Bord des Greenpeace-Boots "Rainbow Warrior", um gegen Atomwaffentests auf dem Mururoa-Atoll zu protestierten. Bei den Anti-Globalisierungsdemos in Seattle, anlässlich der Konferenz der Welthandelsorganisation, stand er natürlich in der ersten Reihe.

Mc-Donald's als Karrieresprungbrett

Bis zu seinem internationalen "Durchbruch" musste Pfeifenraucher Bové allerdings lange warten. Erst 1999 wurde er auf einen Schlag über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt, als er und einige Freunde mit Traktoren den Rohbau einer neuen Mc-Donald's-Filiale in Millau (Südfrankreich) zerstörten – ein Anschlag gegen den "miesen Fraß" (malbouffe) als Symbol der Globalisierung.

Seither hat Bové als Medienheld ereignisreiche Jahre hinter sich: Er ist berühmt-berüchtigt, von den einen gefürchtet, von den anderen verehrt. Henry Kissinger, ehemaliger amerikanischer Außen- und Verteidigungsminister, meinte sogar, Bové sei der einzige Franzose, der in den letzten Jahren etwas bewegt habe. Mit seinem siebten Sinn für mediale Inszenierungen schaffte es Bové tatsächlich immer wieder, in die Schlagzeilen zu rutschen.

Für 14 Monate hinter Gitter

Jetzt muss Bové erst einmal in den Knast. Dabei wurde er diesen Sommer erst aus einer mehrwöchigen Haftstrafe entlassen. Frankreichs oberste Revisionsinstanz, der Kassationsgerichtshof in Paris, entschied am 19. November, dass Bové zwei Haftstrafen aus früheren Verurteilungen absitzen müsse, 14 Monate insgesamt. Bei den Delikten aus den Jahren 1998 und 1999 ging es – wie könnte es anders sein – um umweltpolitische Aktionen: Bové und Sympathisanten waren im südfranzösischen Montpellier in ein Forschungslabor eingedrungen und hatten Tausende von genetisch veränderten Reispflanzen zerstört.

Sein Anwalt kündigte bereits an, den Europäischen Menschenrechts-Gerichtshof in Straßburg anzurufen. Denn eins ist sicher: Für einen Rebellen wären 14 Monate ohne Schlagzeile ein empfindlicher Rückschlag, wenn nicht der sichere Image-Tod.