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Held oder Schurke

30. Juni 2009

Honduras abgesetzter Präsident Zelaya machte linke Politik ohne ein linker Politiker zu sein. Innerhalb seiner eigenen Partei sorgte er für Unmut; für Beobachter kam der Putsch daher nicht überraschend.

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Manuel Zelaya gibt nach seiner Entführung eine Pressekonferenz auf dem Flughafen in San José, Costa Rica. Von links: Zelaya, Costa Ricas Präsident Oscar Arias, sein Bruder Minister Rodrigo Arias, Foto: Torge Löding
Zelaya gibt eine Pressekonferenz auf dem Flughafen von San JoséBild: Torge Löding

Tief war das Wasser vor der Küste bereits, als Christoph Kolumbus vor über 500 Jahren Anker werfen ließ. "Aguas hondas" nannte er das mittelamerikanische Land: Honduras. Dieser Name hat es seither geprägt, aus den Tiefen herausgekommen ist es eigentlich nie: Acht von zehn Honduranern leben heute in Armut, das Land ist nach Haiti und Nicaragua eines der ärmsten Lateinamerikas und hat neben El Salvador und Guatemala die größten Probleme mit kriminellen Jugendbanden, sogenannten "Maras". Und nun auch noch das: 28 Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur ein Putsch. In Zentralamerika beschwört das die bösen Geister einer Vergangenheit herauf, die man längst überwunden glaubte.

Präsident Manuel Zelaya machte sich in den drei Jahren seiner Amtszeit viele Feinde. Dabei hatte der Sohn einer gut situierten Großgrundbesitzerfamilie aus dem ländlichen Olancho in Zentralhonduras seine Politikerkarriere bilderbuchmäßig begonnen. In seiner Zeit als Minister wurde seine effiziente Art der Amtsführung ausgezeichnet. Die Vereinten Nationen lobten sein Programm zur Integration der indigenen Bevölkerung.

Anhänger Zelayas lieferten sich am Montag in Honduras' Hauptstadt Tegucigalpa Straßenschlachten mit dem Militär, Foto: ap
Anhänger Zelayas lieferten sich am Montag Straßenschlachten mit dem MilitärBild: AP

Konfrontationskurs innerhalb der Partei

Aber dann bröckelte der Rückhalt in der eigenen Liberalen Partei, deren Abgeordnete sich am vergangenen Sonntag bei dem Putsch gegen den eigenen Regierungschef stellten und für die Einsetzung des bisherigen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti als Interimsstaatschef stimmten. Für Tjark Marten Egenhoff, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Guatemala, kam das nicht überraschend: Zelaya gehöre der traditionellen Politikerschicht in Honduras an und habe sich bislang durch einen populistischen Führungsstil ausgezeichnet, sagt er. "Innerhalb seiner Partei gab es immer stärkere Tendenzen, dem Präsidenten nicht mehr zu folgen."

Politiker der liberalen und konservativen Partei halten ihm die Nähe zu Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez und Kubas Revolutionsführer Fidel Castro vor. Davon war zu Beginn seiner Amtszeit 2006 noch keine Rede, denn Manuel Zelaya ist kein linker Politiker. Doch dann begann er einen politischer Flirt mit sozialistischen Ideen, der im vergangenen Jahr im umstrittenen Beitritt Honduras' zum progressiven Staatenbund ALBA mündete, welchen Chávez und Castro aus der Taufe gehoben hatten.

Von links: Boliviens Präsident Evo Morales, Honduras' abgesetzter Präsident Manuel Zelaya, Nicaraguas Präsident Daniel Ortega, Venezuelas Präsident Hugo Chavez und Ecuadors Präsident Rafael Correa, Foto: ap
Schulterschluss mit Lateinamerikas Linken: Zelaya mit Morales, Ortega, Chavez und CorreaBild: AP

Linke Politik ohne linken Politiker

Die damit verbundene Unterstützung aus Venezuela tat dem Land gut. Aber als Zelaya dann den Mindestlohn um 60 Prozent anheben wollte, wandte sich die liberale Parlamentsfraktion ab; per Präsidentendekret setzte er die Erhöhung durch. In der Bevölkerung kam sie natürlich gut an, Zelaya wurde gefeiert als Präsident der Armen. Unternehmerverbände machten ihn hingegen für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich. "Er kam als Vertreter einer der beiden großen Parteien an die Macht, die sich seit 28 Jahren die Macht teilen", erklärt der Politologe der Universität von Costa Rica, Alberto Cortez den Wandel: "Dort angekommen passierte etwas, was in der Geschichte Zentralamerikas schon öfter vorgekommen ist: Er entwickelte sich politisch nach links, ohne ein Linkspolitiker zu sein."

Schatten der Vergangenheit

Honduranische Soldaten, Foto: ap
Die Rolle des Militärs in Honduras ist ambivalentBild: AP

Im Vergleich zu den anderen zentralamerikanischen Demokratien ist Honduras die vermutlich schwächste: Anders als etwa in Guatemala oder El Salvador wurde dort die Macht des Militärs nach dem Ende des Bürgerkriegs nicht beschnitten. Das honduranische Militär gilt als das stärkste in Zentralamerika, die USA haben es gut ausgebildet. Auch findet dort keine Aufarbeitung der eigenen Geschichte statt: Viele Offiziere von heute waren als junge Soldaten an den Greueltaten während der Militärdiktatur in den 1970er und 1980er Jahren beteiligt.

Das hat sich in das kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft von Honduras eingebrannt: "In unserer Erinnerung ist verankert, dass hinter einem Gewähr immer auch Gefängnis, Folter und Verfolgung stehen", erklärt die ehemalige Menschenrechtsaktivistin Cuxabel Cardenas. Sie weiß von einer schwarzen Liste mit Putschgegnern zu berichten: "Wer auf dieser Liste steht, soll für seine politische Meinung verhaftet werden!"

Autor: Torge Löding

Redaktion: Ina Rottscheidt/Nicola Reyk