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Pressestimmen von Dienstag, 11. Dezember 2007

Michael Wehling10. Dezember 2007

Putin-Nachfolge

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Das Rätseln hat ein Ende - der russische Präsident Putin hat sich erklärt: Vizepremier Medwedew soll sein Nachfolger werden. Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen machen sich Gedanken, was dieser Stabwechsel im Kreml bedeuten wird.

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER schreibt:

'Nun steht so gut wie fest, wer Russlands nächster Präsident wird: Dmitrij Medwedew, Putins enger Gefolgsmann. Viele Russen sind bereit, jeden von Putin präsentierten Nachfolger zu wählen - dazu werden die kremlkontrollierten Sender nun bis zur Wahl Loblieder singen, staatliche und viele private Strukturen die Aufgabe erhalten, für Medwedew-Stimmen zu sorgen. Welche Zukunft wählt Putin? Bleibt der bisher blasse Medwedew Putins Werkzeug oder emanzipiert er sich schnell, wenn er erst im Kreml sitzt? Wahrscheinlich verfolgt Russland unter Medwedew denselben Kurs wie unter Putin. Den neuen demokratischen Aufbruch wird Medwedew kaum beginnen. Aber auch keine weiteren Rollen rückwärts schlagen.'

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG heißt es:

'Kaum einen anderen hat Putin so gefördert wie den dreizehn Jahre jüngeren Juristen aus seiner Heimatstadt St. Petersburg. ... Medwedew kennt das Herrschaftssystem Putin. Schließlich hat er geholfen, es mit aufzubauen. Er gilt als Pragmatiker und hat zu den Cliquen ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter im Umkreis Putins stets eine gewisse Distanz gehalten. Wahrscheinlich ist er eher 'prowestlich' und 'liberal' als sein stärkster Rivale bei der Putin-Nachfolge, der nun doch nicht berücksichtigte Erste Stellvertretende Ministerpräsident - und frühere KGB-Offizier - Iwanow. Doch mit solchen Einschätzungen beginnen schon wieder die Spekulationen. Mit einiger Sicherheit lässt sich sagen, dass Medwedew ein Garant für die Kontinuität des 'Systems Putin' ist.'

DER TAGESSPIEGEL aus Berlin führt aus:

'Fraglich ist nur, ob Medwedew tatsächlich Putins letzter Wurf ist. Ihm geht zu Recht der Ruf eines farblosen Apparatschiks voraus. Seine Medienauftritte sind in der Regel langweilige Quotenkiller. Doch das will in einem System wie dem russischen, wo alle Macht statt vom Volke vom Präsidenten ausgeht, wenig besagen. Iwan Normalverbraucher, ätzten Medien und Politikwissenschaftler lange bevor das Gerangel um die Thronfolge in Russland richtig losging, würde für jeden Kandidaten stimmen, den Putin unterstützt.'

Die in Karlsruhe erscheinenden BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN erläutern:

'Mit Medwedew als Kronprinzen bleiben Putin alle Optionen offen. Der Softie aus dem Kreml hat kaum eigene politische Ambitionen. Anders als sein einstiger Konkurrent, der Ex-Verteidigungsminister Sergej Iwanow, hat Medwedew auch keine nennenswerte Lobby hinter sich. Sein Ticket zum Erfolg heißt: Hundertprozentige Loyalität zu Putin.'

Das OFFENBURGER TAGBLATT macht auf einen anderen Aspekt aufmerksam:

'Der russische Energiekonzern Gazprom regiert demnächst im Kreml. Das hört sich jetzt aberwitzig an, wird aber im März nach der Präsidentenwahl in Russland Wirklichkeit. Gazprom-Aufsichtsratschef Dmitri Medwedew ist Wunschkandidat des aktuellen Amtsinhabers Wladimir Putin. Damit ist Medwedew, der gleichzeitig Vizeregierungschef ist, so gut wie gewählt. Zudem will die Putin-Partei 'Geeintes Russland' den 42-Jährigen zum Kandidaten küren. .... Ungeniert schieben sich die Mächtigen in Russland die Posten zu. Vetternwirtschaft in Reinkultur wie seit Jahrhunderten.'

Die BERLINER ZEITUNG analysiert:

'Beabsichtigt wird aber auch nicht die Überwindung einer überkommenen Politik, sondern deren Fortsetzung. Um das sicherzustellen, braucht man ein neues Gesicht, aber kein neues Profil. Dass das Profil Medwedews undeutlich ist, bedeutet also keinen Einwand. Gemutmaßt wird, er sei liberaler als andere mögliche Kandidaten. Über die aber wurde ebenfalls nur gemutmaßt. Was nun beginnt, ist eine neue Runde im ewigen russischen Ratespiel: Wer hat die Macht im Kreml? Es ist kein Generalsekretär und kein russischer Präsident in Erinnerung geblieben, der sein Land darüber aufgeklärt und dem Rest der Welt diese Frage erspart hätte.'