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Politische Bots fluten Soziale Medien

Thomas Bärthlein / AN7. August 2016

Automatisierte Social-Media-Konten - Bots - übernehmen einen Teil unserer politischen Kommunikation. Die Bot-Armeen können Online-Debatten beeinflussen und Streit mit Usern vom Zaun brechen. Aber sind alle Bots schlecht?

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Symbolfoto Twitter (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J.Arriens

Fast jeder Twitter-Nutzer trifft irgendwann auf Bots. Der neue Follower mit dem eiförmigen Standard-Twitter-Profilbild, der genau einmal am Tag mehr oder weniger Gehaltsvolles auf 140 Zeichen twittert, ist wahrscheinlich so ein automatisierter Account.

Sehr häufig kommen Spam-Bots für kommerzielle Zwecke zum Einsatz. Andere Bots wiederum sind kreativ: Der @MagicRealismBot (mit knapp 40.000 Anhängern, wovon wiederum sicher viele Bots sind) wurde so programmiert, dass er alle zwei Stunden nach dem Zufallsprinzip Sätze twittert, die die Schriften magischer Realisten wie Jorge Luis Borges oder Gabriel Garcia Marquez imitieren.

Manipulierte Online-Debatten

Der Aufstieg der Bots hat viele neue Fragen aufgeworfen - zum Beispiel in der Politik. Automatisiert generierte Accounts können beispielsweise als Follower die Unterstützung eines Politikers höher erscheinen lassen als sie tatsächlich ist. Bot-Armeen können auch ganze Debatten im Netz torpedieren, indem sie durch massenhafte Tweets Argumente der anderen Partei marginalisieren. Oder die Bots starten bei bestimmten Schlüsselbegriffen eigenständig eine Online-Debatte mit anderen Bots und Usern.

"Bots verheddern sich häufig in den Skripten des anderen. Wir sehen, wie sie mit anderen Bots diskutieren oder wie User mit Bots debattieren", schreibt Professor Phil Howard vom Oxford Internet Institute in einer Einschätzung für die DW.

Für den einzelnen User kann es extrem schwer sein, einen Bot zu erkennen. Es gibt aber, so der Wissenschaftler, einige Hinweise auf ihre Existenz - unausgewogene Profile zum Beispiel: "Wenn ein User in deinem Netzwerk tausende Follower zu haben scheint, aber selbst nur einer Person folgt, dann ist es wahrscheinlich ein Bot."

Bots sind auch zum Werkzeug von autoritären Regimes geworden, die Online-Debatten beeinflussen wollen. Aber auch in Demokratien setzen Politiker sie ein, um die Meinung des Volkes in umstrittenen Fragen zu beeinflussen oder um bei Wahlen Stimmen zu sammeln. Mexiko und die Türkei zählen zu den Staaten, die Bots besonders intensiv nutzen.

Gefahr für die Demokratie?

"Wir haben keinen Bot identifizieren können, der die öffentliche Meinung in einer bestimmten Frage in eine besondere Richtung drehen konnte", gibt Bot-Forscher Howard zumindest teilweise Entwarnung. "Wo sie am besten ihren Dienst verrichten, ist, wenn Bots für Verwirrung sorgen sollen oder eine politische Debatte über ein globales Thema, in das eine autoritäre Führung verwickelt ist, ganz abwürgen."

"Entsprechend sind Bots ziemlich aktiv in Russland als Teil einer erfolgreichen Gesamtstrategie, um Fehlinformationen zu streuen oder Themen zu vernebeln. Zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs, als sich Journalisten und die interessierte Öffentlichkeit im Ausland ein Bild von der Lage machen wollten, flutete das Regime in Damaskus mit Hilfe von Bots das Netz mit dem Hashtag #Syria und zerstörte es damit als Informationsquelle für den Widerstand."

Sind Bots eine Gefahr für die Demokratie? Ist eine Zukunft möglich, in der Wahlen von der Partei mit den überlegenen Bots gewonnen werden? Saiph Savage, Computerwissenschaftlerin an der West Virginia University, bleibt bei diesen Fragen gelassen: "Ich denke, dass wir sehr wahrscheinlich als Gesellschaft Normen etablieren werden, welche Art von Bots wir akzeptieren und welche nicht."

"Wenn zum Beispiel ein Kandidat mit einer Bot-Armee erwischt wird, dann wird die Gesellschaft ihn bestrafen. Andererseits können Kandidaten, die Bots anspruchsvoll nutzen, um besser mit den Wählern zu kommunizieren, von diesen auch belohnt werden."

Engagement dank "Botivist"

Für ihre Forschung hat Savage auf dieser Grundlage Bots programmiert, die Bürger mobilisieren und an politischen Kampagnen beteiligen sollen. Ihr "Botivist" kann etwa Ideen im Crowdsourcing diskutieren: "Der Bot sucht und findet zum Beispiel User, die über Korruption klagen. Und dann fragt der Bot die User, wie wir Korruption bekämpfen können."

Selbst wenn die Accounts als Bots zu identifizieren waren, haben Bürger mit ihnen zusammengearbeitet. Botivists, glaubt Savage, sollten nicht vorgeben, echte Menschen zu sein, auch wenn das für mehr Feedback sorge. Auf lange Sicht könnten sich Freiwillige hintergangen fühlen, wenn sie ihre Zeit für eine Maschine investiert hätten, ohne es zu wissen.

Die Forscherin ist davon überzeugt, dass Aktivistenbots eine glänzende Zukunft vor sich haben. "Eine wirklich coole Sache der Bots ist, dass sie eine große Zahl von Menschen auf den Social-Media-Plattformen erreichen können. Man muss nicht erst warten, bis die User die App heruntergeladen haben, sondern hat sofort Zugang zu einer großen Gruppe von Personen."

Aktivisten der Black-Lives-Matter-Bewegung haben auf andere Art Anhänger mit Bots mobilisiert. Der @StayWokeBot twitterte eine Auswahl an poetischen Aussagen darüber, wie wichtig bestimmte Teilnehmer für die Bewegung sind. Viele Adressaten antworteten dem Bot tatsächlich mit Kommentaren wie: "Danke. Damit hast Du meinen Tag gerettet."