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Politik direkt Forum vom 05. 06. 2008

12. Juni 2008

"Verstehen Sie, warum immer mehr Menschen aus reichen Ländern auswandern?"

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Szenenbild aus der Kabel-1-Serie "Mein neues Leben".Bild: kabel eins

Informationen zum Thema:

Goodbye, auf Wiedersehen - warum immer mehr Deutsche ins Ausland gehen

Sie gehen, weil sie von einem besseren Leben träumen. Immer mehr Deutsche verlassen das Land, um im Ausland zu arbeiten. Das Statistische Bundesamt hat ermittelt, dass es noch sie so viele Deutsche waren, die ihre Heimat verlassen, auch inspiriert durch Auswanderer-Dauerserien im Fernsehen. Die Auswanderer suchen vor allem in Nordeuropa ihr Glück, wie die Familie eines Klavierbauers aus Norddeutschland.

Unsere Frage lautet:

"Verstehen Sie, warum immer mehr Menschen aus reichen Ländern auswandern?"

Antworten unserer Zuschauer:

Roland Bennesch, Uruguay:

"Das kann man nur mit "Ja" beantworten. Ich habe diesen Schritt vor 10 Jahren gemacht und ihn nie bereut. Man kann in fernen Ländern oft besser und ruhiger leben als in Deutschland. Und in punkto Freundlichkeit sind uns viele Länder überlegen."

A. Hegele, Brasilien:

"Wenn sich junge Leute in ihrem Beruf finanziell und fachlich verbessern können, ist es kein Fehler, wenn man in einem anderen Land eine Arbeit sucht."

Oliver Schneider, Island:

"Ich selbst bin nach Island ausgewandert. In meinem Fall liegen die Vorzüge auf der Hand: Ich habe einen neuen, herausfordernden Beruf, das fremde Land, die Sprache und natürlich, dass ich weit, weit weg bin von der deutschen Bürokratie. In Deutschland werden Zeugnisse immer noch überbewertet. Ein Blatt Papier zählt viel mehr als die eigentlichen Fähigkeiten. Das ist im Ausland zum Glück nicht der Fall. Die deutschen Industriebosse sollten sich nicht laufend über die schlechten Qualifikationen beschweren. Sie sollten lieber darauf schauen, wie die Leute wirklich arbeiten."

René Junghans, Brasilien:

"Ich selbst bin 1972 nach Brasilien ausgewandert. Wenn ich heute auf all die Jahre zurückblicke, muss ich ehrlich sagen, dass ich es nicht bereut habe, weggegangen zu sein. Wenngleich ich ab und zu ein wenig Heimweh habe. Da reise ich dann mit meiner Familie in den Ferien nach Europa. Verheiratet bin ich mit einer Brasilianerin, habe zwei brasilianisch-deutsche Söhne und ein Eigenheim. Eigentlich nichts, worüber ich klagen könnte. Finanziell stehe ich heute sicher um einiges besser da, als wenn ich in Deutschland geblieben wäre. Der Grund auszuwandern, war ganz einfach Fernweh, der Wunsch, aus dem Kleinstadtmilieu meiner Geburtsstadt Reutlingen herauszukommen. 1972 ging es auf eine Reise Richtung Südamerika, und da bin ich dann gleich in Brasilien geblieben. Damals war es einfach, ein Dauervisum zu bekommen. Man brauchte nur einen Arbeitsplatz nachzuweisen. Und die gab es reichlich damals, wenn man Deutsch und Englisch beherrschte. Wenn ich heutzutage all das Gejammer über Armut und Hartz IV in den Medien mitverfolge, frage ich mich ganz ehrlich, wieso die Menschen sich so einfach ihrem Schicksal hingeben und ihr Glück nicht anderswo versuchen. Die Verbundenheit zur alten Heimat wird immer bestehen bleiben, aber in Brasilien bin ich zu Hause, und da will ich nicht mehr weg."

Jürgen Schönwetter, Kanada

"Ich danke Ihnen für die interessante und aufschlussreiche Sendung. Ich kam 1957 aus Deutschland mit einem Gesellenbrief als Elektriker und junger Abenteurer nach Kanada. Hatte nie die Absicht, hier zu bleiben. Ich liebe Deutschland als mein Vater- und Ahnenland. Alle Deutschen, welche vorhaben auszuwandern, sollten eines nicht übersehen: Bedeutet ihnen ihre Nationalität als Deutscher etwas? Kann man als Mensch mit Charakter so einfach seine Ahnen und Landsleute aufgeben? Und: Sollten ökonomische Gründe mein und meiner Kinder Leben so dominieren?"

Stephan Pabel, Brasilien:

"Ja, wer glaubt, dass sein Leben im Ausland besser ist, der einen gefragten Beruf hat und da auch talentiert ist, hat ja in vielen Ländern eine reelle Chancen. Für die meisten kommt jedoch mehr oder weniger schnell die Ernüchterung nach der Erkenntnis: Wo man auch ist, der Kampf ums Überleben ist immer und überall derselbe und gleich schwer - auf dem Niveau, auf dem man gewohnt war zu leben. Und die eigenen Defizite nimmt man, wohin man auch geht, immer mit. Am Ende ist die Lebensqualität nicht besser, sondern nur anders, wenn nicht gar schlechter, wenn man sich an fremde Mentalitäten nicht gewöhnen kann oder mag."

Janna Drummer, Argentinien:

"Wer in der Fremde lebt, schreitet in einen leeren Raum hoch über dem Boden, ohne das Rettungsnetz, das einem das eigene Land bietet, in dem man Familie, Kollegen und Freunde hat. Wie in der Sendung deutlich wurde, macht es rein ökonomisch Sinn. Aber oft vergessen wir, dass das emotionale Wohl genauso wichtig ist wie das finanzielle. Krisensituationen im Ausland zu meistern ist möglich, aber schwierig. Kommt man dann einmal vom 'geraden' Weg ab, bemerkt man, dass der rettende Boden eben nicht da ist."

Wiltrud Eva Matthes, Vereinigte Arabische Emirate:

"Auch ich habe Deutschland den Rücken gekehrt. Umstrukturierungen, Entlassungen, immer höhere Steuern und Abgaben sowie eine grundsätzlich pessimistische Stimmung im Land, haben es mir sehr leicht gemacht, zu gehen. Deutsche Ausbildung und die sogenannten 'deutschen Tugenden' sind hoch angesehen im Ausland. So ist es verständlich, dass immer mehr Menschen ihr Glück in der Ferne suchen."

Paya Naderi, Kanada:

"Als Deutsch-Iraner habe ich in China viel mehr Geld verdient als in Deutschland. Dazu habe ich weniger Ausgaben gehabt und konnte meine Berufsperspektiven besser planen. Die internationalen Schulen waren auch besser als die in Deutschland. In Europa hingegen gibt es leider eine Art beruflichen Protektionismus, der den Fair-Play gefährdet."

Jörg Rademacher, Südafrika:

"Ich denke, dass Auswandern immer schon ein deutsches Phänomen war und ist. Ich bin vor 20 Jahren nach Südafrika ausgewandert wegen des besseren Wetters; sozusagen ein Klimaflüchtling. Eine starke deutsche Einwandererwelle nach Südafrika gab es um das Jahr 2000 herum. Derzeit kommen vor allem Briten, aber auch weiterhin Deutsche. Natürlich kommen die neuen Einwanderer nicht mehr aus Not. Sie kommen aus Abenteuerlust, und sie suchen nach einem Lebensstil, der nicht so verkrampft ist wie der in Deutschland. Wenn ich höre, dass Leute ins europäische Ausland umziehen und das Auswandern nennen, muss ich schmunzeln. Das wäre so, als wenn ich als Ostfriese nach Bayern ziehe und dann denn großen Kultursprung gemacht hätte. Ob Deutschland oder EU - ich sehe da keinen Unterschied mehr. Könnte mich dort nicht mehr einleben. Habe es nie bereut, ausgewandert zu sein."

Aeron Paul Soriano, Philippinen:

"Viele Leute wollen auch heute noch auswandern. Sie wollen das Beste für ihre Familien, ein sicheres, besseres Leben, das die Heimatländer oft nicht bieten. Solche Leute suchen nach einem Neustart, nach einem Grundstück mit Grün drumherum. Und viele der Auswanderer streben auch eine neue Staatsbürgerschaft an, nämlich die des Auswanderungslandes."

Lee Davis, USA:

"Ich glaube, es liegt daran, dass viele Leute in ihren Heimatländern einfach nicht genug verdienen. Die Auswanderer suchen nach einem Land, wo die Lebenshaltungskosten nicht so hoch sind."

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Auswanderung hat wohl überwiegend wirtschaftliche Gründe. Wenn die einheimischen Unternehmer, Arbeitskräfte aus Billiglohnländern beschäftigen, ist Auswandern eine verständliche Reaktion. Dann gibt es natürlich auch eine Wanderungsbewegung zwischen den gut-zahlenden Ländern. Auswanderer gehen einfach da hin, wo sie gut bezahlt werden."

Herbert Fuchs, Finnland:

"Mit Sicherheit kann man gut nachvollziehen, dass immer mehr, meist junge Menschen, speziell aus reichen Länder ihre Koffer packen und ihrer alten, vertrauten Heimat ade sagen. Es sind meist gutausgebildete junge Menschen mit
erstklassigen Berufskenntnissen, die nach unendlich langer Jobsuche in billigen Lohnjobs geistig verkümmern, weil die Chancen einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden mehr als miserabel geworden sind. Dazu
noch die schlauen Sonntagsreden der Politiker,
die zwar laufend von der positiven Wende auf dem Arbeitsmarkt sprechen, was aber im Grunde alles nur Schall und Rauch ist. Es sind im Grunde sehr mutige Menschen, die rechtzeitig erkennen, dass in den reichen Länder nur noch das große Geldverdienen zählt und der einzelne, arbeitende Mensch sehr, sehr wenig wert ist und nur als Kostenfaktor angesehen wird. Deshalb geben sich viele Familien einen Ruck und suchen ein neues Land, wo man mit seiner Familie und seinem Leben weitaus besser davon kommt als im Heimatland und dem eigenen Glück auf die Sprünge hilft. Viele junge Auswanderer sehen deutlich, dass in reichen Länder soviele Unternehmer sich zu Anarchokapitalisten gemausert haben und sie wollen mit dieser Fratze der Abzocker nichts mehr zu tun haben. Besser heute, als morgen gehen!"

Erwin Scholz, Costa Rica:


"Deutschland glitt sehr viel Verstand
über Jahre aus der Hand.
Weg jetzt von 'zu Haus' und fort
an den unerprobten Ort?
Stellt gedanklich sich drauf ein,
anderswo möcht's nicht so sein."

Die Redaktion 'Politik direkt' behält sich vor, Zuschriften zu kürzen.