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Politik

Perry: USA müssen auf Nordkorea zugehen

Michael Knigge jdw
22. Juni 2017

Die USA sollten die Interessen Nordkoreas analysieren und berücksichtigen, rät Ex-US-Verteidigungsminister William Perry. Sonst wäre die Chance auf Verhandlungen verschwendet, sagt er im DW-Interview.

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US Flugzeugträger USS Carl Vinson
In Nordkoreas Augen eine Provokation: US-Flugzeugträger USS Carl Vinson bei Militärübungen im Japanischen MeerBild: Reuters/U.S. Navy/M. Castellano

Deutsche Welle: Als der US-amerikanische Student Otto Warmbier aus der nordkoreanischen Haft heimkehrte, sagten Sie, Sie sähen eine Chance für Diplomatie mit Nordkorea. Hat sich das nach dem Tod Warmbiers geändert?

William Perry: Nein, denn mir war schon vorher klar, dass wir es mit einem skrupellosen Regime zu tun haben. Das hatte sich ja schon im Umgang mit anderen Geiseln und in den Mordversuchen in Südkorea geäußert. Wir müssen also hellwach in die Verhandlungen mit Nordkorea gehen: Wir haben es mit einem gnadenlosen Regime zu tun, das im Besitz von Atomwaffen ist. Und der einzige Weg, damit umgehen, ist derzeit die Diplomatie.

US-Präsident Donald Trump ließ kürzlich durchblicken, dass er China bei Verhandlungen möglicherweise außen vor lassen wolle, während Außenminister Rex Tillerson sich diesen Weg wohl offenhalten will. Ist sich die US-Regierung uneins in der Nordkorea-Frage?

William Perry, ehemaliger US-Verteidigungsminister
William Perry war Verteidigungsminister der USA unter Präsident Bill ClintonBild: picture-alliance/AP Photo/A. Brandon

Präsident Trump hat widersprüchliche Dinge dazu geäußert, deshalb sehe ich das nicht als Fahrplan an. Ich denke, wichtig ist, was sein Sicherheitsteam sagt. Bei Außenminister Rex Tillerson, Verteidigungsminister James Mattis und Sicherheitsberater H. R. McMaster gehe ich davon aus, dass sie durchaus an Verhandlungen interessiert sind. Und ich nehme an, dass sie dem Präsidenten bald einen Fahrplan dafür vorlegen werden.

Sie haben den Regierungen von George W. Bush und Barack Obama vorgeworfen, sie hätten nie eine schlüssige oder erfolgversprechende Nordkorea-Strategie verfolgt. Wie sähe denn eine solche Strategie aus?

Als ich Verteidigungsminister war (1994 bis 1997) und später als Regierungsberater habe ich militärische Präventivschläge als ernsthafte Option erachtet. Ich weiß nicht, ob das damals eine gute Idee war oder nicht - heute bin ich überzeugt, dass sie das nicht mehr wäre. Ein Militärschlag würde mit Sicherheit zu einer militärischen Antwort führen, die - selbst mit konventionellen Waffen - großen Schaden in Südkorea anrichten würde. Wahrscheinlich würde das auch die USA betreffen, schließlich haben wir annähernd 30.000 Soldaten in Südkorea stationiert. Außerdem könnte das schnell in einen nuklearen Konflikt ausarten. Deshalb würde ich derzeit nicht zu einem Präventivschlag raten.

Das ursprüngliche Ziel der Sechs-Parteien-Gespräche (Nordkorea, Südkorea, China, Japan, Russland, USA) war, Nordkorea daran zu hindern, überhaupt in den Besitz von Atomwaffen zu kommen. Die verhängten Wirtschaftssanktionen haben das Regime aber nicht davon abgehalten. Warum könnten neue Gespräche mehr Erfolg haben - jetzt, da Nordkorea offenbar einsatzfähige Atomwaffen hat?

Man hat nie die Ziele der anderen Seite berücksichtigt. Und die liegen vor allem darin, das Kim-Regime an der Macht zu halten. Wirtschaftliche Vorteile, die wir ihnen angeboten haben, würden sie gerne annehmen, aber nicht im Tausch gegen das Regime. Die Bush-Regierung hat ziemlich klar auf einen Kollaps der Regimes gesetzt. Die Obama-Regierung hat ihre Nordkorea-Politik "strategische Geduld" genannt, die im Prinzip auch darin bestand, zu warten, bis das Regime kollabiert. Für mich ist das kein ernsthafter diplomatischer Ansatz, der sich mit Nordkoreas Ziel auseinandersetzt, die Kim-Dynastie zu erhalten. Wenn wir dazu nicht bereit sind, brauchen wir auch keine Zeit mit Verhandlungen zu verschwenden.

Was wäre denn ein vernünftiges, realistisches Ziel für die US-amerikanische Diplomatie?

Als ich vor vielen Jahren mit Nordkorea verhandelt habe, haben wir versucht, das gesamte Atomprogramm und die Langstreckenwaffen zu eliminieren. Heute liegt die Stange deutlich höher, weil das Regime ein Atomarsenal besitzt, das es nicht einfach so aufgeben wird. Wenn wir es immer noch darauf anlegen, Atomwaffen von der koreanischen Halbinsel zu verbannen, müssen wir erst einmal erreichen, dass Nordkorea sein Nuklearprogramm einfriert. Erst dann könnten wir über atomare Abrüstung sprechen. Es wäre also ein langsamer und komplizierter Prozess.

Könnten oder sollten Europa und speziell Deutschland eine Rolle in dem Konflikt übernehmen?

Zu diesem Zeitpunkt sind die sechs Parteien wohl genug. Aber wenn das Atomproblem gelöst ist und die Wiedervereinigung der beiden Koreas ein Thema wird, dann werden Deutschlands Hintergrundwissen und Erfahrungen sicher nützlich sein.

William Perry war von 1994 bis 1997 US-Verteidigungsminister unter Präsident Bill Clinton. Nach seiner Zeit im Pentagon wurde er Sondergesandter der USA in Nordkorea. Mit seinem W. J. Perry Project informiert er die Öffentlichkeit über die Gefahr eines Atomkriegs.

Die Fragen stellte Michael Knigge.