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Umstrittene Agrarreform

Sabrina Pabst21. November 2013

Die EU knüpft Landwirtschafts-Subventionen künftig an Umweltauflagen. Doch nicht alle Pläne von EU-Agrarkommissar Cioloş werden umgesetzt. Umweltverbände und grüne EU-Parlamentarier sind enttäuscht.

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Heuernte auf einer Wiese, im Vordergrund ein blühendes Rapsfeld bei Sinsheim. "Foto: Ronald Wittek, dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Dacian Cioloş hatte große Pläne: Seine Agrarreform sollte eine grüne Revolution auslösen. Er wollte künftig gravierende Umweltschäden und eine massive Ausbeutung der Natur in der Europäischen Union verhindern. Die Vorschläge des EU-Agrarkommissars richteten sich an den Grundsatz, öffentliche Gelder an öffentliche Leistungen zu knüpfen. Das heißt: Die Landwirte, die ab 2014 sogenannte Direktzahlungen von der EU erhalten, bekommen nur den vollen Finanzzuschuss, wenn sie Umweltauflagen zum Natur- und Artenschutz einhalten. Mit dieser Forderung setzte sich der EU-Kommissar aus Rumänien durch: Künftig drohen landwirtschaftlichen Betrieben Abzüge von bis zu 30 Prozent bei den Finanzspritzen aus Brüssel, falls sie die neuen Agrarvorgaben nicht erfüllen.

Landwirtschaftliche Großbetriebe können trotzdem aufatmen: Nach Intervention der EU-Landwirtschaftsminister und des Agrarausschusses des Parlaments treffen sie die Kürzungen bei den Subventionen weitaus weniger stark als von Cioloş geplant.

Im Zentrum der Polit-Schlacht: Dacian Cioloş

Der Finanzplan der EU sieht für das Jahr 2013 ein Budget von knapp 60 Milliarden Euro für den landwirtschaftlichen Sektor vor. Das ist rund ein Drittel des gesamten EU-Haushalts. Viel Geld für einen Sektor, der in der EU weniger als fünf Prozent Beschäftigte stellt.

EU-Agrar-Kommissar Dacian Cioloş (Foto: Georges Gobet, AFP/Getty Images)
EU-Agrarkommissar Cioloş: Forderungen nach einer umweltfreundlichen LandwirtschaftBild: Georges Gobet/AFP/Getty Images

Aber der Geldsegen aus Brüssel nimmt von Jahr zu Jahr ab. Das Problem: Je kleiner das EU-Budget, desto geringer werden die Zahlungen an die Landwirte. Dabei ist die EU in zwei Lager gespalten: Die Osteuropäer wollen mehr Geld, anderen Ländern gingen die vorgeschlagenen Kürzungen nicht weit genug. Sicher ist nur, dass das Geld nur fließen soll, wenn besondere Umweltleistungen erbracht werden. Die Konsequenz: mehr Auflagen, mehr Bürokratie.

Berechnet werden diese finanziellen Zuwendungen bisher ganz einfach: Die Fläche der Felder einzelner landwirtschaftlicher Betriebe ist entscheidend, egal was dort angebaut oder produziert wird. "Wenn in Italien jemand Mais angebaut hat, aber seit fünf Jahren keinen Mais anbaut, sondern Weizen, bekommt er nach wie vor über 1000 Euro pro Hektar", sagt Albert Deß, Abgeordneter des Europäischen Parlaments von der konservativen CSU und Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft.

EU-weite Spielregeln

"In Deutschland wollen die Bauern lieber weniger Geld, statt mehr Bürokratie", meint Albert Deß. Die Interessenslage landwirtschaftlicher Vertreter - vom kleinen Bauern bis zu großen Industriebetrieben - seien länderübergreifend zu unterschiedlich, um sie in einem Bereich zu vereinen. "Wir haben große Unterschiede in den Zahlungen für die einzelnen Mitgliedsländer. So bekommt ein lettischer Bauer 78 Euro pro Hektar und ein Landwirt in Griechenland 575 Euro. Das ist gravierend. Das kann über zwanzig Jahre nach der europäischen Grenzöffnung nicht mehr sein."

Der Europa-Kandidat der CSU, Albert Deß (Foto: Armin Weigel dpa/lby)
Albert Deß: "Ausgleich für Defizite zwischen den EU-Staaten"Bild: picture-alliance/dpa

Albert Deß bewirtschaftet selber landwirtschaftliche Flächen in Bayern. Durch den ständigen Austausch mit betroffenen Landwirten kennt er die aufkommenden Probleme. "In unserem Parlamentsbeschluss steht drin, dass wir kein neues Zahlungssystem wollen, das zu neuen Kontroll- und Sanktionsmechanismen führt. Das ist mit 90 Prozent der Stimmen im Parlament beschlossen. Der Kommissar hat sich nicht an den Parlamentsbeschluss gehalten und jetzt kommt doch ein neues System."

Willy Kampmann vertritt den Deutschen Bauernverbands in Brüssel. Auch der Cheflobbyist sieht die Entwicklungen kritisch: "Man kann feststellen, dass die Agrarpolitik insgesamt komplexer, möglicherweise noch komplizierter wird. Die Ausgestaltung der Direktzahlungen wird mehr Bürokratie nach sich ziehen." Kampmann verdeutlicht, wenn große Teile des landwirtschaftlichen Einkommens gestrichen werden, müssten die Betriebe reagieren. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft würde in noch größeren Schritten vorangehen.

Ein Mähdrescher fährt über ein Weizenfeld in der Nähe von Derbyshire, England.) (Foto: Christopher Furlong/Getty Images)
Weizenanbau in England: Ökologische Ausgleichsflächen sollen Monokulturen in der EU verringernBild: Getty Images

Die Direktzahlungen sind das Kernstück der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Sie wurde in der EU Ende der Neunziger Jahre sowohl als Sicherung der Produktpreise, als auch als Einkommenssicherung der Landwirte eingeführt. Doch die Subventionen sorgten für Kritik in vielen Entwicklungsländern. Ohne die Zahlungen aus Brüssel hätten gerade Entwicklungsländer wegen der niedrigen Kosten für Agrarflächen und Arbeitskräfte im landwirtschaftlichen Sektor auf dem Weltmarkt einen Wettbewerbsvorteil.

Geringe Preise für Ackerland bieten auch die neuen EU-Beitrittsländer. Lutz Ribbe ist Naturschutzdirektor der Organisation Euronatur und berät die EU-Agrarkommission. Er betrachtet die landwirtschaftliche Entwicklung in der EU skeptisch. "Die Niederlande sind beispielsweise an ihre Grenzen gestoßen. Die Einkommen der Landwirte stimmen nicht mehr, die Umwelt geht kaputt. Die großen Betriebe, die sich dort nicht mehr weiter entwickeln können, gehen aus den Niederlanden weg und werden in Osteuropa mit offenen Armen empfangen."

"Für Umwelt gibt es keinen Marktpreis"

Lutz Ribbe macht für die Ungleichheit zwischen den Mitgliedsstaaten der EU den Stillstand in der Agrarreform verantwortlich. Schuld sei aber nicht der Europäische Agrarkommissar alleine: "Die Agrarpolitiker, die da entschieden haben, das sind teilweise alte Minister, die haben die Agrarlobby auf dem Schoß sitzen." Und gegen diese Agrarlobby kämpt EU-Agrarkommissar Cioloş. "Der Vorschlag Cioloş wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Die Bauern, die ökologisch wirtschaften, hätten Wettbewerbsnachteile. Die neue Ausgestaltung der Direktzahlungen solle diese Nachteile ausgleichen, indem man die Umweltleistungen honoriert."

Ein Pärchen fährt auf einem Trecker zwischen blühenden Wiesen in der Nähe von Pfronten. Am Horizont sind schneebedeckte Berge zu erkennen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrandt, AFP/GettyImages)
Bauern im Allgäu: Ökologische Leistungen von Landwirten sollen entlohnt werdenBild: JOSEF HILDENBRAND/AFP/GettyImages

Albert Deß hat bemerkt, dass die Bereitschaft zur Umsetzung der Pläne von Dacian Cioloş seitens der Landwirte besteht. Eine ökologisch verträgliche Landwirtschaft sei aber nur umsetzbar, wenn auf die landschaftlichen Gegebenheiten des jeweiligen Landstrichs eingegangen werden würde. "Es ist mir unverständlich, wie 28 Staaten, die gleichen Vorschriften erfüllen sollen. Da braucht man einen Katalog mit nationalen Möglichkeiten, aus dem jeder Landwirt von Finnland bis Zypern die geeignete Maßnahme wählen kann."

Vor Dacian Cioloş gab es schon mehrere Agrarkommissare mit revolutionären Plänen. Die EU-Agrarminister stutzten bereits im November 2012 einige der weitreichenden Änderungspläne des Kommissars. Am 26. Juni 2013 folgte dann der Kompromiss, auf den sich Europäisches Parlament, Ministerrat und EU-Kommission einigten. Nach dem Abnicken durch den Agrarausschuss des EU-Parlaments Ende September gab auch das Parlament am 20. November grünes Licht für die grüne Revolution.