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Parkinson auf den Fersen

Gudrun Heise
16. November 2016

Chronische Erkrankungen verlaufen oft schleichend. Wie merkt man dann, ob es dem Patienten besser oder schlechter geht? Sensoren sollen dabei helfen. Vorgestellt wurden sie auf der Medizinmesse Medica in Düsseldorf.

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Deutschland Sensor basierte Ganganalyse
Bild: Messe Düsseldorf/ctillmann

Für die Analyse wird lediglich ein Schuh benötigt. An dem werden Sensoren befestigt, ausgefeilte Technik. Was diese Sensoren aufzeichnen, soll die Diagnostik und auch die Therapie bei chronischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson optimieren.

Jochen Klucken, von der Molekularen Neurologie der Universitätsklinik Erlangen, hat maßgeblich an der Entwicklung dieser Ganganalyse mitgewirkt. "Wir können aus dem Gangbild relativ genau erkennen, welche Störung oder gesundheitliche Einschränkung vorliegt. Das gilt zum Beispiel für Morbus Parkinson", erklärt Klucken. Diese Art der Diagnostik solle in unser heutiges, in unser mobiles Leben, integriert werden. 

Neben dem Universitätsklinikum Erlangen waren außerdem die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Astrum IT - ein Unternehmen, das Software entwickelt - an der Entwicklung des Ganglabors beteiligt.

Home-Monitoring

Die Sensoren messen beispielsweise die Länge der Schritte, die Geschwindigkeit, mit der die Testperson läuft und wie lange die Standphase dauert. Auch der Abstand zwischen Fuß und Boden wird aufgezeichnet.

Die Sensoren können an jedem beliebigen Schuh angebracht werden. Sie sollen es dem Patienten ermöglichen, Ganganalysen auch zuhause durchzuführen. "So können sie frühzeitig sehen, ob sich Veränderungen zeigen oder auch, ob ein Medikament angeschlagen hat oder nicht", so Klucken. Anhand der Ganganalyse könne man erkennen, ob sich eine Erkrankung verschlechtert hat oder nicht. Denn bei vielen chronischen Erkrankungen spiegelt sich das in einem veränderten Gang wider.

Verschiedene Algorithmen

Die Idee, Gangbilder zu erstellen, ist nicht neu. Klucken und sein Team aber sind einen Schritt weitergegangen. Im Vergleich zu dem normalen Aktivitätsmessungssensor müssen die neuen Sensoren erst einmal lernen, die Art der beschädigten oder eingeschränkten Bewegung mit einer bestimmten Krankheit zu verknüpfen. "Die Systeme müssen spezifisch auf unterschiedliche Erkrankungen trainiert werden", erläutert Klucken. Der Algorithmus muss für einzelne Krankheiten individuell entwickelt werden. "Ich kann einem Sensor, der Parkinson-spezifische Gangstörungen erfassen kann, nicht automatisch sagen: 'Und jetzt guck mal bei einem Kniegelenkspatienten nach - oder bei einem Schlaganfall-Patienten.' Die Art der Gangstörung ist jedes Mal anders." Das System muss sie also jeweils trainieren.

Uniklinik Leipzig Parkinson
Im MRT wird der Verlauf einer Parkinson-Erkrankung untersuchtBild: picture alliance/ZB

Engmaschige Kontrolle

Neben Parkinson können auch entsprechende Algorithmen für Multiple Sklerose, Chorea Huntington oder auch Ataxie-Patienten entwickelt werden. Wird eine solche Erkrankung diagnostiziert und eine Therapie vom Arzt verordnet, dann kann das System relativ schnell erkennen, ob die Therapie wirkt. Das Gangbild gibt darüber Auskunft.

Der Patient muss also nicht unbedingt auf einen vielleicht weit entfernten Arzttermin warten, er kann schon vorher selbst überprüfen, ob es Veränderungen gegeben hat oder nicht. Hat sich etwas verschlechtert? Ist es unter dem verordneten Medikament vielleicht zu einem Stillstand der Erkrankung gekommen - oder sogar zu einer Verbesserung? Für Klucken ist das einer der wesentlichen Vorteile der sensorgesteuerten Bewegungsanalyse.

Wenn ein Patient nach langem Warten auf einen Arzttermin in die Praxis kommt, dann geht es ihm oft längst wieder gut - dann hätte er eigentlich gar nicht kommen müssen - oder es geht ihm noch immer schlecht, erläutert Klucken. "Dann aber geht es ihm nicht erst seit heute schlecht, sondern möglicherweise seit mehreren Woche - und das ist ihm gar nicht bewusst, denn viele chronische Krankheiten entwickeln sich sehr langsam weiter. So eine Technologie bemerkt das und kann rechtzeitig sagen: 'Hoppla, jetzt müssen wir etwas tun, damit nicht noch Komplikationen dazu kommen'", sagt Klucken.

Zehn Jahre hat er mit Ingenieuren zusammen gearbeitet. Für ihn sei eine positive Erfahrung das Interdisziplinäre gewesen - "dass hier das Verständnis zwischen Ingenieurlösung und medizinischer Fragestellung tatsächlich zu einer Anwendung geführt hat, die am Ende Menschen helfen kann."