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Tempo und Eleganz mit kurzen Schlägern

Herbert Schalling
29. November 2021

Eishockey ist fast so alt wie der Fussball. Die erste offizielle Partie fand 1875 in Kanada statt. Seit rund 50 Jahren gibt es auch eine parasportliche Variante des schnellen, dynamischen Spiels.

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Para-Eishockeyspieler Bas Disveld im Trikot der deutschen Nationalmannschaft auf dem Eis
Bas Disveld, Kapitän des deutschen Para-Eishockey-TeamsBild: Hafner/nordphoto/picture alliance

Sie flitzen mit Tempo über das Eis, umkurven elegant ihre Gegenspieler und feuern den Puck mit hoher Geschwindigkeit Richtung Tor -  Faszination Eishockey. Das Besondere: Diese Spieler üben den schnellsten Mannschaftssport der Welt im Sitzen aus. Para-Eishockey heißt ihre Disziplin. Entwickelt wurde sie zu Beginn der 1970iger Jahre in Schweden. Seit 1994 ist sie olympisch. Die Ausrüstung, die Regeln entsprechen denen des Eishockeys. Nur die Spielzeit ist etwas kürzer - drei Mal 15 Minuten.

"Unsere Ausrüstung besteht aus einem Schlitten, der eine schmale Mittelkufe direkt unter der Sitzschale hat", erklärt Bas Disveld, der Kapitän des deutschen Para-Eishockey-Teams. "Dazu haben wir zwei verkürzte Schläger, an einem Ende mit einer Kelle, am anderen mit Spikes" Mit Hilfe dieser Spikes bewegen sich die Spieler mit Doppelschüben übers Eis, so wie Skiläufer in der Loipe. "Die größte Herausforderung ist, die Balance zu halten. Ich habe einige Zeit gebraucht, das hinzubekommen", erzählt Disveld.   

Sechs Teams - ein Ziel: die Paralympics

Mit seinen Mannschaftskameraden kämpft er in diesen Tagen in Berlin um eine Fahrkarte zu den Paralympics in Peking (4.-12. März 2022) "Wir müssen hier Erster oder Zweiter werden, um unseren Traum zu verwirklichen", meint Bas Disveld: "Bei einem olympischen Turnier mitspielen zu können, motiviert uns alle gewaltig." Der 45-Jährige spricht aus eigener Erfahrung. Disveld war schon 2006 in Turin dabei, als Deutschland bei der bisher einzigen Teilnahme Vierter wurde.

Bas Disveld (r.),versucht umringt von schwedischen Gegenspielern
Schweden gewann zwei Mal Bronze bei den ParalympicsBild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Bei der Weltmeisterschaft in diesem Jahr schaffte das Team den Aufstieg in die A-Gruppe der besten Acht. Der Jüngste in der Mannschaft ist 22, der Älteste 56. Beim Turnier jetzt sind Norwegen, Italien, die Slowakei, Schweden und Japan die Gegner. Alle haben das gleiche Ziel, die Qualifikation zu schaffen. "Ich möchte meine dritten Olympischen Spiele erleben", bekennt der Schwede Christian Hedberg: "Für mich sind Olympische Spiele das Größte auf der Welt." Er war schon 2014 in Sotschi und 2018 in Pyeongchang dabei. Der Italiener Gian-Luca Cavalliere möchte zum ersten Mal einen Wettkampf unter den fünf Ringen erleben. Sein Team gilt in Berlin als Favorit auf den Turniersieg.       

Der Sport eröffnete neue Chancen

Bei allen Para-Eishockeyspielern ist die Beweglichkeit der unteren Gliedmaßen eingeschränkt. Sie können ohne Krücken oder Prothese nicht stehen oder sich fortbewegen. Die meisten Spieler sind durch Unfälle eingeschränkt. Einige leiden seit ihrer Geburt an einer Lähmung oder anderen Wirbelsäulenerkrankungen. Durch den Sport haben sie nach ihren persönlichen Schicksalsschlägen ins Leben zurück gefunden.

Bas Disveld (2.v.r.) erzielt ein Tor gegen die Slowakei
Para-Eishockey: Bisher dominieren Männer diesen SportBild: Hafner/nordphoto/picture alliance

Christian Hedberg aus dem Drei-Kronen-Team sitzt seit einem Absturz beim Gleitschirmfliegen im Rollstuhl. Bas Disveld ist seit einem Autounfall 1997 vom zweiten Lendenwirbel abwärts in seiner Beweglichkeit eingeschränkt. Als Jugendlicher trainierte er im Schwimm-Verein. "Da war ich längst nicht so zielstrebig wie jetzt", erzählt er. "Durch das Eishockey habe ich die Möglichkeit aus dem Rollstuhl rauszukommen, mich anders zu bewegen." Anfang der 2000er Jahre hatte Disveld mit dem Para-Eishockey begonnen. Seit 2005 ist er Nationalspieler. "Der Sport hat meinen Ehrgeiz angestachelt. Ich will im Eishockey noch was reißen", gibt er lächelnd zu. Dafür trainiert er neben seinem Job als Controller bei einer Bremer Reederei viel, wie an seinem muskulösen Oberkörper gut zu erkennen ist.

Mehr Frauen für Para-Eishockey begeistern

Para-Eishockey ist sicher noch eine Randsport-Disziplin. Sie hat jedoch in den letzten Jahren in immer mehr Ländern Fuß gefasst, auch in solchen, in denen man Eishockey nicht vermutet. So ist auch Australien Mitglied im WPI (World Para Ice Hockey), dem internationalen Verband dieser Sportdisziplin. Er unternimmt einiges, um Para-Eishockey noch populärer zu machen. Zum Beispiel werden regelmäßig sogenannte "Entwicklungscamps" organisiert, um die Förderung des Nachwuchses voranzubringen. Man will künftig auch Frauen für das Para-Eishockey begeistern. Gegenwärtig gibt es in Europa keine weiblichen Teams. Die Norwegerin Lena Schröder ist die einzige aktive Spielerin auf hohem sportlichen Niveau. Sie spielt im norwegischen Männer-Team. Auch sie ist beim Turnier in Berlin mit dabei.