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Die Liste im Museum

8. November 2010

Steven Spielberg machte den Namen Schindlers unsterblich. In Krakau hat er dem deutschen Industriellen ein Denkmal gesetzt. Die Stadt Krakau erinnert nun an ihn und das Schicksal der Krakauer Juden.

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Eine Straßenszene aus dem Krakau der Vorkriegszeit (Foto: Muzeum Historyczne Miasta Krakowa)
Eine Zeitreise durch das Krakau der 30er und 40er JahreBild: Muzeum Historyczne Miasta Krakowa

Das Museum befindet sich in einem Industriegebiet in Krakau. Es ist kein typischer Ort für Touristen. Trotzdem strömen zahlreiche Besucher in diese Gegend. Touristenbusse kurven durch die holprigen Straßen. Der Grund: Hier befindet sich die ehemalige Fabrik Oskar Schindlers.

Der amerikanische Regisseur Steven Spielberg hatte den deutschen Industriellen berühmt gemacht. Er drehte 1993 an den Originalschauplätzen in Krakau den Film 'Schindlers Liste', der vom heldenhaften Einsatz des Unternehmers zur Rettung seiner jüdischen Belegschaft erzählt. Damals standen die Besucher vor verschlossenen Toren und schauten sich das Fabrikgelände von außen an. Seit dem Sommer dieses Jahres steht das Gebäude allen Besuchern offen.

Nachstellung des Bahnhofs, von dem aus Juden in die Vernichtungslager geschickt wurden (Foto: Muzeum Historyczne Miasta Krakowa)
Per Zug zum industriellen MassenmordBild: Muzeum Historyczne Miasta Krakowa

Die Stadt Krakau hat das ehemalige Fabrikgelände zu einem Museum umgewandelt und in diesem Sommer die erste ständige Dauerausstellung über das Leben in dem von den Nazis besetzten Krakau unter dem Motto "Krakau – Okkupationszeit 1939-1945" eröffnet.

Die Ausstellung zeige die Geschichte der Person Oskar Schindlers und seiner Arbeiter. "Sie sind Hauptprotagonisten dieser Ausstellung. Aber nicht die Einzigen." Stellt Monika Bednarek, Kuratorin der Dauer-Ausstellung, klar. Die Ausstellung ist allen von der Nazi-Okkupation in der Stadt Betroffenen gewidmet. Das Schicksal der jüdischen Arbeiter und Angestellten in Schindlers Fabrik wird in diesem Gesamtkontext dargestellt.

Von der Emaillefabrik zur Erinnerungsfabrik

Oskar Schindler lebte von 1908 bis 1974. Er war als Sohn einer deutschen Fabrikantenfamilie geboren worden. Im Oktober 1939 - nach der Besetzung Polens durch Nazi-Deutschland - erwarb er in Krakau eine Emaillewarenfabrik, die bis zur angeordneten Arisierung in jüdischem Besitz gewesen war. Er produzierte Blechgeschirr und später Hülsen und Zünder für die Rüstungsindustrie.

Töpfe und Pfannen aus der Fabrik des Oskar Schindler, sowie ein typischer Schreibtisch der 40er Jahre (Foto: Muzeum Historyczne Miasta Krakowa)
Eine ganz normale MetallwarenfabrikBild: Muzeum Historyczne Miasta Krakowa

Schindler profitierte von der Arisierung jüdischen Besitzes und verdiente durch Schwarzhandel in den kommenden Jahren ein Vermögen. Trotz seiner NSDAP-Mitgliedschaft wurde sich Schindler der grausamen Lage der Juden zunehmend bewusst. Er beschäftigte in seiner Fabrik rund 1.200 Zwangsarbeiter, die er auf seine berühmte Liste setzte und damit als 'unerlässlich' für die Kriegsproduktion der Nazis deklarierte. Dadurch rettete er seine jüdischen Mitarbeiter vor dem sicheren Tod in den Konzentrationslagern.

Nach dem Krieg wurde Schindlers Emaillenfabrik verstaatlicht und 1947 übernahm der Telekommunikations-Ausrüster 'TELPOD' die Anlagen. Im Jahr 2002 gab Telpod die dortige Fabrikation auf. Drei Jahre später kaufte die Stadt Krakau das Fabrikgelände und der Stadtrat beschloss, die Fabrik in ein Museum umzuwandeln. Mit Hilfe von EU-Geldern wurde das Gebäude renoviert. Die Ausstellung selbst finanziert sich aber ausschließlich aus der Stadtkasse, erklärt die Kuratorin Bednarek.

Moderne Exponate sollen Jugendliche ansprechen

Die Ausstellung beginnt im Krakau der 30er Jahre, in einem Fotoatelier. Auf den Fotos sind schicke Frauen beim Spaziergang und gut gelaunte Juden auf dem Weg zur Synagoge zu sehen. Es herrscht die noch fröhliche Stimmung der Vorkriegszeit. "Wir zeigen zuerst die Geschichte vor dem Krieg, so wird verständlicher, was sich während des Krieges hier ereignete", erklärt Bendarek das Konzept der Ausstellung.

Exponate, darunter eine Straßenbahn, in der Ausstellung (Foto: Muzeum Historyczne Miasta Krakowa)
Ein Denkmal an Kraukau unter deutscher BesatzungBild: Muzeum Historyczne Miasta Krakowa

Am 6. September 1939 marschierten deutsche Soldaten in die polnische Stadt ein. Chronologisch erzählt die Ausstellung die Geschichte der Stadt Krakau während des 2. Weltkrieges. So erfährt der Besucher von der Festnahme der fast 200 Wissenschaftler an der Universität Krakaus durch die Nazis im November 1939. Im weiteren Verlauf der Ausstellung wird der Besucher eindrucksvoll in einen Bunker, in das jüdische Ghetto oder in den Hauptbahnhof der Stadt versetzt, von wo aus die jüdische Bevölkerung deportiert wurde.

Bühnenbildner und Theaterregisseure haben die Ausstellung gestaltet. Lebensgroße Wandbilder, digitale Displays und Multimedia-Touchscreens sollen dabei helfen, die Gräueltaten dieser Zeit visuell und akustisch zu vermitteln.

Mit dieser Technik hoffen die Ausstellungsmacher auch Jugendliche auf direkterem Wege zu erreichen und besser anzusprechen. "Das macht die Ausstellung für sie attraktiver", ist Grzegorz Jezowski überzeugt, der die Ausstellung mitgestaltet hat.

Ein Denkmal für Oskar Schindler

Die Person Oskar Schindler selbst kommt in der Ausstellung nur kurz vor. Seine Geschichte wird im ehemaligen Sekretariat seiner Fabrik anhand von Fotos, Dokumenten und Originalmöbeln erzählt. In der Mitte des Raumes befindet sich ein großer durchsichtiger Würfel gefüllt mit Blechtöpfen, -schüsseln und -tellern, die damals in Schindlers Fabrik produziert wurden. Diese Installation soll die Geschichte des Unternehmers und seiner Arbeiter symbolisieren. Im Inneren hängen die Namen von rund 1200 jüdischen Zwangsarbeitern, denen Schindler das Leben gerettet hat.

Steven Spielberg machte den Namen Schindlers unsterblich. In Krakau hat er dem deutschen Industriellen ein Denkmal gesetzt. Die Stadt Krakau hält nun ihrerseits die Erinnerung an ihn und das Schicksal der Krakauer Juden auf eindruckvolle Weise am Leben.

Autorin: Justyna Bronska
Redaktion: Fabian Schmidt