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"ORFEAS2021" - Griechenlands erste queere Filmoper

Sarah Hucal
30. Januar 2022

Der gewaltsame Tod des LGBTQ-Aktivisten Zak Kostopoulos zeigte, dass Homophobie auch in Griechenland ein Thema ist. Der Opernfilm "ORFEAS2021" steht für einen politischen Kampf.

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Ein Mann trägt eine blonde Perücke und hat eine Zigarette im rot geschminkten Mund
Zak Kostopoulos als Drag Queen Zackie Oh Bild: Alexandros Katsis

Im September 2018 wurde der 33-jährige Zak Kostopoulos am helllichten Tag mitten in Athen auf der Straße brutal zusammengeschlagen und erlag seinen Verletzungen. Der Künstler und Aktivist trat als Drag Queen "Zackie Oh" auf, trug häufig auffällige Kleidung und Farben, war geschminkt und hatte lackierte Nägel. Als HIV-Positiver engagierte er sich für AIDS-Kranke. Seit seinem gewaltsamen Tod ist Zak eine Symbolfigur für Griechenlands LGBTQ-Gemeinde und deren Kampf gegen Diskriminierung und Homophobie.

Athen erinnert an Zak Kostopoulos

Zaks Bild ist dank zahlreicher Streetart-Künstler überall in Athen zu finden, Paraden und Demonstrationen erinnern immer wieder an ihn. Seit Dezember 2021 läuft ein Prozess gegen die an dem Vorfall Beteiligten - Zak wurde zunächst von zwei Männern verprügelt, dann von Polizisten verhaftet und weiter geschlagen und getreten, als er bereits am Boden lag, während Herumstehende tatenlos zuguckten. Der Vorfall wurde international bekannt und machte die Polizeigewalt sowie die Homophobie in der griechischen Gesellschaft augenfällig. Die tragische Angelegenheit mobilisierte Menschenrechtler in Griechenland und darüber hinaus NGOs wie Amnesty International. Den Tätern drohen bis zu zehn Jahren Haft.

Demonstrierende halten ein Banner hoch mit dem Konterfei des ermordeten Aktivisten, links als Drag Queen Zackie Oh, rechts als Zak Kostopoulos
Demonstration in Athen zum dritten Jahrestag des Todes von "Zackie Oh"Bild: George Panagakis/Pacific Press/picture alliance

Nun wurde im griechischen Filmarchiv in Athen der Opernfilm "ORFEAS2021" gezeigt. Die Cyberpunk-Oper mit Musikern der griechischen Nationaloper ist die erste griechisch-queere Oper überhaupt - und sie ist eine Hommage an Zak Kostopolous. Eigentlich sollte das Stück in der griechischen Nationaloper uraufgeführt werden. Aufgrund der Pandemie wurde schließlich ein Film daraus.

Orpheus-Mythos in die Gegenwart versetzt

Am 24. Februar 1607 wurde Claudio Monteverdis "Favola in Musica" - musikalische Fabel - "L'Orfeo" im norditalienischen Mantua uraufgeführt. Erzählt wird eine Tragödie aus der griechischen Mythologie: Orpheus ist ein gefeierter Sänger, dessen Frau Eurydike am Hochzeitstag von einer Giftschlange gebissen wird. Unfähig, ihren Tod zu akzeptieren, macht er sich auf den Weg in die Unterwelt, den Hades, um sie zurückzuholen.

Darsteller des Orpheus in einem futuristischen Kostüm
Der futuristische OrpheusBild: Andreas Simopoulos

"ORFEAS2021" spielt in einer futuristischen Science-Fiction-Welt. In dem Opernfilm wird Orpheus als erster schwuler Premierminister Griechenlands neu inszeniert. Er versucht, seine Liebe, Euri, zurückzugewinnen und die Anerkennung von queeren Menschen in der griechischen Gesellschaft zu erreichen.

Schwuler Orpheus kämpft um Euri

In der Filmfassung erzählen die Sängerinnen und Sänger die Geschichte von Orpheus' Kampf, zwischendurch werden Videosegmente eingeblendet, in denen queere Performer politische Statements abgeben. Die griechische Gesellschaft wird als ein "Museum" bezeichnet, in dem nur ausgewählte nationale Mythen ausgestellt werden dürfen. Spoiler-Alarm: Eine schwule Liebesgeschichte gehört nicht dazu.

Die Idee stammt vom Performance-Duo FYTA. Die beiden Künstler Fil Ieropoulos und Foivos Dousos haben sich vor zehn Jahren in Berlin kennengelernt und arbeiten seitdem zusammen.

Foivos Dousos und Fil Ierolpoulos im pinken Sweatshirt vor schwarzen Hintergrund
Foivos Dousos und Fil Ierolpoulos sind das Duo FYTABild: Mihalis Gkatzogias

Eine Oper im Berghain

Einen Namen hat sich das Duo mit dem queeren Kunstfestival "Sound Acts" in Athen gemacht. Ende 2017 bekam FYTA den Auftrag, eine queere Oper zu produzieren. Die beiden nahmen sich Monteverdis Werk vor.

"Als wir ankündigten, dass wir an einer queeren Oper arbeiten, waren viele Leute eher verärgert. Sie meinten, dass man keine 'queere Oper' machen kann - es hieß, wir würden damit Grenzen überschreiten", erklärte Ieropoulos im DW-Gespräch. "Wir haben wirklich darüber gelacht - die Oper ist definitiv die kitschigste Form der Aufführung, mit Ausnahme vielleicht des Balletts."

vier Personen stehen vor einem Garagentor
Darstellerinnen und Darsteller aus dem ORFEAS2021-EnsembleBild: Andreas Simopoulos

Nach dem Motto "Jetzt erst recht" wollte das Duo so provokant wie möglich sein und verlegte den Schauplatz der Oper ins "Lab.Oratory", dem schwulen Sexclub im Keller des berühmten Berliner Clubs Berghain. Das Opernlibretto drehte sich um "Grenzüberschreitung und Drogen" und sollte laut FYTA "unverschämt und lustig" sein.

Zackie eine Stimme geben

"Und dann haben sie Zackie ermordet, der ein Mitstreiter und Freund war", so Ieropoulos. "Als Symbol war Zak für sehr viele Menschen wichtig, aber in der Queer-Szene waren wir wie eine Familie."

Der Schauplatz der Oper änderte sich, und sie wurde zu einem politisch aufgeladenen Werk, in dem die Figur Euri für Zak/Zackie steht. Im Gegensatz zu Eurydike, die in Monteverdis Original stumm ist, gab FYTA Euri eine Stimme.

"Ich denke, für Zak war wichtig, dass Euri eine Drag-Persönlichkeit hatte, die gleichzeitig politisch war", sagt Ieropoulos. "Es ging immer darum, über die griechische Politik zu sprechen, und zwar in der Rolle der Drag."

Hasskommentare als Reaktion

"ORFEAS2021" lief bereits beim Internationalen Filmfestival in Thessaloniki im November 2021 und war dort ausverkauft. Trotz des Erfolges gab es empörte und homophobe Reaktionen auf den Film - vor allem in Form von Hasskommentaren in den sozialen Medien, sagt Foivos Dousos von FYTA.

Szene aus ORFEAS2021 - eine Figur mit Netzstrümpfen sitzt am Boden und ist in eine mit (Film-)Blut bespritzte Plastikfolie gehüllt
Hass im Netz: Zu schwul, zu schräg, zu queerBild: Errica Zacharopoulou

"Wir wissen, dass es in Griechenland viel Homophobie gibt, wir als Schwule kennen das. Das Interessante an dieser aktuellen Hasswelle ist, dass wir früher unsere Aufführungen machen konnten und der rechte Flügel sich nicht darum gekümmert hat." Jetzt hat er das Gefühl, dass queere Identität und queere Politik sichtbarer werden, dass es "etwas ist, das im Mainstream-Bereich passiert". Infolgedessen, so Dousos, seien homophobe Stimmen lauter geworden. "Jetzt gibt es viel stärkere Reaktionen."

FYTA möchte den Film im April im Rahmen des Griechischen Filmfestivals in Berlin "Hellas Filmbox" zeigen. Außerdem plant das Duo weitere Vorführungen - soweit es die Pandemie zulässt.

Dieser Artikel wurde von Silke Wünsch aus dem Englischen übersetzt.