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Der "Marsch der Million"

8. Dezember 2013

Eine Million Demonstranten sollten es werden - das hofften zumindest die Veranstalter der prowestlichen Massenkundgebung in Kiew. Die ukrainischen Oppositionsführer drängen im Machtkampf auf eine Vorentscheidung.

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Proteste in Kiew (foto: reuters)
Bild: REUTERS

Kiew: Lenin schon gestürzt

An diesem bitterkalten Dezembertag füllten wieder Hunderttausende den Unabhängigkeitsplatz (Maidan) im Herzen der ukrainischen Hauptstadt. Trotz wiederholter Einschüchterungsversuche durch den Staatsapparat gehen die Proteste gegen einen prorussischen Kurs von Präsident Viktor Janukowitsch in die zweite Woche. "Die Ukrainer haben sich versammelt, weil sie nicht mehr in einem korrupten Land ohne Gerechtigkeit leben wollen", rief Parteiführer und Boxweltmeister Vitali Klitschko der Menge im Kiewer Schneegestöber zu.

Die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko ließ von ihrer Tochter eine Botschaft an die Demonstranten verlesen: "Es steht auf des Messers Schneide, ob wir endgültig in eine grausame Diktatur fallen oder ob wir in die europäische Gemeinschaft zurückkehren".

Wie damals bei der "Orangenen Revolution"?

Die Szenerie der Massenkundgebung weckte Erinnerungen an die "Orangene Revolution" in der Ukraine vor neun Jahren. Gemeinsam sind der Oppositionsbewegung die Forderungen nach einem Rücktritt von Ministerpräsident Mikola Asarow sowie nach vorgezogenen Wahlen für das Parlament und das Präsidentenamt.

Kiew: Lenin schon gestürzt

Klitschko, der sich immer mehr als Anführer profiliert, werden entsprechende Ambitionen auf das höchste Amt im Staate nachgesagt. Nach einem Bericht des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die konservativen Parteien in der EU Klitschko den Rücken stärken und durch gemeinsame Auftritte offenbar zum Gegenkandidaten Janukowitschs aufbauen.

"Totaler Widerstand gegen Russland"

Nicht nur der Boxweltmeister hatte die Ukrainer aufzurütteln versucht. Der frühere Innenminister Juri Luzenko sprach von einem "Tag der Entscheidung." Arseni Jazenjuk von der Partei Timoschenkos sprach von einem "totalen Widerstand" gegen eine Annährung der Ukraine an Russland.

Immer mehr Anhänger der prowestlichen Opposition strömen im Zentrum Kiews auf den Maidan-Platz (foto: reuters)
Immer mehr Anhänger der prowestlichen Opposition strömen im Zentrum Kiews auf den Maidan-PlatzBild: REUTERS

Aktueller Anlass für die beschwörenden Worte an die Oppositionsanhänger waren Gespräche zwischen der russischen und der ukrainischen Regierung, die am Freitag ohne Vorankündigung in Sotschi am Schwarzen Meer stattfanden. Die ukrainische Führung ließ vermelden, es sei aber noch nichts unterzeichnet worden.

Tausende halten Nachtwache

Bereits am vergangenen Sonntag versammelten auf dem "Maidan" rund 350.000 Menschen zu einer Protestveranstaltung. Am Tag zuvor hatte die Polizei mit Gewalt ein Lager der Demonstranten aufgelöst. Auch vor der aktuellen Großkundgebung warnte das Innenministerium vor "Provokationen" gegen die Sicherheitskräfte. Ausschreitungen würden streng bestraft.

Vermutlich nationalistische Demonstranten in Kiew reißen eine Lenin-Statue um (foto: reuters)
Vermutlich nationalistische Demonstranten in Kiew reißen eine Lenin-Statue umBild: Reuters

Trotz klirrender Kälte harrten tausende Unterstützer der Opposition in der Nacht in Zelten auf dem Platz aus. Freiwillige brachten ihnen Brote und heißen Tee. Die Proteste der Regierungsgegner dauern bereits mehr als drei Wochen an und richten sich besonders gegen Janukowitsch. Er hatte ein bereits ausgehandeltes Abkommen über eine engere Zusammenarbeit mit der EU gestoppt und strebt eine engere Bindung an Russland an.

Die Schulden drücken

In diesem Zusammenhang hatte Janukowitsch zuletzt mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin über verbilligte Gaslieferungen verhandelt. Diese kämen der ukrainischen Führung gelegen, denn angesichts seiner Schulden könnte es dem Land schwerfallen, genügend Geld für den Import von Gas aufzubringen.

Die Opposition befürchtet, die Ukraine könnte einer Zollunion mit Russland zustimmen. Die Regierungsgegner fordern dagegen eine Ausrichtung der Ukraine in Richtung EU.


cw/sti/sc (dpa, afp, reuters)