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Obamas Syrien-Strategie geht vorerst auf

Gero Schließ15. September 2013

Die USA und Russland sind sich einig über die Vernichtung aller syrischen Chemiewaffen. Doch werden Putin und Assad ihre Zusagen einhalten? US-Präsident Obama bleibt bei der Androhung militärischer Gewalt.

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Barack Obama (Foto: Alex Wong/Getty Images)
Bild: Getty Images

Die Einigung des amerikanischen Außenministers John Kerry und seines russischen Amtskollegen Sergej Lawrow auf einen umfassenden Plan zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen kommt überraschend und war kaum für möglich gehalten worden.

Der Plan ist der vorläufige Höhepunkt einer turbulenten Woche, die ihren Anfang in London genommen hatte - mit John Kerrys eher beiläufigen Bemerkung, dass Syriens Präsident Assad einem amerikanischen Militärschlag doch noch entgehen könne, wenn er "innerhalb einer Woche" sämtliche Chemiewaffen an die internationale Gemeinschaft übergebe. Das, woran Außenminister Kerry wohl selbst nicht geglaubt hatte, scheint nun im Bereich des Möglichen, wobei aus der einen Woche nun ein halbes Jahr geworden ist.

Obama, der selbstlose Held?

Aus der Sicht Mark Jacobsons vom German Marshall Fund hat es Obama schließlich mit diplomatischen Mitteln geschafft, Syrien von einem erneuten Einsatz chemischer Waffen abzuhalten.

Auf dem Weg dorthin habe er nationale und internationale Sicherheit vor sein eigenes politisches Wohlergehen gestellt, sagt Jacobson: "Dafür schuldet die Welt ihm Dank." Allerdings bleiben viele Fragen offen, beispielsweise, wie der nun zum Verhandlungspartner aufgewertete syrische Präsident Baschar al-Assad für den tödlichen Chemiewaffenseinsatz im August zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Umsetzung wird schwierig

"Das ist ein Durchbruch", sagt der Nahostexperte Bruce Riedel von der angesehenen Washingtoner Brookings Institution im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die amerikanisch-russische Kooperation zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen bewertet Riedel als einen "großen Erfolg für die Präsidenten Obama und Putin, selbst wenn wir wissen, dass die Umsetzung der Abmachung sehr schwierig sein wird." Die "Washington Post" gibt die Einschätzung von Mitarbeitern des State Departments aus Kerrys Genfer Delegation wieder, die davon ausgehen, dass mehr als eine Millionen Kilo waffenfähiger Chemiesubstanzen auf mehr als 45 Orte in Syrien verteilt sind.

Bruce Riedel Foto: Brookings Institution
Riedel: Abmachung bedeutet großen Erfolg für Obama und PutinBild: Brookings Institution

Während Riedel damit rechnet, dass Russen und Syrer die geforderte Liste mit allen Chemiewaffenbeständen pünktlich innerhalb einer Woche übergeben, sieht er immense Schwierigkeiten auf die UN-Inspektoren zukommen. Ihre Arbeit inmitten eines blutigen Bürgerkrieges erscheint kaum vorstellbar. Es sei jetzt an Syriens Präsident Assad, den Inspektoren Sicherheit zu garantieren. Einige der Rebellen, insbesondere die Al-Kaida zugerechneten Gruppen, könnten die Inspektoren allerdings unter Feuer nehmen und töten wollen. "Das ist der harte Teil. Putin mag solche Sabotageakte einkalkulieren. Das ließe Assad plötzlich vernünftig und verantwortlich aussehen."

UN wieder im Spiel

Die Einigung Kerrys und Lawrows am Samstag (14.09.2013) auf die Erarbeitung einer gemeinsamen UN-Resolution bringt die Vereinten Nationen wieder mehr ins Spiel. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte denn auch die Einigung von Genf, genauso wie der US-Präsident. Der zuletzt zu Hause wie international als wankelmütig und führungsschwach kritisierte Obama sieht seine Strategie bestätigt, diplomatische Lösungen mit der "glaubhaften Androhung militärischer Gewalt" zu erzwingen. Und das, obwohl sein Außenminister zuletzt ziemlich kleinlaut um Zustimmung zu einer nur noch "unglaublich kleinen" Aktion gebeten hatte.

US-Außenminister John Kerry (l.) und sein Amtskollege Sergei Lawrow (r.) in Genf (Foto: rtr)
US-Außenminister John Kerry (l.) und sein Amtskollege Sergei Lawrow nach den Verhandlungen zu SyrienBild: Reuters

In Washington geht man davon aus, dass Obama einer verheerenden Abstimmungsniederlage im amerikanischen Kongress über den Einsatz von militärischer Gewalt entgangen ist. "Obama hatte Glück mit seinem Pragmatismus und es war klug von ihm, bei Putins Angebot zuzugreifen - trotz Edward Snowden und anderer Schwierigkeiten, die böses Blut gemacht haben", sagt Riedel. Er empfiehlt dem Präsidenten, die Kongressabstimmung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Auch wenn ihn das Abkommen innenpolitisch stärker macht: Obama dürfte in Senat und Repräsentantenhaus selbst dann keine Mehrheit für eine militärische Aktion finden, wenn sich die Vereinbarung mit Russland als großer Bluff herausstellen sollte. Die Senatoren John McCain und Lindsey Graham kritisierten am Samstag den Abrüstungsplan. Er sei "eine diplomatische Sackgasse". Assad wolle mit der Zusage, die Chemiewaffen Syriens zu vernichten, nur Zeit schinden. McCain und Graham hatten in den vergangenen Wochen auf einen Militärschlag gegen Syrien gedrängt.

Europäisches Engagement gefordert

Der amerikanische Kongress sei in der Syrien-Frage genauso gespalten wie die europäischen Verbündeten, gibt Mark Jacobson zu bedenken und erinnert an die Verantwortung der Europäer. Die angestrebte UN-Resolution werde scheitern, "wenn sie nicht durch festen Willen der EU, der NATO und natürlich der Amerikaner geprägt wird, die angestrebte Vereinbarung notfalls mit militärischer Gewalt durchzusetzen."

Auch wenn das Aufatmen in den europäischen Hauptstädten von Berlin bis London ob der angestrebten Lösung förmlich zu spüren ist: Ohne entschlossenes europäisches Engagement wird es nicht gehen. Genug Gesprächsstoff also für US-Außenminister Kerry bei seiner nächsten Europareise. Am Montag wird er in Paris erwartet.