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Obama billigt Luftangriffe

8. August 2014

Zehntausende Menschen sind vor den IS-Terroristen auf der Flucht. Die USA haben über dem Nordirak erste Hilfsgüter abgeworfen. Nach langem Zögern gab der US-Präsident nun auch grünes Licht für Luftschläge.

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Irakischer Soldat im Nordirak (Foto: rtr)
Bild: picture-alliance/dpa

US-Präsident Brack Obama erteilte dem Militär den Befehl für "gezielte Luftangriffe", um im Nordirak eingesetzte US-Militärberater zu schützen und ein Massaker an der Zivilbevölkerung zu verhindern. Mit dem Militäreinsatz will Obama nach eigenen Angaben den Vormarsch der Islamisten auf Erbil stoppen. In der Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Nordirak haben US-Militärberater ein gemeinsames Einsatzzentrum mit der irakischen Armee eingerichtet, die Vereinigten Staaten unterhalten dort außerdem ein Generalkonsulat.

Zudem ordnete der US-Präsident den Abwurf von weiteren Hilfsgütern an, um den von der extremistischen Sunniten-Miliz "Islamischer Staat" (IS) verfolgten Jesiden und Christen zu helfen. Die Vertreibung von Christen und Kurden jesidischen Glaubens sei "nahe an einer humanitären Katastrophe", sagte Obamas Sprecher Josh Earnest in Washington.

Jesiden auf der Flucht (Foto: rtr)
Zu zehntausenden fliehen Jesiden vor dem IS-TerrorBild: Reuters

Das US-Militär stimme sich derzeit mit irakischen Sicherheitskräften ab, sagte der Sprecher, nannte aber keine Details. "Jede Handlung wäre in ihrem Umfang sehr begrenzt". US-Kampftruppen auf irakischem Boden seien aber ausgeschlossen, so Earnest. Es gebe zudem keine von den USA gesteuerte militärische Lösung für den Irak. "Wir können die Probleme nicht für sie lösen", sagte der Regierungssprecher.

Weltsicherheitsrat verurteilt IS-Terror

In New York forderte der UN-Sicherheitsrat die internationale Gemeinschaft auf, dem Irak angesichts der Angriffe sunnitischer Extremisten zu helfen. In einer von Frankreich beantragten Dringlichkeitssitzung verurteilte das Gremium am Freitag die Gewalt durch die Kämpfer der Terrorgruppe "Islamischer Staat", wie der derzeitige Ratspräsident, Großbritanniens UN-Botschafter Mark Lyall Grant, mitteilte. Es müsse alles getan werden, um das Leiden der Bevölkerung zu stoppen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich "zutiefst entsetzt" über die Berichte aus dem Irak.

Die US-Luftwaffe hat in der Nacht nach Angaben aus Washington Lebensmittel und Trinkwasser im Sindschar-Gebirge im Norden des Iraks abgeworfen. Die Transportflugzeuge hätten die Region inzwischen wieder verlassen, sagte ein ranghoher Vertreter des US-Verteidigungsministeriums in Washington.

Massenflucht

Der Vormarsch der Dschihadisten in einer Christenregion, darunter die historischen assyrischen Orte Karakosch und Tal Kaif, hat im Irak eine neue Massenflucht ausgelöst. Hunderttausend Menschen flohen nach Angaben des Patriarchen der chaldäisch-katholischen Kirche, Louis Raphael I. Sako, am Donnerstag zum Teil zu Fuß aus ihren Heimatdörfern im Norden. Aus Karakosch waren bereits Ende Juni bis zu 15.000 Christen nach Mörserangriffen geflohen, eine Woche später jedoch zum großen Teil wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.

Auch im Sindschar-Gebirge sind nach UN-Angaben 200.000 Menschen vor der Terrormiliz auf der Flucht, die dringend Wasser, Essen und Medizin benötigen. Bei den meisten Flüchtlingen handelt es sich um Jesiden, die von IS als "Teufelsanbeter" verunglimpft werden.

"Humanitäre Tragödie"

Die Türkei kündigte an, Hilfspakete von irakischen Helikoptern über dem Zufluchtsgebiet der Jesiden abwerfen zu lassen. Außenminister Ahmet Davutoglu nannte die IS-Angriffe auf die religiöse Minderheit eine "humanitäre Tragödie".

Papst Franziskus rief die internationale Gemeinschaft in einem flammenden Appell zu einem verstärkten Einsatz für die von Gewalt und Vertreibung betroffenen Menschen in der Region auf. In einem von Vatikan-Sprecher Federico Lombardi in Rom verlesenen Aufruf heißt es, dem humanitären Drama in der Region müsse ein Ende bereitet werden. Von dem Konflikt seien eine wehrlose Bevölkerung und dabei vor allem christliche Gemeinschaften betroffen, ein Volk fliehe aus seinen Dörfern.

Bundesregierung reagiert entsetzt

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnet die Verfolgung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak als "ein abscheuliches Verbrechen", das die Bundesregierung "auf das Schärfste" verurteile. "Die Ermordung, systematische Vertreibung oder Zwangskonversion von Christen, Jesiden und Angehörigen anderer Minderheiten durch die IS-Terroristen im Irak sind eine neue Dimension des Schreckens." Es zeige sich, wie hochgefährlich die Gruppe sei, nicht nur für Syrien und Irak, sondern für den Frieden und die Stabilität in der ganzen Region.

Das Auswärtige Amt hat am Freitag einen Krisenstab zur Lage im Nordirak einberufen und als erste Sofortmaßnahme die humanitäre Hilfe um 2,9 Millionen Euro aufgestockt. Gegenwärtig stimme man sich mit den Hilfsorganisationen ab, um weitere Maßnahmen zu ermöglichen. "Es ist klar, dass das nicht reichen wird und wir sehen müssen, was wir darüber hinaus tun können", so Steinmeier. Entscheidend werde auch sein, dass die politischen Akteure im Irak – ganz gleich ob Schiiten, Sunniten oder Kurden – den seit langen Monaten schwelenden Machtkampf beilegen und sich auf eine neue Regierung verständigen würden, "um dem Treiben von IS ein Ende zu setzen".

Vor 2003 lebten noch rund 1,2 Millionen Christen im Irak - viele von ihnen im Norden. Zuletzt wurde deren Zahl auf 500.000 geschätzt, sie dürfte nun weiter sinken. Auch die meisten der schätzungsweise 800.000 Jesiden weltweit lebten in der Region.

re/se/ki (afpe, rtr, ape, dpa, Auswärtiges Amt)