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Null Toleranz für Antiziganismus

Robert Schwartz7. September 2016

Negative Klischees und Vorurteile gegenüber Sinti und Roma gehören in Europa weiterhin zum Alltag. Gegen den Antiziganismus will die OSZE - in diesem Jahr unter deutschem Vorsitz - verstärkt vorgehen.

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Sinti und Roma in Berlin ( Foto: Robert Schlesinger)
Bild: picture-alliance/dpa

Würde, Achtung und faire Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben - das wünschen sich Roma und Sinti in ganz Europa. Doch die jahrhundertealte Geschichte ihrer Benachteiligung hat dazu geführt, dass viele Angehörige dieser Minderheit auch heute noch am Rande der Gesellschaft leben. Diskriminierung, Rassismus und Hassverbrechen gegen Roma und Sinti standen im Mittelpunkt einer Konferenz, zu der die deutsche OSZE-Präsidentschaft Vertreter internationaler Organisationen und Roma-Verbände nach Berlin eingeladen hat.

Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, setzte schon gleich zur Eröffnung klare Akzente. "Inklusion ist keine Einbahnstraße", sagte er vor den über 130 Konferenzteilnehmern und fügte hinzu: "Der Antiziganismus ist kein Problem von gestern, er ist auch heute noch weit verbreitet in Europa." Roth erinnerte an den "barbarischen Höhepunkt" der Diskriminierung, den Völkermord an Sinti und Roma während des Nationalsozialismus. Deshalb stehe Deutschland in einer besonderen Verantwortung und werde sich auch in der OSZE weiterhin für den Schutz und die Förderung der Rechte dieser Minderheit aktiv einsetzen. "Unsere Mehrheitsgesellschaft muss sich ändern, damit die weit verbreiteten Vorurteile gegenüber der größten Minderheit Europas ein Ende finden", mahnte Roth.

Eine junge Frau vor einem Haus in Berlin (Foto: Foto: Maurizio Gambarini dpa/lbn)
Sinti und Roma sind oft im Alltag benachteiligt - zum Beispiel bei der WohnungssucheBild: picture-alliance/dpa

Gute Gesetze - mangelhafte Praxis

Das Fazit der OSZE klingt trotz der verstärkten Bemühungen in den letzten zwei Jahrzehnten eher ernüchternd. Es gibt weiterhin Berichte über Gewalt gegen Roma, vor allem in Ost- und Südosteuropa. Zudem würden in der aktuellen Debatte Roma gegen Flüchtlinge ausgespielt.

Es dürfe nicht folgenlos bleiben, wenn Regeln gebrochen würden, die gemeinsam vereinbart wurden und zu denen sich die OSZE-Mitgliedsstaaten bekannt haben, sagte der Direktor des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), Michael Georg Link. Im DW-Gespräch erläuterte Link, dass sich die rechtliche Lage in Ländern wie Ungarn, der Slowakei, der Tschechischen Republik oder Rumänien infolge der Beitrittsbemühungen dieser Staaten zur EU, aber auch danach, deutlich verbessert hätten: "Was wir allerdings haben, ist das Problem der Umsetzung", sagte er. Oft würden gute Antidiskriminierungs-Gesetze, wie zum Beispiel in Ungarn, nicht wirklich umgesetzt. In einzelnen Gemeinden Nordungarns sei es für einzelne Bürgermeister auch heute noch möglich zu erklären, sie wollten eine Roma-freie Stadt. "Dem muss in der Praxis ein Riegel vorgeschoben werden", forderte Link.

Auch die Entwicklung auf dem Westbalkan bereite der OSZE Sorgen, betonte der ODIHR-Leiter. Zwar gebe es infolge der Beratung durch die OSZE, aber auch im Zuge der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft, gesetzgeberische Verbesserungen. "Aber in der Praxis hinken diese Staaten immer noch deutlich hinterher", so Link gegenüber der DW.

Null-Toleranz für Antiziganismus und eine stärkere Wachsamkeit durch die Gesellschaft forderte der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland. Diskriminierungen würden oft übersehen oder ignoriert, und viele Staaten hätten noch nicht die entsprechenden Gesetze, um Antiziganismus zu ahnden und zu bestrafen, betonte Jagland.

Raus aus der Opferrolle

Eine europaweite Ächtung des Antiziganismus forderte auch Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland. Zudem wolle man heraus aus der Opferrolle und hinein in die Mitte der Gesellschaft, sagte er. Mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingskrise und die damit oft in Zusammenhang gebrachte Debatte um sogenannte Armutsflüchtlinge sagte er der DW: "Wir haben heute in Europa eine neue Krise, in der wieder Sündenböcke dafür gebraucht werden, um die Verwerfungen und die Probleme zu übertragen." Das seien oft die Roma aus Südosteuropa, die einem erneuten Rassismus, einem Antiziganismus ausgesetzt seien. Diese Verhaltensmuster in Krisenzeiten kenne man aus der Geschichte: "Immer dann, wenn ein Land in Europa eine Krise hatte, wurde unsere Minderheit und die jüdische Minderheit zu Sündenböcken erklärt", so Rose im DW-Gespräch.

Romani Rose (Foto: Silvera Padori - Klenke )
Romani Rose fordert die Ächtung des AntiziganismusBild: DW/S. Padori-Klenke

Alle Teilnehmer der OSZE-Konferenz in Berlin unterstrichen die Notwendigkeit, weiterhin Strategien und Initiativen zu entwickeln, um die systematische Benachteiligung der Roma und Sinti wirksam zu bekämpfen. Auf Antiziganismus in der Gesellschaft, in den Medien und im politischen Diskurs müsse entschieden reagiert werden. Diskriminierung, Rassismus und zunehmender Rechtsextremismus seien eine Bedrohung der Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Europa.