Nicolas Remin: Venezianische Verlobung
14. März 2006Im Oktober 1863 wird Alvise Tron, Commissario im Bezirk San Marco in Venedig, eine Frauenleiche gemeldet. Anna Slataper war höchstens 20 Jahre alt und von ungewöhnlicher Schönheit. Die Putzfrau erzählt von einem geheimnisvollen Verlobten, der Anna ausgehalten hat, der es aber tunlichst vermieden hat, jemandem unter die Augen zu geraten.
Tron ist zunächst ratlos. Aber eine Taschendiebin hat den Mord beobachtet und kann den Täter vage beschreiben. Zudem hat sie neben der Toten ein Medaillon mit einem Bild eines Mannes gefunden, das keinen geringeren zeigt als Erzherzog Maximilian, den jüngeren Bruder des Kaisers. Er steht kurz davor, mexikanischer Kaiser zu werden. Der Mord nun weist darauf hin, dass es Kreise gibt, die diesen Plan vereiteln wollen. Ein Skandal würde die Ambitionen von Maximilian, der ohnehin nicht den besten Ruf genießt, wohl zunichte machen. Nahe liegend, dass sich der Erzherzog seiner Geliebten entledigen wollte.
Mexiko-Connection
In Verdacht gerät zuerst sein Diener, Indizien und Personenbeschreibung weisen auf ihn. Aber auch die "Mexiko-Connection" könnte ihre Finger im Spiel haben. Der Pater in der nahen Kirche bringt den Commissario auf die Spur eines Mexikaners. Er war möglicherweise der letzte, der Anna lebend gesehen hat. Der Mann ist Botschafter der mexikanischen Exilregierung am Heiligen Stuhl. Er hat für die Tatzeit kein Alibi. Und plötzlich tauchen auch noch kompromittierende Fotos auf, mit denen Maximilian erpresst wird.
Es gibt aber auch gewichtige Kreise, die ein Interesse daran haben, dass Maximilian mexikanischer Kaiser wird, nicht zuletzt die Principessa di Montalcino, die Verlobte von Commissario Tron. Im anderen Fall wäre sie ruiniert. Ein früherer Bekannter aus Paris will "das Problem" lösen.
Stimmiger historischer Krimi
Wer immer hinter dem ersten Mord steht, scheut sich nicht, weitere zu begehen. Die Ermittlungen sind deshalb langwierig und schwierig, alle paar Stunden weisen sie den Commissario und seinen Sergente Bossi in eine andere Richtung. Dabei ist Commissario Tron vollauf damit beschäftigt, die Heirat mit der Principessa di Montalcino vorzubereiten, auch nicht eben ein leichtes Unterfangen. Es scheint, dass sie doch Zweifel hegt, den verarmten Conte Tron zu heiraten, der gezwungen ist, als Polizist seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Möglicherweise ist ihr auch die schrullige Schwiegermutter in spe nicht geheuer, obwohl die beiden Frauen durchaus Gemeinsamkeiten haben.
Als Leser war man war ganz erleichtert am Ende des ersten Falles von Commissario Tron. Erstens, weil er heil davon gekommen war, und zweitens, weil er am Ende das Herz der schönen und reichen Principessa di Montalcino erobert hatte und möglicherweise besseren Zeiten entgegen sah. Nun legt Remin einen zweiten, wunderbar spannenden und stimmigen historischen Venedig-Krimi vor. Es müffelt wieder in den Palazzi der ehemals reichen Familien, die korrupten Beamten des kaiserlichen Hofes feiern Urstände.
Wenn Remin beschreibt, wie die Opernbesucher La Fenice verlassen, wie die Gondeln durch den herbstlichen Nebel gleiten und das Wasser der Kanäle über die Mauern schwappt, entführt er den Leser direkt und mitten in die Serenissima. Und weil Tron seine Principessa auch jetzt noch nicht auf sicher hat, kann man gespannt auf den nächsten Fall warten.
Nicolas Remin
Venezianische Verlobung
Kindler, 2006
ISBN 3-463-40472-9
EUR 19,90