Schau blickt auf das Erdölzeitalter
In Zeiten des Klimawandels genießen fossile Brennstoffe keinen besonders guten Ruf. Verbrennungsmotoren sollen elektrischen weichen, Öl-Heizungen gelten als nicht mehr zeitgemäß, weltweit wachsen die Plastikmüllberge als Folge des steigenden Konsums. Trotzdem ist Öl aus unserem alltäglichen Leben nicht wegzudenken und das post-fossile Zeitalter noch weit entfernt.
Die Ausstellung "Oil. Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters" im Kunstmuseum Wolfsburg setzt sich nun mit dem umstrittenen Rohstoff auseinander.
Öl wird nur als Problem thematisiert
"Wir können nicht einfach sagen: 'Weg damit!'", sagt der Kurator und Kunsttheoretiker Alexander Klose im DW-Gespräch. Mit seinem Ko-Kurator Benjamin Steiniger veröffentlichte er im vergangenen Jahr das Buch "Erdöl. Ein Atlas der Petromoderne".
Der gegenwärtige Diskurs sei nicht neu: "Über Öl reden wir eigentlich nur, wenn es zum Problem wird: beim Klima, in Ölkrisen oder Ölkriegen", sagt Klose. Auch das aus Öl gewonnene Plastik werde kritisch bewertet, "weil es einfach dazu da ist, weggeworfen zu werden".
Trotzdem sei es - anders als häufig suggeriert - unmöglich, von jetzt auf gleich auf Erdöl und seine Folgeprodukte zu verzichten. Klose verdeutlicht die positiven Errungenschaften infolge der Ölförderung: "Wir sind im Alltag auf das Öl angewiesen, ob bei der Energieversorgung oder bei Schutzbekleidung wie der FFP2-Maske." Außerdem sei der Rohstoff bis heute zu wenig erforscht worden. "Die Verbrennung ist lediglich die plumpeste Art, mit diesem Material umzugehen." Die Ausstellung wolle daher einen unideologischen Blick auf das Öl werfen.
Während man beim Öl zuerst an die Funktion als Anriebsstoff für Autos oder Flugzeuge denkt, steckt der Rohstoff heute auch im Straßenbau, in Kunstfasern unserer Kleidung oder dem Vinyl auf unserem Plattenspieler. Dank seiner Energiedichte und zahlreichen Verarbeitungseigenschaften ist Öl als Grundstoff in allen Bereichen unseres Lebens präsent.
Berichte über Ölförderungen sind bereits aus dem 15. Jahrhundert überliefert, der Beginn der kommerziellen Erdölgewinnung wird auf die 1850er-Jahre datiert. Der Mythos des Rohstoffs bildete die Grundlage von Filmen wie "Giganten", in dem James Dean als verschuldeter Jett Rink auf eine Ölquelle stößt und reich wird, oder "There Will Be Blood" mit dem Oscar-prämierten Daniel Day-Lewis als manischem Ölunternehmer, sowie der Fernsehserie "Dallas" mit dem Ölmagnaten J.R. Ewing.
Rasanter Imagewandel
Die Ausstellung zeigt 220 Gemälde, Skulpturen, Installationen, Videos und Fotografien aus allen Teilen der Welt. Öl wird als Rohstoff für Verkehrsmittel präsentiert, in verschiedenen politischen Systemen, als Kunstdünger oder Antriebsstoff einer Rakete - und als Schrecken im Einsatz als Tötungsmittel. Dabei begibt sich die Schau auch in eine hypothetische Zukunft, die einen Blick zurück wirft ins Heute.
Der zeitliche Schwerpunkt liegt zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und heute. Während Öl damals die futuristische Verheißung für Fortschritt und Wohlstand war und insbesondere das automobile Zeitalter mit individueller, schneller Mobilität zur Metapher für Freiheit wurde, steht es heute für Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung.
Diesen rasanten Imagewandel behandelt die Ausstellung "Oil. Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters" vom 4. September 2021 bis zum 9. Januar 2022 im Kunstmuseum Wolfsburg.