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DZNE - im Kampf gegen Alzheimer und Demenz

15. März 2017

Am Mittwoch eröffnet Bundeskanzlerin Angela Merkel den Neubau des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn. Thomas Klockgether erklärt im Interview, warum Demenzforschung immer wichtiger wird.

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Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) - Neubau
Bild: DW/F. Schmidt

Deutsche Welle: Herr Klockgether, das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gibt es erst seit 2009. Es ist für Deutschland also eine recht junge medizinische Institution. Jetzt kommt ein Neubau auf dem Gelände des Universitätsklinikums Bonn hinzu. Was können Sie in diesem Neubau tun, was Sie vorher nicht konnten?

Prof. Klockgether: Wir können viel besser zusammenarbeiten. Die Grundidee des DZNE ist ja, dass wir uns nicht auf eine Wissenschaftsrichtung beschränken, sondern das gesamte Spektrum der Hirnforschung und Demenzforschung bearbeiten. Das geht bei der Grundlagenforschung los: Genetik, Tiermodelle, Zellmodelle, dann weiter über die klinische Forschung bis hin zur Bevölkerungsforschung, zur Epidemiologie und auch zur Versorgungsforschung.

Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) - Prof. Dr. Thomas Klockgether
Professor Klockgether sucht neue Hinweise für die Früherkennung von Alzheimer & Co. Bild: DW/F. Schmidt

Die Kooperation zwischen Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Fachdisziplinen wird ganz erheblich dadurch erleichtert, dass man unter einem Dach ist. An den Übergängen zwischen den einzelnen Gebäudeteilen gibt es Treffpunkte, wo die Forscher unterschiedlicher Fachdisziplinen miteinander in Kontakt kommen und sich austauschen. 

Dieses Forschungsgebäude ist auch nicht irgendwo auf die grüne Wiese gestellt worden, sondern mitten auf den Klinikcampus des Universitätsklinikums Bonn. Unsere Forschung soll ja schließlich den Menschen und Patienten zugutekommen, und das geht nur durch die Nähe zur Klinik.

Es gibt insgesamt neun Standorte des DZNE. Das zeigt auch den Stellenwert, den die Demenzforschung heute hat.

Die chronischen Hirnkrankheiten - also die neurodegenerativen Krankheiten - insbesondere die Krankheiten, die zu Demenz führen - sind wirklich eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Diese Krankheiten werden an Häufigkeit zunehmen, und das hängt mit der veränderten Altersstruktur unserer Gesellschaft zusammen. Es ist nicht nur für das Gesundheitssystem eine Herausforderung, sondern es betrifft wirklich die ganze Gesellschaft, weil es auch um Pflege, um Rentenleistungen und ähnliches geht.

Das DZNE hat die Aufgabe, vonseiten der Forschung den Beitrag zur Lösung dieses Problems zu leisten. Das Problem lässt sich nicht allein über Forschung lösen, aber Forschung muss einen ganz erheblichen Beitrag leisten.

Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) - Foyer
Eine offene Architektur verbindet Bereiche. Das soll den Austausch von Forschern verschiedener Disziplinen fördern.Bild: DW/F. Schmidt

Was sind die interessantesten Ansätze, die Sie verfolgen?

Eines der großen Themen ist Vorbeugung. Das fängt bei jedem selbst an. Es geht um Lebensweise, Verhaltensweisen, Ernährung, ums Sport treiben. Viele Dinge sind schon bekannt, aber das DZNE wird dazu beitragen, das alles noch besser und detaillierter zu untersuchen, denn jeder muss sich spätestens im mittleren Erwachsenenalter um seine Gesundheit kümmern, manche vielleicht auch schon früher. 

Der zweite große Bereich, bei dem wir hoffen, einen wesentlichen Beitrag leisten zu können, sind ein verbessertes Verständnis der Krankheitsmechanismen und dadurch auch die Entwicklung neuer Therapien.

Die große Gemeinschaft der Forscher, die sich weltweit mit der Alzheimer-Krankheit beschäftigt, hat sich über mehr als ein Jahrzehnt auf die Ablagerung von Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn fokussiert. Sie hat versucht, Therapiestrategien mit dem Ziel zu entwickeln, diese Plaques zu beseitigen. Leider muss man sagen, dass das bisher nicht von Erfolg gekrönt war. Es sind viele große Studien an Patienten mit Alzheimer gemacht worden, die bis heute alle negativ waren. Viele große Pharmaunternehmen haben sich aufgrund dieser negativen Studienergebnisse aus dem ganzen Bereich zurückgezogen.

Vor diesem Hintergrund ist es die Aufgabe des DZNE - zusammen mit Forschern auf der ganzen Welt - neue Therapieansätze zu finden. Gerade hier in Bonn spielen in der Forschung Entzündungsmechanismen eine wichtige Rolle. Diese spielen sich in den Gehirnen von Alzheimer-Kranken ab, aber auch von Menschen mit anderen neurodegenerativen Krankheiten. 

Sie haben eine sehr breit angelegte Langzeitstudie unter dem Namen "Rheinlandstudie" mit 30.000 Teilnehmern begonnen. Was möchten Sie herausfinden?

Es ist eine Bevölkerungsstudie, die hier in der Bonner Region durchgeführt wird. Die 30.000 Erwachsenen, die daran teilnehmen, spiegeln ein breites Altersspektrum wider. Anders als andere epidemiologische Studien konzentriert sich diese Studie ganz auf die Funktion, Gesundheit und Krankheit des Gehirns.

DZNE in Buschdorf MRT  Kernspin Tomograf
Mit einem Kernspintomografen (MRT) können Veränderungen im Gehirn erkannt werden. Bild: DZNE/Volker Lannert

Wissenschaftlich geht es uns darum, Marker zu finden, die uns frühzeitig anzeigen, ob eine Hirnkrankheit entsteht, so dass man dann frühere Interventions- und Behandlungsmöglichkeiten hätte.

Einer der besten biochemischen Marker den wir bisher haben, ist einer, den man aus dem Nervenwasser bestimmt. Das kann man aber nicht im großen Stil zur Früherkennung anwenden, da es eine Punktion im Bereich der Lendenwirbelsäule erfordert. Es geht also darum, auch andere Biomarker - etwa im Blut - zu finden.

Und wir fassen den Begriff auch noch weiter. Es geht uns nicht nur um biochemische, sondern auch um funktionelle Marker. Unter anderem wird in der Rheinland-Studie auch das Auge untersucht: Einerseits die Funktion des Auges. Andererseits kann man sich heutzutage mit nicht-invasiven Verfahren, also Verfahren, die überhaupt nicht in den Körper eingreifen, die Netzhaut des Auges mikroskopisch genau anschauen. Und die Netzhaut ist ein Teil des Gehirns. Möglicherweise kann man da sehr frühzeitig Veränderungen des Gehirns durch einen einfachen Blick ins Auge feststellen.

Werden auch Faktoren wie der Lebensstil erfasst?

Ja, in der Rheinland-Studie und auch in unseren klinischen Studien erfassen wir den Lebensstil sehr genau. Die Rheinland-Studie ist eine reine Beobachtungsstudie. Es geht also nicht darum, den Lebensstil zu verändern. Wir führen innerhalb des DZNE aber auch sogenannte Interventionsstudien durch, wo es etwa um die Auswirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln geht oder auch um körperliche oder kognitive Trainingsprogramme.

Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt Demenz für viele praktisch als Schicksal - so wie das Altern. Es wurden auch nicht so viele Ressourcen investiert, wie etwa in die Krebsforschung. Welchen Anteil haben die drastischen Fortschritte im Bereich der Molekularbiologie - etwa die Entschlüsselung des menschlichen Genoms - daran, dass dieses Krankheitsbild jetzt ernster genommen wird?

Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms hat für die gesamte medizinische Forschung einen riesigen Fortschritt bedeutet und einen Schub verursacht.

Die Wahrnehmung der Demenz in der Gesellschaft ist durch das höhere Durchschnittsalter gestiegen und damit verbunden die Zunahme der Fälle. Fast jeder kennt in der Verwandtschaft oder Bekanntschaft Betroffene. Auch die Einstellung dazu hat sich geändert: Man nimmt in unserer Zeit Dinge nicht so einfach als Schicksal hin. Vor mehreren Jahrzehnten war das sicher anders.

Prof. Klockgether ist Direktor für Klinische Forschung am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen und Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Bonn.

Das Interview führte Fabian Schmidt.